„Arbeit für alle“ – ein Dossier der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das einen lehrt, wie nicht für ein BGE argumentiert werden sollte

Heute begann die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Dossier über „Arbeit für alle“, in dem es unter anderem darum geht, welche Auswirkungen die demographische Entwicklung auf den Arbeitsmarkt (siehe frühere Kommentare von mir dazu hier, hier und hier) haben könnte. Es geht darin natürlich auch um Vollbeschäftigung, die wieder als erreichbar gilt. Das Dossier, ganz abgesehen davon, wie gut die Artikel sein werden, lässt schon eines ahnen. Wie man nicht für ein Bedingungsloses Grundeinkommen argumentieren sollte, wenn es einem nicht so gleich wieder entgleiten soll.

„Europäische Bürgerinitiative“ – eine Einschätzung von Gerald Häfner

Seit Januar sammelt die Europäische Bürgerinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen Stimmen. Gerald Häfner, Abgeordneter im Europäischen Parlament für die Grünen und Streiter für „Mehr Demokratie“ äußert sich in diesem Video zur „Europäischen Bürgerinitiative“. Er hält sie für einen Fortschritt und weist zugleich auf Mängel hin. Siehe auch unseren jüngeren Kommentar.

Jobcenter-Arbeitsvermittlerin kritisiert Sanktionen nach dem Sozialgesetzbuch

Inge Hannemann war Arbeitsvermittlerin in einem Jobcenter in Hamburg und hat auf Missstände in der Arbeitsvermittlung aufmerksam gemacht. Das tat sie seit einiger Zeit über ihr Blog und auf Facebook, wo sie jetzt auch über die Vorgänge zur ihrer Freistellung als Mitarbeiterin informiert. Die Freistellung ist offenbar eine Reaktion auf ihre Aktivitäten. Hier verschiedene Artikel über ihr Engagement: Hamburger Abendblatt, Spiegel Druckausgabe.

„Wo ist das Geld der Deutschen hin?“ – eine EZB-Studie zu Vermögen in Europa

Diese Studie hat für viel Aufregung gesorgt und ist heftig kritisiert worden. Im Fokus der Kritik standen Datenerhebung und Schlussfolgerungen, die aus den Daten gezogen wurden. Ein Artikel in der FAZ versammelt die Einwände übersichtlich und lässt deutlich werden, worauf bei der Bewertung solcher Studien zu achten ist. Siehe auch kritische Anmerkungen zur Studie auf den Nachdenkseiten.

Was hier gilt, gilt insgesamt für Statistiken, die Modellrechnungen darstellen, deren Ergebnisse nur Wahrscheinlichkeiten sind, nicht aber kausale Zusammenhänge. Die Ergebnisse können in die eine wie in die andere Richtung gedeutet werden, was unter Zuhilfenahme voraussetzungsvoller Annahmen oder entsprechender Theorien geschieht. Darauf hat aus aktuellem Anlass auch Paul Krugman hingewiesen.

Weshalb spricht das für Mindestlohn, aber gegen Grundeinkommen?

In einem Interview mit dem Titel  „Wir sparen uns zu Tode!“ in der Nachrichtensendung „heute“ hat sich Heiner Flassbeck über die positiven Effekte eines Mindestlohns geäußert. Die Ausführungen sind interessant und irritierend, denn was er hier über Mindestlöhne sagte, könnte er auch über das Bedingungslose Grundeinkommen sagen. Hier die entsprechende Passage:

„…heute.de: In Deutschland gibt es viele „Aufstocker“. Diese haben die Mindestlöhne oder noch weniger. Finden diese Jobs auf dem Rücken der Gesellschaft statt, weil diese Gesellschaft ja die Aufstockungsleistungen bezahlen muss?
Flassbeck: Natürlich, die Gesellschaft muss zahlen. Sie bezahlt erstens zunächst zu wenig für die Produkte, Dienstleistungen, die von den Menschen hergestellt werden. Und da brauchen wir eine ganz andere Vorgehensweise. Es müssen Löhne bezahlt werden, die das Überleben von der eigenen Arbeit sichern. Und wir müssen zweitens Löhne haben, die der allgemeinen Produktivitätsentwicklung entsprechen. Wenn wir das haben, gibt es auch eine gerechte Verteilung der Lasten. Das heißt, dass man beim Friseur vielleicht mehr bezahlen muss, und das wäre auch völlig in Ordnung. Und es wird auch andere Produkte geben, denn die Leute, die mehr bekommen, werden auch wieder andere Dinge nachfragen…“

Es geht hier vor allem um den Zusammenhang von verfügbarem Einkommen und Konsummöglichkeiten. Was Flassbeck hier sagt, ließe sich mühelos auf das Bedingungslose Grundeinkommen und seine Auswirkungen übertragen, ja, wäre da nicht seine und seiner Mitautoren Vorstellungen (oder Vorurteil), Leistungsbereitschaft hänge von dauerndem Druck bzw. Arbeits-Anreizen ab (siehe hier und hier).

