„Wer ist für Freibier, wer würde die Runde schmeißen?“

Am 28. Juni fand in Frankfurt unter dem Titel „Vom Freelancer zum Faulenzer“ eine Diskussion über Grundeinkommen statt. Im nachstehenden Zusammenschnitt (von ESA-Film) ist besonders eines interessant, wie nämlich die Wirtschaftsredakteurin der FAZ, Heike Göbel, auf die Ausführungen Enno Schmidts reagiert.

Die Bürgergemeinschaft wird dabei vor allem als Bilanzgemeinschaft (Teil 1) gedeutet, in der die einen für die anderen zahlen. Dass in einer Bürgergemeinschaft eine grundlegende Abhängigkeit aller von allen als Solidargemeinschaft besteht (siehe „Althaus Radikalkur“, „Wer von der Gemeinschaft Geld bekommt…“ und „Einer Übermacht von Zauberern…“), wird gar nicht gesehen. Darüber hinaus wird auch nicht in die Betrachtung einbezogen, welchen Wert für das Gemeinwesen Fürsorge in den Familien und Freiwilligenengagement haben. Frau Göbel würde wohl die Fremdbetreuung von Kindern sowie die erwerbsförmige Organisation von Freiwilligenengagement für wertschöpfend halten. Solange sie nicht erwerbsförmig erbracht werden, sind sie „volkswirtschaftlich“ zu vernachlässigen. Auf diese Weise lässt sich aber nicht der Stellenwert der verschiedenen Bereiche in einer Volkswirtschaft oder treffender: in einem Gemeinwesen begreifen. Alle sind gleichermaßen unerlässlich.

Sehr interessant ist auch im dritten Teil die Bemerkung von Frau Göbel, ob mit dem BGE eine „Gesellschaft“ sich nicht billig aus der Verantwortung stehle. Sagen das nicht sonst Gewerkschafter und „Linke“? So groß sind die Gemeinsamkeiten und so geringe die Unterschiede beider mit Wirtschaftsliberalen – einig sind sie sich in der Ablehnung des BGE.

Sehen Sie selbst: Teil 1, Teil 2, Teil 3

„Verbrämte Statistik“ – Was sagen die Arbeitsmarktzahlen aus?

Unter diesem Titel hat Ulrike Herrmann schon Ende Juni das allmonatliche Ritual kommentiert, mit dem die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitsmarktzahlen präsentiert. Der Kommentar erinnert daran, was diese Statistik aussagt und worüber sie schweigt.

Statistiken sind im allgemeinen mit Vorsicht zu genießen. Denn solange man nicht weiß, was nach welchen Verfahren mit welchen Fragen erhoben wird, ist auch nicht zu ermessen, was aus den Daten geschlussfolgert werden kann. Was sie bestenfalls hergeben, sind Wahrscheinlichkeiten, sie erklären jedoch gar nichts (Siehe auch Walter Krämer, So lügt man mit Statistik, ein interessantes Buch, der Titel ist etwas irreführend, siehe Einleitung; siehe auch einen Vortrag über Statistikausbildung in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften).

Was die Kommentatorin indes nicht aufgreift, ist der Umstand, dass eine solche Statistik überhaupt nur misst, was sie per definitionem messen soll und das dies wiederum davon abhängt, nach welchem Modus das Gemeinwesen seine Bürger alimentiert. Wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen hätten und jeder, weil es ausreichend hoch wäre, abgesichert wäre; wenn es also keiner Meldung bei der Agentur für Arbeit bedürfte, um eine Absicherung zu erhalten, dann bräuchte es auch diese Statistik nicht. Folglich würden wir über „Erwerbslosigkeit“ nicht mehr in der Form sprechen, in der wir es heute tun, wir würden uns vielmehr fragen, was wir tun müssen, um die Freiräume zur Selbstbestimmung zu vergrößern.

Sascha Liebermann

Öffentliche Anhörung zur Petition von Susanne Wiest – Aktionen zuvor

Am 8. November soll die Anhörung zur Petition von Susanne Wiest stattfinden. Inzwischen sind Veranstaltungen oder Aktionen in Vorbereitung, die die dazu beitragen wollen, dass das bedingungslose Grundeinkommen bis dahin mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhält.

Das Archiv Grundeinkommen hat folgenden Vorschlag eines BGE-Befürworters veröffentlicht:

Er regt „Gespräche in den Bürgersprechstunden der Abgeordneten des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages an, um diese auf die BGE-Anhörung am 8.11.2010 vorzubereiten und über das BGE zu informieren. Fast alle Abgeordneten unterhalten eine persönliche WebSite und ein Wahlkreis- bzw. Bürgerbüro, über welches man mit ihnen in Kontakt treten kann. Diese Websites sind unter diesem Link schon mal zusammengesammelt.“

Weiterhin soll eine Demonstration am 6. November stattfinden, die den Höhepunt einer Kamapgane bildet die heute startet. Näheres finden Sie auf der Seite der Aktion „Unternimm das jetzt!“, unterstützt wird sie von „Global Change“
(Wir rätseln über die intransparente Darstellung von Global Change auf ihrer Website. Kaum findet man genannte Personen, die dahinter stehen, außer einem der Gründer. Auch erfährt man wenig darüber, wer welche Ämter innehat. Machen Sie sich selbst ein Bild)

Von 6. bis 8. August findet gibt es Grundeinkommensveranstaltungen im Rahmen des Friedensfestivals am Brandenburger Tor.

