Statt Hofberichterstattung – Hartnäckigkeit

Anlässlich der Pressekonferenz am 24. Oktober zur Vorstellung des Koalitionsvertrages hat sich ein niederländischer Journalist hervorgetan, der beharrlich die Bundeskanzlerin fragte, wie sie dem künftigen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vertrauen könne (zum Video), habe er doch in der Vergangenheit 100 Tausend DM Spenden anzugeben vergessen. Interessant ist die Hartnäckigkeit im Kontrast zu der unter deutschen Journalisten verbreiten Haltung, statt Meinungsbildung zu fördern, entweder Hofberichterstattung zu betreiben oder pubertierend trotzig zu nörgeln.

In einem Interview mit der Welt online äußert er sich so:

„WELT ONLINE
: Halten Sie die deutschen Journalisten für unkritisch?

Savelberg: Ich würde es anders bezeichnen. Vielleicht haben meine deutschen Kollegen zu viel Respekt. Mir fällt auf, dass es in Holland weniger Berührungsängste gibt. Das sind meine Kollegen härter. Die Regierung besteht nur aus gewählten Volksvertretern. Das sind keine Monarchen.“

Das scheinen wir allzuoft zu vergessen. Statt wie Bürger verhalten wir uns wie Untertanen und warten ab, was „die da oben“ uns wohl bringen werden.

Petition: Arbeitslosengeld II – Abschaffung der Sanktionen nach § 31 SGB II

Ralph Boes hat eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht, die noch bis zum 28. Oktober mitgezeichnet werden kann. Weitere Informationen auch hier.

Mitzeichner nach Ende der Zeichnungsfrist: 6316 .

Bedenkt man, was mit dem Bürgergeld der FDP, würde es umgesetzt, auf uns zukäme, hat diese PetitionSanktion an Bedeutung nichts eingebüßt.

Hartz IV: Verfassungsrichter bringen Regierung in Erklärungsnot

Als Niederlage der Bundesregierung kann die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts über die Methoden zur Ermittlung von Hartz IV-Regelsätzen gelten. Zahlreiche Zeitungen berichten darüber: die Süddeutsche, Spiegel Online, Frankfurter Rundschau.

Im Kommentar von Heribert Prantl in der SZ werden die Richter so wiedergegeben:

„Es geht um mehr, nämlich um das soziokulturelle Existenzminimum, also um den Betrag, den man benötigt, um am gesellschaftlichen Leben wenigstens ein wenig teilnehmen zu können. Eine moderne Sozialpolitik sorgt dafür, dass der Mensch Bürger sein kann; seine politischen Rechte brauchen ein soziales Fundament. Die Richter werden es beschreiben und befestigen.“

Doch, eines muss hier festgehalten werden: selbst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts schafft noch keine Verbesserung. Sie ist nur politisch zu erreichen. Schon früher gab es Urteile des BVerG zum soziokulturellen Existenzminimum, die in der Hartz IV-Gesetzgebung nicht beachtet wurden.

Nur Engagement also wird zu Verbesserungen führen können, ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt uns niemand, wir – die Bürger – müssen es schaffen.

Nachwuchsvergessene Hochschulpolitik – und ein bedingungsloses Grundeinkommen

Wer nicht in Forschung und Lehre tätig ist oder dorthin strebt, weiß in der Regel wenig über die Karrierewege von Wissenschaftlern. Abgesehen von Klischees über taxifahrende Geisteswissenschaftler erhält ihre Lage wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Viele gehen davon aus, Wissenschaftler seien ohnehin verbeamtet oder auf Dauerstellen tätig. Das trifft auf einige (ca. 30%) in der Tat zu, auf die Mehrheit aber nicht. Hinzukommt eine enorme Zahl an Lehrbeauftragten an Universitäten und Hochschulen, die mit einem Hungerlohn abgespeist werden, aber für den laufenden Betrieb unerlässlich sind. Die meisten befristeten Mitarbeiter sind auf der Basis von Drei- bis Sechjahresverträgen angestellt. Die besonders schwierige Lage rührt allerdings nicht alleine daher, sondern aus der Eigenheit von Wissenschaft: sie bringt – vor allem in der Grundlagenforschung – nichts hervor, das direkt von Nutzen ist (siehe auch hier und hier). Deswegen bestehen auch so gut wie keine Möglichkeiten, außerhalb des Wissenschaftssystems weiter zu wirken. Dass es gerade in den letzten sieben Jahren zu einer gewaltigen Verschärfung der Situation gekommen ist, auch hier ein Ergebnis der Rot-Grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder, ist wenig bekannt, da die Universitäten samt ihrer Mitglieder, der Professoren, sich dagegen nicht wehren.