Sascha Liebermann

Weitere wirtschaftswissenschaftliche Studie zum Grundeinkommen

„Das garantierte Grundeinkommen: Eine (leider) nicht bezahlbare Idee“ (aktualisierte Datei des ursprünglich veröffentlichten Beitrags) ist ein Diskussionspapier von Florian Habermacher und Gebhard Kirchgässner, letzterer ein renommierter Wirtschaftswissenschaftler an der Universität St. Gallen. Lesenswert ist diese Studie, um zu verstehen, welche Modelle und Annahmen in Anspruch genommen werden, um das Bedingungslose Grundeinkommen (die Autoren sprechen vom Garantierten Grundeinkommen) in seinen Auswirkungen abzuschätzen. Dazu haben wir uns immer wieder einmal geäußert (siehe z.B. Mikrosimulationen, „Wer hat was vom Grundeinkommen“, „Bürgergeld und Grundeinkommen – Geniestreich oder Wahnsinn?“). „Anreize“, vor allem „Arbeitsanreize“ spielen auch hier wieder eine herausragende Rolle. Das Diskussionspapier will eine Analyse vorlegen, ist jedoch nicht frei von Werturteilen, die sich in diesem Fall u.a. hinter Suggestivfragen verbergen, z.B. hier: „Weshalb aber sollen diejenigen, die in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren, den Luxus, nicht arbeiten zu müssen, sondern sich der Musse hingeben zu können, von jenen finanziert bekommen, die Erwerbsarbeit leisten? Letztere werden sich von ihnen ausgebeutet fühlen. Und weshalb sollten sie jene unterstützen müssen, die gar nicht bedürftig sind, wie z.B. die Partner(innen) gut verdienender Alleineinkommensbezieher oder jene, die von (hohen) Kapitaleinkommen leben?“ (S. 10 f.; diesen Hinweis verdanke ich Thomas Loer). Mögliche Veränderungen für das Gemeinwesen als Solidarverband von Bürgern, für Familien, für Beruf und Berufung, Freiwilligentätigkeit, Produktivität und Effizienz von Arbeitsgängen, Motivation werden nicht ernsthaft erwogen. Auch wenn nicht prognostizierbar ist, was tatsächlich passieren würde, wenn ein BGE eingeführt wäre – obwohl die wirtschaftswissenschaftlichen Modelle genau so auftreten, als könnten sie etwas dazu sagen – lassen sich zumindest Vermutungen anstellen auf der Basis von Untersuchungen der Vergangenheit. Hier operieren die Autoren mit spezifischen Annahmen, deren empirischer Nachweis strittig ist. Wichtig wäre es, Auswirkungen der normativen Vorrangstellung von Erwerbstätigkeit zu analysieren (z.B. die Abwertung von Familie). Wir bemühen uns, bald einen längeren Kommentar bereit zu stellen.

Sascha Liebermann

„Europäische Bürgerinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen“

Die Europäische Bürgerinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen hat nun eine eigene Website.

Aus dem Text auf der Startseite:

„Am 14. Januar 2013 hat die Europäische Kommission unsere Europäische Bürgerinitiative zugelassen und damit eine Unterschriftenkampagne in Gang gesetzt, die für die Dauer eines Jahres die EU-Mitgliedsländer beschäftigen wird.
Die Herausforderung besteht darin, bis zum 14. Januar 2014 500 Millionen Bürger in der Europäischen Union zu erreichen und 1 Million Unterstützungsbekundungen zu sammeln. 15 Mitgliedsländer haben sich der Initiative bereits angeschlossen. In 7 Ländern muss eine bestimmte Mindestanzahl von Unterstützungsbekundungen zusammen kommen.
Wenn wir 1 Million Unterstützungsbekundungen erreichen, ist die Europäische Kommission gehalten, unsere Initiative sorgfältig zu prüfen und eine Anhörung im Europäischen Parlament zu ermöglichen. Die Antwort der Kommission ist ausführlich zu begründen…“

Philippe van Parijs beglückwünscht die Initianten zu ihrem Erfolg, verweist aber zugleich auf den bescheidenen Antragstext. Was eine EBI erreichen kann und was nicht, dazu mehr hier. Zu einem früheren Kommentar von uns, siehe hier. Wie wenig verbindlich eine solche Initiative für die Europäische Kommission ist, das wird deutlich, wenn man sie mit der Volksinitiative in der Schweiz vergleicht.