Wer alles in einen Topf wirft, kommt denkend nicht voran – zum Beitrag "Das Bürgergeld – Der Frontalangriff gegen den Sozialstaat"

Auf den Nachdenkseiten war ein Beitrag zu Bürgergeld und bedingungslosem Grundeinkommen von Jo Seeberger (siehe auch „Initiative gerechte Marktwirtschaft“) zu lesen. Der Beitrag ist derart undifferenziert und bezieht sich beinahe mutwillig nur auf die „Spar“-Varianten des BGE, als solle Wind gegen den Vorschlag im allgemeinen gemacht werden. In der Vergangenheit haben sich die Nachdenkseiten kaum mit dem BGE beschäftigt und es einfach unter der Rubrik neoliberal verbucht, ein dort häufig verwendeter Kampfbegriff.

Wundern kann einen, dass die Nachdenkseiten, die sich bemühen, eine Gegenöffentlichkeit zum politischen Zeitgeist zu fördern und einen reichen Fundus an Informationen dazu bereitstellen, einen solchen Beitrag unkommentiert veröffentlichen.

Sascha Liebermann hat aus diesem Anlass eine Brief an die Redaktion geschrieben, in dem er auf den Beitrag eingeht.

Brief an die Nachdenkseiten 21.4.2009.pdf

In einer früheren Replik auf Albrecht Müllers Beitrag „Entscheidend ist, was wächst“ (Frankfurter Rundschau) wurde zu dessen Beurteilung des BGE schon Stellung bezogen.

Liebermann – Bürgervergessen. Replik auf Albrecht Müller – 7-2005

Soziale Unruhen? – Über Duldsamkeit und Leidensfähigkeit

Jüngst haben Prognosen oder besser Prophezeiungen für Empörung gesorgt, dass womöglich in Deutschland mit Unruhen zu rechnen sei. Verantwortungslos (auch hier) seien solche Einschätzungen, sie könnten heraufbeschwören, was sie vorhersagen, meinen die Kritiker.

Spricht in der Gegenwart etwas dafür, dass es bald zu Unruhen kommen könnte? Durch Vorträge über das bedingungslose Grundeinkommen kommt man viel herum. Dabei trifft man gerade Menschen, die sich Gedanken machen oder mit dem Gegenwärtigen unzufrieden sind und nach Auswegen suchen. Ins Auge sticht dabei die Duldsamkeit, mit der wir uns Vieles gefallen lassen. Zu dieser Duldsamkeit fügen sich häufig Feindbilder. Es werden Zustände kritisiert, für die Interessengruppen verantwortlich gemacht werden. Sie seien so mächtig, hört man dann oft, dass Veränderungen aussichtslos sind.

Was wie eine kritische Bemerkung erscheint, erweist sich zum einen als Verantwortungsvermeidung, zum anderen als zynisch. Mit einer solchen Haltung bestätigen wir gerade diejenigen, die eine Basta-Politik betreiben, die uns suggerieren, es gebe keine Alternativen – wenn man sie nicht will, dann gibt es sie auch nicht.

Und zuguterletzt das Misstrauen. Selbst unter Grundeinkommensbefürwortern wird immer gefragt, ob wir schon fähig seien, die Verantwortung zu tragen, die das BGE uns gibt? Ja, wer denn sonst, wenn nicht wir? Ein Schweizer, dem die Frage gestellt würde, ob er zur Demokratie schon reif genug sei, würde uns – zurecht – den Vogel zeigen. Das BGE ist ein zutiefst demokratische Angelegenheit.

Symptomatisch ist auch der Mangel an Selbstkritik, auf den man stößt. Haben wir etwa Hartz IV gute Alternativen entgegengehalten? Haben wir etwa uns lautstark gegen die Privatisierung öffentlicher Aufgaben gewandt? Haben wir bzw. haben sich die Universitäten etwa gegen den Bologna-Unsinn gewehrt? Nach tragfähigen Gegenvorschägen konnten wir lange suchen, Einzelne allenfalls finden wir vor. Darüber können auch die gerne ztitierten Umfragen, denen zufolge so und so viele Deutsche gegen Hartz IV, die Rente mit 67 oder sonstiges seien, nicht hinwegtäuschen. Mit diesen Umfragen macht man sich die Lage schöner als sie ist. Es ist leicht kritisch zu sein, wenn es folgenlos ist. Mir scheint vielmehr, dass wir enorm leidensfähig, weil wir ein so ambivalentes Verhältnis zu unserer freiheitlich demokratischen Ordnung haben.