In seinem Beitrag „Weder Junior noch Professor“ (Die Zeit vom 15.10.2009) hat Martin Spiewak jüngst den Finger in die Wunden halbherziger, gar nachwuchsvergessener Hochschulpolitik gelegt. Anschaulich wird dies anhand von Qualifizierungswegen und Karriererisiken von jungen Wissenschaftlern im deutschen Universitätsbetrieb. Eines allerdings betrachtet der Autor nicht: die Folgen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das seit 2002, in geänderter Fassung seit 2007, in Kraft ist und weithin in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Dieses Gesetz (auch 12-Jahresregelung genannt) beschränkt eine befristete Anstellung von Wissenschaftlern auf die Gesamtdauer von 12 bzw. 15 Jahren. Die Zeit vor der Promotion, auch wenn ein Kandidat von einer Universität nur als Doktorand anerkannt und in keiner Form angestellt war, wird als Anstellung angerechnet. Die Änderung des Gesetzes in 2007 führte nur zu einer Lockerung insofern als die Befristungsregelung nunmehr nur für Haushaltsstellen gilt. Aus Drittmitteln kann eine Anstellung weiterhin erfolgen – das war zuvor so gut wie nicht möglich. Wer jedoch nach 12 bzw. 15 Jahren auf keinen Lehrstuhl berufen wird oder eine der wenigen anderen Dauerstellen (z.B. als akademischer Rat) erhält, der hat Pech, um es zynisch auszudrücken. Dieses Pech bedeutet meist das Ende von Forschung und Lehre, schlimm für den Einzelnen – für die Wissenschaft ein Verlust und für unser Gemeinwesen ebenso. Da muss es zynisch anmuten, wenn die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, davon spricht, unter Akademikern herrsche Vollbeschäftigung (Erwerbslosigkeit bis 3%). Wem, der davon betroffen ist, nützt diese Statistik? Sie verhindert nicht, dass Wissenschaftler das aufgeben müssen, was sie am besten können, wenn sie keine Stelle erhalten. Für jeden Einzelnen ist das eine Katastrophe.

Nicht verwunderlich ist es also, dass Wissenschaftler sich im Ausland umschauen, die weiter lehren und forschen wollen. Ohnehin wird große Mobilität vorausgesetzt, denn selbstverständlich werden müssen Stellen immer bundesweit gesucht werden, sonst sind die Chancen noch schlechter.

Nun war es für einen Wissenschaftler schon immer ungewiss, ob er je auf eine Professur berufen wird, damit lebten und leben alle, die diesen Weg gehen wollen. Doch bevor die 12-Jahresregelung erlassen wurde, gab es immerhin noch befristete Verträge, die einen bis zur Rente tragen konnten und die es erlaubten, weiterhin zu forschen und zu lehren. Sie halfen auch die Zeit zu überbrücken, bis einen gegebenenfalls ein Ruf ereilte. Heute bleibt nur der Sprung ins Drittmittelrennen, das ist der einzige Ausweg und mit ebenso ungewissem Ausgang. Nur jeder dritte Forschungsantrag wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt – auch das ist wiederum nur Statistik. Sie hilft demjenigen nicht, dessen Antrag abgelehnt wird oder der sogar die Erfahrung machen muss, dass mehrere Anträge abgelehnt werden. Ihnen gehen stets umfangreiche Vorarbeiten voraus, sie sind im Fall der Ablehnung oft vergebene Müh.

