„Wie bekommen wir Menschen in Arbeit?“ (Volker Kauder, CDU, in „Berlin Mitte“)

Wer diese Frage stellt, wird aus unserer gegenwärtigen Misere keinen Ausweg weisen können. Denn, was hier fürsorglich klingt, ist bevormundend. Was auf guten Absichten beruhen mag, führt zu totalitären Maßnahmen.

Wären die planwirtschaftlichen Systeme nicht untergegangen, man könnte glauben, wir befänden uns mittendrin. Die Vorstellung, Menschen irgendwo hinbringen zu müssen, ihnen nicht lediglich Möglichkeiten zu bieten, sondern aus Möglichkeiten Gebote zu machen, läßt einen aufhorchen. Nötig ist dies ja nur, wenn man es den Bürgern unseres Landes nicht zutraut, daß sie ihren Weg schon finden werden und dies auch wollen. Man kann den Eindruck gewinnen, als entschieden nicht die Bürger auch heute schon, wie sie sich engagieren, als suchten sie nicht heute schon ihren Beruf aus oder schafften ihn gar selbst. Bei aller Erwerbszentrierung und ihren Folgen, die heute zu unserem Problem geworden sind, entscheiden die Einzelnen darüber, was sie mit ihrem Leben anfangen. Wer sich nicht engagieren will, engagiert sich eben nicht, daran konnten wir in der Vergangenheit nichts ändern, können es nicht in der Gegenwart und werden auch Zukunft dazu nicht in der Lage sein.

Doch wer solch weltfremde Vorstellungen vom Menschen hat, wer glaubt, er müsse ewig angetrieben und kontrolliert werden, dem muß der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens aufstoßen. Den Bürgern zu vertrauen, ihnen zu überlassen, wo sie sich engagieren wollen – das geht doch nicht, so der Tenor.

Ja, wie ist es denn heute? Leiden wir nicht gerade darunter, den Menschen zu wenig zuzutrauen? Wird das nicht immer beklagt von Unternehmerverbänden, sogenannten Liberalen, unseren Politikern und den klugen Experten? Rhetorik ist das eine, Taten sind das andere.

Es wäre ja schon viel erreicht, würden einmal all die Hemmnisse aus dem Weg geräumt, die heute jeden mehr oder weniger daran hindern, sein Leben nach seinem Dafürhalten zu gestalten. Statt „Aktivierung“ und Bevormundung sollte Freiheit ermöglicht werden. Doch Freiheit ist für viele, ganz gleich in welchem politischen Lager sie zuhause sind, eine „gefährliche Denkfigur“, sie wird gefürchtet; sie ist gar ungerecht, denn Freiheit kann natürlich nur heißen, Freiheit für alle Bürger gleichermaßen. Diese Freiheit, was auch immer mit seinem Leben anfangen zu wollen, hat nur, wer immer abgesichert ist. Hier beklagen nun viele, daß ein solches Grundeinkommen auch diejenigen erhielten, die davon nicht abhängig seien – die Reichen. Vorurteile in alle und aus allen Richtungen blockieren die öffentliche Diskussion. Wäre es denn gerecht von einem solchen Bürgereinkommen einige Bürger auszunehmen? Wollen wir festlegen und definieren, dann auch kontrollieren, wer was braucht und es ihm zuteilen?

Wenn wir wirklich die Freiheit der Bürger ermöglichen und Gängelung beseitigen wollen, müssen wir konsequent sein. Dann steht es allen gleichermaßen zu: es ist ein Bürgereinkommen. Ob jemand dieses Einkommen benötigt oder nicht, kann doch nur er selbst entscheiden. Wer es ihm nicht überlassen will, der ruft wieder nach Ausnahmen und Kontrolle, er landet also dort, wo wir heute sind.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird, sehr überraschend, häufig mit einem Arbeitsverbot gleichgesetzt, wie jüngst wieder durch Paul Nolte in der Sendung „Berlin Mitte“ (19.10.2006). Wäre er nicht Götz W. Werner ständig ins Wort gefallen, dann hätte dieser das Vorurteil ausräumen können. Ein Erwerbsverbot war nie vorgesehen, der Einwand ist also ein Popanz, letztlich ein Abwehrgefecht, um sich nicht auf das Grundeinkommen einzulassen.

Die Aufregung, die auch in dieser Sendung wieder über die Neuentdeckung einer „Unterschicht“ herrschte, war symptomatisch, wenn sie auch in einer Hinsicht berechtigt ist: Der Begriff teilt die Bürger in Kategorien ein, um sie dann wieder mit staatlichen Maßnahmen zu überziehen. Mehr als Möglichkeiten zu schaffen, können wir nicht. Möglichkeiten sind aber keine Gebote und Pflichten Wer sich bilden will, wer also die Möglichkeiten ergreifen will, wird es tun. Wer es nicht will, wird es lassen, auch das ist legitim. Doch wie wahrscheinlich ist es, daß eine Mehrheit die Möglichkeiten nicht nutzen wird? Es ist unwahrscheinlich, weil auch heute diese Möglichkeiten von der Mehrheit ergriffen werden. Wir können die Bedingungen des Ergreifens verbessern, das ist auch alles. Daß also die Freiheit des Einzelnen der Grund aller Bildung und allen Engagements ist, das vermochte nur Götz W. Werner in aller Deutlichkeit auf den Punkt zu bringen, während sich Peter Struck (SPD), Volker Kauder (CDU) und Paul Nolte (Historiker) darum bemühten, die Denkstagnation fortzusetzen, die die deutsche Diskussion bestimmt, nach dem Motto: „Wie bekommen wir Menschen in Arbeit?“ – als sei das unser Problem.

Solange es uns nicht ausreicht, den Bürgern – also uns – Möglichkeiten zu schaffen, damit jeder sein Leben in die Hand nehmen kann; solange es uns nicht ausreicht, Beratungsangebote bereitzustellen, die wahrnehmen kann, wer will; solange wir also aus Möglichkeiten Gebote machen wollen, aus Angeboten Anweisungen wie bei der Arbeitsagentur, solange wird sich in unserem Land nichts ändern.

Freiheit verlangt Vertrauen, Chancen bergen Risiken – das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

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