Das Ohnmachtsempfinden, dem man allerorten begegnet, hat seinen Grund auch in einer Selbstentmachtung. Wo es an Lösungen mangelt, wo man den Eindruck gewinnt, dass unsere Politiker nicht unsere Interessen im Sinne des Gemeinwesens vertreten, müssen wir uns einmischen, statt nörgelnd über sie herzuziehen. Wenn wir hingegen unser Meinung nicht öffentlich kundtun, wenn wir uns nicht z.B. in Initiativen organisiert gegen eine Politik der Intransparenz, wie sie angesichts der sogenannten Finanzkrise vorherrscht, wenden, dann wird sich auch nichts ändern. Wundern sollten wir uns darüber auch nicht.

Sascha Liebermann

Spargel-Panther – Erfindergeist und BGE


Eine Spargelstechmaschine ist entwickelt worden, die soviel Spargel erntet wie acht Arbeitskräfte in der Stunde. Da soll noch jemand behaupten, auch solche Tätigkeiten seien nicht zu rationalisieren. Wie im Film „Grundeinkommen“ am Ende ausgesprochen wird, dass wir einhundert Jahre gearbeitet haben, um uns von schwerer Arbeit zu entlasten, dem sind wir stetig näher gekommen. Rationalisierung und Freiheitsgewinn hängen miteinander zusammen, sind ein Erfolg und kein Problem, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt.

Aufruf zur 2. Woche des Grundeinkommens vom 14. – 20.9.2009

Bedingungsloses Grundeinkommen

Eine Antwort auf die Krise – ein Weg in die Zukunft

Wir, die Unterzeichner, rufen dazu auf, bei der diesjährigen Aktionswoche zum bedingungslosen Grundeinkommen mitzuwirken. Zeichnen Sie den Aufruf mit und unterstützen Sie die Aktionswoche. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, die Diskussion über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Sie soll dabei helfen, aufzuzeigen, dass sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen im Rücken viele Fragen und Probleme, vor denen wir heute stehen, ganz anders darstellen würden. Gerade angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise ist das individuelle Recht auf ein Existenz sicherndes Grundeinkommen, das gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, ein wichtiges Signal, das neue Chancen und Möglichkeiten eröffnet.

Interessierte können sich über die Website www.woche-des-grundeinkommens.eu informieren und ihre Aktivitäten dort veröffentlichen. Dort kann auch online mitgezeichnet werden. Die Seite dient zur Information über Veranstaltungstermine, als Ideenbörse sowie zum Austausch über Veranstaltungsformen – Events, Workshops, Vortragsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen, Demonstrationen, künstlerische Aktionen, Filmvorführungen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Neue Wege erfordern Engagement. Machen Sie mit, bringen Sie sich dort ein, wo Sie leben. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken und diskutieren, welchen Beitrag ein bedingungsloses Grundeinkommen zu einem freiheitlich-demokratischen und solidarischen Zusammenleben leisten kann!

Liste der Unterzeichner

Aufruf_u_Mitzeichnen_WdGE_2009.pdf

Mangelnde Informiertheit oder Abwehr von Veränderung? – Eine Abgeordnete zum BGE

Abgeordnetenwatch hat sich zur Aufgabe gemacht, die Kommunikation zwischen Bürgern und Abgeordneten zu fördern und transparent zu machen. Dazu wird ein Portal unterhalten, in dem online Fragen eingestellt werden, auf die Abgeordnete antworten können. Eine solche Antwort auf die Frage, ob die Petition zum BGE von Susanne Wiest angesichts der großen Zahl an Mitzeichnern nicht von der Politik aufgegriffen werden sollte, antwortet Dr. Bärbel Kofler, Mitglied des Deutschen Bundestages, – wer sich mit dem BGE beschäftigt hat, staunt.

Da heißt es z.B.:

Beim allgemeinen Grundeinkommen handelt es sich um eine alternative Leistungsart, die mit dem Prinzip des Wohlfahrtsstaates bricht sowie seine ganze Architektur bzw. Struktur zerstören würde. Denn dieser gründet seit über 100 Jahren auf Sozialversicherungen, die in unterschiedlichen Lebensbereichen, -situationen und -phasen auftretende Standardrisiken (Krankheit, Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit) kollektiv absichern, sofern der versicherte Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber vorher entsprechende Beiträge gezahlt haben.

Das BGE bricht nicht mit dem Wohlfahrtstaat, es stellt ihn auf eine andere Grundlage. Nur weil etwas schon lange besteht, gilt es hier als erhaltenswert ganz in Absehung davon, was es leistet. Das ist bemerkenswert, denn Frau Kofler lässt sich auf die Frage nicht einmal ein, was denn vom alten Wohlfahrtstaat in den neuen hinübergenommen werden könnte, als gäbe es keine Probleme, die zu neuen Lösungen herausforderten. Bedenkt man, dass diese Antwort von heute stammt (9.4.2009), könnte man meinen, die Auswirkungen der Finanzmarktspekulation gäben nicht Anlass über Veränderungen nachzudenken.