Es stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die ungewisse berufliche Zukunft von Wissenschaftlern noch durch die Befristungsregelung verschlechtert werden musste? Oder fragen wir anders: Wie war es möglich, dass eine solch aberwitzige Regelung ohne nennenswerten Widerstand durchgesetzt werden konnte? Weil offenbar, ganz wie in Sachen Hochschulreform im allgemeinen, die Universitäten wie auch die darin tätigen Professoren, Einzelne seien ausgenommen, sich nicht als Fürsprecher der Wissenschaft, ergo des wissenschaftlichen Nachwuchses, verstehen. Würden sie sich ernsthaft darum sorgen, was aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs wird, dann hätte es anhaltende Proteste und Widerstand geben müssen. Innerer Widerstand, den manche geübt haben mögen, ist verantwortungslos. Der Protest, den es gab, ebbte jedoch schnell wieder ab, auch ging er vor allem vom wissenschaftlichen Nachwuchs aus.

Wer eine Professur ergattert hat, so könnte man meinen, kann die Befristungsregelung gelassen nehmen, selbst wenn er weiß, was sie für Folgen hat. Er muss nicht einen einzigen Drittmittelantrag stellen; stellt er einen und er wird abgelehnt, hat es für den Antragsteller keine Folgen, er hat ja eine Stelle. Wissenschaftlern, die schon mit einer befristeten Stelle zufrieden wären, damit sie wenigstens weiterforschen können, und die heute um ihre Zukunft bangen, kann es angesichts der mutwilligen Indifferenz und teils zynischen Haltung von Etablierten die Sprache verschlagen. Was könnte getan werden?

Ein erster Schritt zur Verbesserung wäre die Abschaffung der 12-Jahresregelung; ein weiterer die allfällige Forderung nach mehr Mitteln für die Universitäten. Sie hilft aber denen nicht, die nicht in den Wissenschaftsbetrieb hineingelangen. Eine dritter Schritt, und das würde die weitreichendeste Veränderung bedeuten, wäre die Einführung eines ausreichend hohen bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger. Denn, was im allgemeinen, für die Bürger, gilt, gilt auch im besonderen, für die Wissenschaftler. Es eröffnete die Möglichkeit, auch ohne Anstellung weiter zu forschen und zu lehren. Sich einer Forschergruppe zu assoziieren wäre auf einfache Weise möglich, ohne von einer Anstellung abhängig zu sein. Darüber hinaus würde es zu einer Pluralisierung des Wissenschaftssystems führen und die zentrale Ausrichtung auf die Universität aufheben.

Sascha Liebermann

Bürgergeld und Hartz IV – alles beim Alten

In der Phoenix-Runde vom 14. Oktober wurde über die Frage „Bürgergeld statt Hartz IV – Ist das sozial?“ diskutiert (Sendung als Videostream oder Podcast). Gäste waren Norbert Blüm, CDU (Ehem. Bundesarbeitsminister), Andreas Pinkwart, FDP (Stellv. Bundesvorsitzender), Michael Schlecht (ver.di, Bereichsleiter Wirtschaftspolitik, seine Sicht auf das bedingungslose Grundeinkommen) und Wolfgang Engler (Kultursoziologe). Was gibt es zu berichten? Deutlich wurde, wie sehr das FDP-Bürgergeld den Druck auf die Bürger, die es beziehen, erhöhen soll – die FDP will Hartz IV lediglich „unbürokratischer“ gestalten. Auch hält die FDP an der Statussicherung, auf die die Sicherungssysteme wie Arbeitslosengeld bislang ausgerichtet sind, beibehalten. Gekrönt wurden Andreas Pinkwarts Ausführungen durch den Spruch „Solidarität ist keine Einbahnstraße“ – den hätten Norbert Blüm und Michael Schlecht sofort unterschreiben können. Frühere Kommentare zur FDP im Bundestagswahlkampf siehe hier.