Wieder einmal: Volksentscheid am Pranger

Nach der Hamburger Entscheidung zur Primarschule wird wieder Gericht über den Volksentscheid gehalten. Es wäre zwar auch interessant, sich mit den Argumenten von Gegnern und Befürwortern der Primarschule auseinanderzusetzen, dem gilt aber hier nicht unsere Aufmerksamkeit. Wer sich für unsere Ansichten zu Bildung interessiert, sei auf den Text „Erfahrung ermöglichen oder Wissen vermitteln?“ verwiesen. Will man etwas über das Demokratieverständnis erfahren, das in der Öffentlichkeit herrscht, sollte man diese Artikel als Dokumente lesen. Es ist erstaunlich, was dort in den Volksentscheid hineininterpretiert wird, es ist ebenso erstaunlich, wie wenig Vertrauen in die Bürger herrscht, Entscheidungen womöglich zu revidieren. Ein Volksentscheid schafft zwar einen Beschluss, er zementiert aber nicht Verhältnisse auf ewig. Die Entscheide müssen (zumindest in der Schweiz) auch mit der Verfassung in Einklang stehen, andernfalls können sie nicht umgesetzt werden. Es ist also keinesfalls so, dass damit aufgehoben werden kann, wozu sich ein Gemeinwesen qua Verfassung bekennt, z.B. die Menschenrechte. Gegen ihn kann wiederum für bessere Vorschläge geworben werden. Nicht von ungefähr wird in einigen Artikeln auf die Entscheidung der Schweizer zum Minarettverbot Bezug genommen. Gerade diese Entscheidung allerdings zeigt sehr deutlich, welche Chancen der Volksentscheid birgt: er schafft eine Entscheidung, über die öffentlich gestritten werden kann, eine wirkliche Entscheidung und nicht etwa nichtsnutzige Umfrageergebnisse.

Siehe auch unseren früheren Kommentar

Eine Auswahl der Kommentare:

Süddeutsche Zeitung
Frankfurter Rundschau
Die Zeit
TAZ
Nachdenkseiten (Punkt 1 bis 3)

Woche des Grundeinkommens – Zeichnung des Aufrufs zurückgezogen

Auch dieses Jahr findet wieder die Woche des Grundeinkommens statt. Wie letztes Jahr sollen vielfältige und zahlreiche Aktionen auf den Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens aufmerksam machen. Hier geht es zum Aufruf, der mitgzeichnet werden kann.

Wir unterstützen zwar die Aktivitäten zur Woche des Grundeinkommens auch dieses Jahr wieder, haben jedoch unsere Unterzeichnung des Aufrufs zurückgezogen, nachdem ein jüngst vom „Runden Tisch“* beschlossener Aufruf an die Stelle desjenigen gesetzt wurde, der zuerst zur Zeichnung auf der Website der WdG stand. In einem Schreiben an das Netzwerk haben wir das begründet:

„…Wir bedauern sehr, dass er (der Aufruf) nun einen so stark deklarativen Charakter hat, statt zu Engagement aufzurufen. Gewichtiger als dies ist in unseren Augen die hervorgehobene Stellung von Armut, denn damit wird ein falsches Signal gesetzt. Zwar hilft das BGE auch dazu, Einkommensarmut zu beheben, doch ist das nur ein Aspekt unter anderen. Die Engführung auf Armut verstellt den Blick auf die breiteren Möglichkeiten, die zwar erwähnt, nicht aber benannt werden. Aus diesen Gründen ziehen wir unsere Unterschrift zum Aufruf auf der WdG-Seite zurück.

Neben der Engführung auf das Armutsthema findet sich eine weitere, ganz andere Form der Engführung in der Einladungspolitik des Netzwerks zum „Runden Tisch“. Uns ist zumindest nicht bekannt, dass zum diesjährigen Treffen damit ernst gemacht worden wäre, endlich einmal alle Aktiven und Interessierten einzuladen (die dann Vertreter hätten entsenden können), diejenigen also, die sich lokal, regional und national engagieren und so erst die WdG wie die BGE-Debatte möglich machen. Statt diesen naheliegenden Schritt zu tun, betreibt das Netzwerk Verbandspolitik.“

Warum eine solche Politik betrieben wird, darauf kann nur das Netzwerk eine Antwort geben.