Weiter heißt es:

Verfechter des Grundeinkommens geraten zwangsläufig in ein Dilemma, denn sie müssen sich zwischen folgenden zwei Möglichkeiten entscheiden: Entweder erhält jeder Bürger das Grundeinkommen, unabhängig von den jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. In diesem Fall müssten riesige Finanzmassen bewegt werden, die das Volumen des Bundeshaushaltes (knapp 297 Mrd. EUR) um ein Mehrfaches übersteigen.

Nicht einmal die Mühe wird sich gemacht, über die Finanzierungsfrage und vorliegende Studien sich zu informieren. Als würden heutige Transferleistungen vollständig aus dem Bundeshaushalt bestritten. Aus ihm werden nur bestimmte Anteile getragen. Relevante Bezugsgröße für die Ausgaben ist das Sozialbudget (2007: 707 Mrd. Euro), da es aus unterschiedlichen Quellen finanziert wird. Sollen wir Bürger hier mit einer Nebelkerze von den tatsächlichen Sachverhalten abgelenkt oder gar für dumm verkauft werden? Ist es etwa schlicht Unwissenheit?

Bemerkenswert ist folgende Ausführung:

Außerdem stellt sich unter Gerechtigkeitsaspekten die Frage, warum Millionäre vom Staat monatlich ein von ihnen vermutlich als sehr bescheidenes Almosen empfundenes Grundeinkommen erhalten sollten, während Millionen Bürger mehr als den für sämtliche Empfänger einheitlichen Geldbetrag viel nötiger hätten.

Was auch unter BGE-Befürwortern durchaus strittig ist, ob die sogenannten Reichen ein BGE nötig haben. Hieran wird eines deutlich: Entweder erhalten es alle, dann erst erkennen wir die Bürger als Bürger an, ohne Ausnahme. Oder wir behalten das Bedarfsdenken doch bei und urteilen darüber, wer es braucht und wer nicht? Aber, was heißt eigentlich „brauchen“?

Treffend:

Oder wohlhabende und reiche Bürger bekommen das Grundeinkommen nicht bzw. im Rahmen der Steuerfestsetzung wieder abgezogen. Dann ist es weder allgemein und bedingungslos, noch entfällt die Bedarfsprüfung, denn es müsste ja in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Anspruchsvoraussetzungen nicht durch (verdeckte) anderweitige Einkünfte verwirkt sind.

Ganz genau. Hier trifft Frau Kofler den Nagel auf den Kopf. Auch die sehr liberale, nur auf die Einkommenserfassung zielende Negative Einkommensteuer behält das Verrechnungsprinzip bei und verwandelt dadurch das bedingungslose Grundeinkommen in ein bedingtes. Es muss der Nachweis – wenn hier auch auf einfache Weise durch Erfassung des Einkommens durch das Finanzamt – erbracht werden, dass das erzielte Einkommen unter einer definierten Einkommensgrenze liegt. Der wichtige Schritt, das BGE als von anderen Einkommen unabhängige Einkommensquelle zu gestalten, ist entscheidend. Erst dann ist es als Bürgereinkommen erfahrbar. Dass diejenigen, die mehr Steuern bezahlen als sie Geld durch das BGE erhalten rechnerisch betrachtet Nettozahler sind, ändert an diesem Zusammenhang nichts. Sie könnten sich jederzeit auf das BGE zurückfallen lassen.

Dass Frau Kofler ein BGE nicht will, ist legitim. Dass sie es in der Realität nicht für vorstellbar hält, hat mit dem BGE nichts, mit dem Denken über die Realität viel zu tun. Nicht die Einwände gegen das BGE geben einem zu denken, sondern die mangelnde Bereitschaft, über andere Wege überhaupt einmal nachzudenken.

Sascha Liebermann

Antrag auf bedingungsloses Grundeinkommen – Formular online

Einer Eilmeldung zufolge kann nun das bedingungslose Grundeinkommen beantragt werden. Zum Antragsformular.

Zahlreiche Tageszeitungen berichteten von der Eilmeldung. Die Leipziger Internetzeitung hat ein Interview zur Aktion mit Ralph Boes geführt.

Die Bundesagentur für Arbeit bittet, von der Zusendung von Anträgen abzusehen, obgleich sie die Bedingungslosigkeit unterstützt.

Mittlerweile hat die Bundesagentur für Arbeit erklärt, gegebenfalls rechtliche Schritte gegen die Initiatoren zu ergreifen.

Nürnberg im Rausch – eine Statistik über die Webzugriffe auf die Bundesagentur für Einkommen