Wundern kann einen, wie ungenau Wolfgang Engler über das Grundeinkommen spricht, das er einfach mit einer Negativen Einkommensteuer gleichsetzt, die letztlich nur eine sehr liberale Form der Ersatzleistung darstellt. Früher schon hat er verlauten lassen, dass ein Grundeinkommen auf jeden Fall an eine Bildungsverpflichtung gekoppelt sein sollte. Einen Mindestlohn hält er für unabdingbar, denn er sei kein blauäugiger Grundeinkommensbefürworter. Ohne Mindestlohn geschehe, was Götz Werner vorhabe: Löhne durch den Arbeitgeber um das Grundeinkommen zu kürzen. Bitte, wie? Gewiss, Herr Werner hat sich schon missverständlich geäußert, doch in seinem Buch „Einkommen für alle“ (S. 100 f.) bleibt die Aushandlung der Löhne beiden Verhandlungsparteien aufgegeben. Von einer direkten Verrechnung auf Arbeitgeberseite ist keine Rede. Dass die Verfügbarkeit des Grundeinkommens zu jeder Zeit sich auf die Verhandlungen auswirkt, ist selbstverständlich. Außerdem: Weshalb, sofern das Grundeinkommen ausreichend hoch ist, soll der Arbeitnehmer nicht auch niedrige Löhne akzeptieren dürfen? Nieman wäre gezwungen, sich darauf einzulassen.

Wie sieht es mit Norbert Blüm und Michael Schlecht aus? Das alte Lied.

Blüm kann die Welt nur in Erwerbsarbeit denken. Zwar redet er auch von Erziehungsarbeit usw., doch wie soll die möglich sein, wenn es kein Grundeinkommen gibt? Und wie wird sie ohne Grundeinkommen davon befreit, nur zweite Wahl zu sein gegenüber der Erwerbsarbeit? Gar nicht. Weil das so ist, sind Erwerbstätige das Maß aller Dinge. Es sei eine Ungerechtigkeit, dass Erwerbstätige, die dreißig Jahre eingezahlt haben, nach einem Jahr ALG I denselben Status haben, wie jemand, der nie eingezahlt hat – Erwerbsfixierung und Statusdenken fallen zusammen. Wer nur Erwerbstätige kennt, kann auch „Teilhabe“ nur als Erwerbsteilhabe denken und erklärt dann, subsidiär solidarisch sei nur, wer versucht, sein Einkommen selbst zu erzielen. Eine verbreitete Darstellung, die mit dem Subsidiaritätsgedanken jedoch gar nichts zu tun hat.

Michael Schlecht fordert, was die Gewerkschaften schon lange fordern: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Es werde einfach nicht genügend Arbeit angeboten, das müsse geändert werden. Es geht natürlich nur um Erwerbsarbeit. Für die Herrschaften gilt es mehr, Kinder gegen Bezahlung betreuen zu lassen, als selbst für sie zu sorgen. Was stört Michael Schlecht eigentlich an der ausgleichenden Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens, fragt man sich, wenn er sich vehement dagegen ausspricht, Unternehmen darin zu unterstützen, niedrige Löhne zahlen zu können? Hat er noch nicht davon gehört, dass, ganz gleich welche Kosten einem Unternehmen aufgebürdet werden, ganz gleich, welche Mindestlöhne eingeführt würden, sie ohnehin vor allem der Verbraucher tragen müsste?

Also, doch alles beim Alten, keine Denkbewegung, kein Fortkommen.