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*Beim „Runden Tisch“ handelt es sich um einen Kreis von Eingeladenen, die sich unseres Wissens in 2009 das erste Mal trafen, um einen gemeinsamen Aufruf für die WdGs zu beschließen. Auch damals war nicht klar, wie die Einladungen zustandegekommen sind und weshalb lokale Initiativen nicht eingeladen waren.

Wer von der Gemeinschaft Geld bekommt…

…der muss demnächst „Bürgerarbeit“ leisten. Damit macht Bundesministerin von der Leyen ernst mit den Ankündigungen von Anfang dieses Jahres. Vielleicht ein später Erfolg des Soziologen Ulrich Beck, der Bürgerarbeit (siehe auch hier) einst ins Gespräch gebracht hat?

Über Reaktionen von Gewerkschaftsseite darf gestaunt werden. In einer Pressemitteilung des DGB heißt es: „Zudem kritisiert der DGB, dass die Bürgerarbeit nicht auf freiwilliger Teilnahme beruht, was in aller Regel Erfolg versprechender ist, sondern im Fall der Ablehnung scharf sanktioniert werden soll.“ – Bitte, lesen wir recht? Freiwillige Teilnahme? Das klingt beinahe so, als fordere der DGB bald ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dabei kritisiert er etwas, das für ALG-I- und ALG-II-Bezieher das Selbstverständlichste ist: unter der Androhung von Sanktionen leben zu müssen. Hat er das vergessen? Willkommen in der Gegenwart.

Laut Leipziger Internet Zeitung wird von Ver.di und einer Stadträtin der Linkspartei das Workfare-Prinzip kritisiert, dem die Bürgerarbeit folge. Ihre Maxime sei, dass es „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ gebe. Das aber gilt seit dem Bundessozialhilfegesetz 1961 und ist mit im Zuge der Agenda 2010 nur verschärft worden. Sozialhilfe war nie zum Ausruhen gedacht oder dazu herauszufinden, wie man leben will. Sie beinhaltete stets die Verpflichtung, wieder aus ihr hinauszugelangen.

Während Verdi nicht im Verdacht steht, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu befürworten, denn nur mit ihm gäbe es keine Erwerbsverpflichtung, so gibt es bei der Linkspartei zumindest ein paar Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Doch davon ist in der Zeitungsmeldung nicht die Rede. Stattdessen wird der Bürgerarbeit eine repressionsfreie Mindestsicherung gegenübergestellt. „Repressionsfrei“ – klingt liberal. Tatsächlich handelt es sich um eine Leistung, die dem Bedürftigkeitsprinzip folgen soll. Sie ist zwar als Individualanspruch konzipiert, dennoch wird die Leistung mit dem Haushaltseinkommen verrechnet. Damit bleibt vom Individualprinzip nichts übrig. Selbst wenn es anders wäre, dann bleibt dennoch die Erwerbsverpflichtung als normatives Ideal erhalten – also würde sich auch damit nicht grundsätzlich etwas ändern. Wo „repressionsfrei“ drauf steht, muss also nicht Repressionsfreiheit drin sein.

All dies wäre der Erwähnung nicht wert, denn es handelt es nicht um Neuigkeiten von der Arbeitsfront. Indes sind sechs Jahre Grundeinkommensdiskussion vergangen und bei den Parteien hat sich nichts getan. Oder werden etwa die Grünen sich nun als Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ‚outen‘? Da müssen wir keine Sorge haben, es gibt ja den Bundesvorstand.

Für die Befürworter eines bGEs kann das nur heißen: noch mehr öffentliche Veranstaltungen, Diskussionen, Filmvorführen, Info-Stände, Aktionen jeglicher Art organisieren, um auf das bGE aufmerksam zu machen. Es gilt, nicht zu verzagen, denn die Erfolge der Grundeinkommensdiskussion sind erheblich, das bGE hat seinen festen Platz in der öffentlichen Debatte, das war 2004 noch kaum vorstellbar. Das reicht aber nicht.

Sascha Liebermann

Krönungswelle goes Friedensfestival

Im letzten Jahr hat die Krönungswelle für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Dieses Jahr sollte ein Krönungsschiff auf Fahrt gehen, noch fehlt es aber an den nötigen finanziellen Mitteln. Einstweilen soll nun anlässlich des Friedensfestivals in Berlin u.a. gekrönt werden.

Aus der Ankündigung:

„Könungswelle goes Friedensfestival – kommt ihr mit? Wir treffen uns vom 6.-8. August 2010 in Berlin am Brandenburger Tor – und starten dort auch eine ganz besondere „Jungfernfahrt“ unseres Kulturschiffes… Expect the unexpected!Auf zu neuen Ufern – das Booklet zur Krönungstournee 2010 auf einem Schiff ist fertig. Das Projektteam freut sich auf aufgeschlossene Kooperationspartner – let’s rock the boat and get loud for basic income. Gemeinsam können wir mehr!“