Sascha Liebermann

Demokratisierung, politisches Engagement und Grundeinkommen

Was es heißt, um sein Auskommen zittern zu müssen, hat im letzten Bundestagswahlkampf auch Wolfgang Strengmann-Kuhn erfahren. Er kandidierte für Bündnis 90/ Die Grünen im Wahlkreis Main Taunus und hatte Listenplatz 6 in Hessen inne. Anfang 2008 war er in den Bundestag nachgerückt, sein befristeter Arbeitsvertrag an der Universität Frankfurt war kurz danach ausgelaufen und ein Direktmandat in seinem Wahlkreis für den Wiedereinzug zu gewinnen, war denkbar unwahrscheinlich (gegen Heinz Riesenhuber, CDU). Ohne Mandat aber hätte auch er der Erwerbslosigkeit in die Augen geschaut. Also kam alles auf die Zweitstimmen an, damit der Listenplatz für den Wiedereinzug reichte. Wie knapp der Wiedereinzug gelang, können Sie diesem Bericht entnehmen.

Was lehrt uns das? Es ist eine gute Sache, das Politik nicht wirklich zum Beruf werden kann und Abgeordnete von der Wahl durch die Bürger abhängig sind, ohne Zweifel. Doch welche Folgen hat das für unsere Demokratie? Wer kann es sich erlauben, solch ungewissen Einkommenszeiten entgegenzugehen?

Was Wolfgang Strengmann-Kuhn durchlitten hat, haben andere sicher auch erfahren, schon vielfach. Damit man sich auf die Ungewißheit des Abgeordnetendaseins einlassen und zugleich seine Unabhängigkeit wahren kann, bedarf es einer gewissen Absicherung, einer, die ein solches Engagement ermöglicht. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen in ausreichender Höhe hätte auch Wolfgang Strengmann-Kuhn nicht zittern müssen, denn, wäre er nicht gewählt worden, wäre sein Auskommen und das seiner Familie gesichert gewesen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde unsere Demokratie erheblich verändern. Wer sich heute aufgrund seiner Einkommenslage und beruflichen Situation nicht einmischen kann, wie er will, der erhielte durch das bGE andere Möglichkeiten. Auch wären diejenigen, die sich für den Schritt entscheiden, von der Sorge befreit, nur durch einen Wiedereinzug in ein Parlament ihr Auskommen sichern zu können.

Sascha Liebermann

FDP Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen

Seitdem der Ausgang der Bundestagswahl zeigte, dass die FDP aller Wahrscheinlichkeit nach Regierungspartei werden wird, nehmen die Pressemeldungen über das FDP Bürgergeld zu. Manche sehen darin einen Schritt zum bedingungslosen Grundeinkommen, weil Leistungen pauschaliert werden sollen, anderen sehen einen weiteren Abbau von Transferleistungen auf uns zukommen. Wer wissen möchte, was es mit dem FDP Bürgergeld auf sich hat, dem sind zwei Broschüren empfohlen, in denen Kerstin Funk (Broschüre ) und Peter Altmiks (Broschüre) ausdrücklich den Unterschied zwischen bGE und Bürgergeld darlegen. Beide Verfasser arbeiten für die Friedrich Naumann Stiftung. Ausführungen finden sich auch im Bundestagswahlprogramm 2009 (S. 9 und 16). Das FDP Bürgergeld ist nicht einmal so liberal wie eine radikale Negative Einkommensteuer, es verzichtet nicht auf die Bedürftigkeitsprüfung und es ist so niedrig angesetzt, dass es gerade keine Freiräume schafft. Darüber hinaus ist die Sprache in den Broschüren Zeugnis für die Haltung der Liberalen: Nicht auf Engagement und Gemeinsinn der Bürger wird vertraut, auf die bildende Kraft der Selbstbestimmung, wie sie den Bürgerrechten zugrundeliegt, sondern auf Anreize. Dass die FDP damit im Kreis derer verbleibt, die in der Bekämpfung von Faulheit und innerer Verwahrlosung die größten Übel der Gegenwart erkennen, ist nicht neu, wir haben darauf jüngst und in der Vergangenheit hingewiesen. (Einen treffenden Kommentar hat auch die Financial Times Deutschland verfasst) Die liberale Rhetorik kann und will gar nicht über den Geist des Arbeitshauses, der sie durchweht und damit die Reduzierung der Bürger auf Erwerbstätige, hingwegtäuschen.

Sascha Liebermann

Nachtrag (11.10.2009): Mittlerweile hat das FDP-Bürgergeld vielfältige kritische Kommentare hervorgerufen. Neben den oben genannten wird es nun ausdrücklich als Sozialstaatsfalle bezeichnet, das Transferabhängigkeit zementiere, so Hilmar Schneider vom IZA. Die Kritik weist zugleich den Weg, den der Verfasser vorschlägt: mehr Workfare, mehr Gegenleistung also, da das Bürgergeld nur den Niedriglohnsektor stärke, sonst aber gar nichts. Große Veränderungen zu Hartz IV bringe es nicht, insofern sei es eine Mogelpackung, oder eben nur eine Änderung der Nomenklatur. Gleichmacherei schaffe das Bürgergeld, so Klaus Ernst von der Linkspartei – ja, wenn es denn wenigstens eine Gleichheit für alle Bürger von der Wiege bis zur Bahre auf ausreichend hohem Niveau wäre, dann wäre das Ziel eines bGE erreicht. Davon ist bei Ernst natürlich keine Rede, auch er frönt dem Arbeitshaus. Es bleibt die Hoffnung, dass die Debatte, wie Enno Schmidt, Wasser auf die Mühlen eines bGE ist, denn sie macht sichtbar, wohin das Bürgergeld führen würde und mit welch aberwitzigem „Weiter so“ die Hartz IV-Befürworter am Alten festhalten. Das hatte wohl auch Götz W. Werner im taz-Interview vor Augen, als er davon sprach, das Bürgergeld helfe, neu zu denken.

Nachtrag (25.10.2009): Andere, wie Michael Opielka und Wolfgang Strengmann-Kuhn, erkennen im Bürgergeld auch Chancen, weil die Auszahlung des Bürgergeldes durch das Finanzamt stattfinden soll. Zugleich soll aber ein Prüfung von Bedürftigkeit und Arbeitsbereitschaft stattfinden, diese aber seien dem Finanzamt „systemfremd“ und würden das Entstehen „neuer Bürokratie“ verlangen, so Strengmann-Kuhn. Würde aber ein echtes integriertes Steuer- und Transfersystem geschaffen, könnte dies zur Negativen Einkommensteuer führen, die ungleich liberaler ist als das Bürgergeld in der jetzigen Fassung und als Hartz IV. Opielka hält die Überprüfung der Arbeitspflicht vom Konzept des Bürgergeldes her für nicht durchführbar: „Die Arbeitspflicht bleibt bei einem Bürgergeld pure Rhetorik“ und sieht dadurch ungewollt ein Grundeinkommen heraufziehen. Bedenkt man jedoch, wie sehr auf Workfare im Wahlkampf direkt und indirekt gepocht wurde, dann wäre es ebenso denkbar, dass genau diese Seite des Bürgergeldes gestärkt und die andere, die Strengmann-Kuhn starkmacht, geschwächt wird. Wir werden sehen.

Grundeinkommen: bedingungslos! – Krönung in Dortmund

Unter diesem Slogan fand am 1. August in der Dortmunder Innenstadt, am Platz von Leeds, eine Krönungsaktion statt.

Aufgerufen dazu hatte eine Gruppe von Aktiven um Christian Nähle. Andere schlossen sich an.

Christian Nähle hat auch einen Webshop installiert, in dem fair gehandelte Biobaumwoll-T-Shirts mit Grundeinkommenslogos bestellt werden können.

Video zur Krönung
Krönungsreflexion

SPD Rhein Erft – SPD muss sich mit Grundeinkommen auseinandersetzen

Schon seit einiger Zeit hat sich die SPD Kreisverband Rhein Erft für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen. Nun hat Guido van den Berg, Kreisvorsitzender, in der taz gefordert, die SPD müsse sich nun an der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen beteiligen, sie müsse den Mut haben, neue Ansätze zu denken.