„Ein Grundeinkommen erhöht die Eigenverantwortung…“

Das Geld und die Eigenverantwortung…

…damit trifft BGE Eisenach einen entscheidenden Punkt in der Debatte, die Vermischung zweier nicht zusammengehöriger Dimensionen. Weder führt Geld, also Einkommen, unmittelbar dazu, „Eigenverantwortung“ zu entwickeln, noch schwächt oder untergräbt es dieselbe. „Eigenverantwortung“, besser: Autonomie, ist eine grundlegende Haltung, die im Zuge der Sozialisation ausgebildet und durch ihre vergemeinschaftende Geltung als Norm bestärkt wird. Einkommen erzielen zu müssen, um ein Auskommen zu haben, führt nicht dazu, diese Haltung herauszubilden. Vielmehr ist es erst möglich, sich am Gebot der Einkommenserzielung zu orientieren, wenn Autonomie als Haltung sich herausgebildet hat und als eine vergemeinschaftende Geltung sie bestärkt und herausfordert.

Dieselbe Verkürzung findet sich in der Rede von „Anreizen“, die in diesem Zusammenhang häufig bemüht wird.

Sascha Liebermann

Erwerbsobliegenheit? Die FDP scheint sie zu kennen,…

…das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht (siehe hier). Was folgt daraus? Keine Erwerbsverpflichtung und keine Nachrangigkeit des Sozialstaats, sondern eine Vorrangigkeit der Stärkung von Autonomie durch Absicherung einer Einkommensbasis im Geiste der Demokratie. Denn Selbstbestimmung kann nicht zur Disposition stehen in einer Gemeinschaft von Bürgern, ohne sich selbst das Wasser abzugraben.

Sascha Liebermann

Engagement für ein „Herzensprojekt“…

…und Wohlbefinden hängen gewiss miteinander zusammen. Wenn die Chance durch ein BGE steigt, sich für das zu engagieren, was einem wichtig ist und was man für richtig hält, hätte das sicher erhebliche Auswirkungen auf die Zufriedenheit. Hätte das nicht auch wiederum Auswirkungen auf die Zufriedenheit im Allgemeinen, wenn allen das möglich ist? Wäre das nicht wiederum eine Form der Gesundheitsvorsorge, ohne ein Vorsorgeprogramm zu durchlaufen, Innovationsförderung ohne ein Förderstipendium oder eine zweckgebundene Förderzusage zu erhalten? Würde es nicht also möglich machen, was heute über „Anreize“ erreicht werden soll? Allerdings geschähe das auf ganz anderem Wege, indem die Einzelnen mit ihren Anliegen ernstgenommen würden, sie die Möglichkeit erhielten, in Absehung von Einkommenschancen zuerst einmal ihr Anliegen zu verfolgen.

Sascha Liebermann

„Menschen […] aus der ‚Hilfsbedürftigkeit‘ holen“,…

…treffend aufgespießt, denn „heraus“ kann man jemanden nur holen, wenn man unterstellt, er könne nicht selbst hinausgehen. Das könnte er aber bzw. geriete er gar nicht hinein, wenn seine Existenz abgesichert wäre, ganz gleich, welche Lebensziele er verfolgte. Das „Bürgergeld“ hält an den alten Zielen fest, der Reintegration in den Arbeitsmarkt und misst alle Erfolge daran. Wer andere Ziele dem gleichstellen will, benötigt eine dauerhafte Absicherung, sonst bleibt das paternalistisches Gerede.

Sascha Liebermann

„…warum so viele junge Menschen FDP gewählt haben…“ – nachgefragt von Bent Freiwald…

…mit interessanten Eindrücken. Ohne zu wissen, wie die Antworten in voller Länge aussehen und wie die Gespräche geführt wurden, zeigen die Ausschnitte, welch starkes Gewicht „Eigenverantwortung“ darin zu haben scheint. Das lässt sich in zwei Richtungen auslegen:

1) Die Befragten haben ein starkes Autonomieverständnis und sehen sich zuerst als mündige Personen. Das würde mit dem starken Autonomieverständnis der Demokratie übereinstimmen, die stets eine Verantwortungszumutung mit sich bringt. Hier könnten die Auskünfte darauf hindeuten, dass das Bewusstsein über die Grundlagen der Demokratie deutlicher ausgeprägt ist als früher. Von dort aus ließe sich manche Kritik an Bevormundung verstehen, die zutreffend wäre.

2) Das Autonomieverständnis wird nicht umfassend im Sinne der Demokratie gedeutet, sondern bezogen auf Interessenwahrnehmung bezüglich Ausbildung und Arbeitsmarktteilnahme sowie Eigentum.

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„The battle over the future of work is about autonomy“…

…, aber „autonomy“ muss weiter verstanden werden als nur bezogen auf Arbeitsbedingungen, darauf bezieht sich Natalie Bennett, mit Verweis auf einen Artikel in der Financial Times. Denn Autonomie im weiten Sinne ist für die Gattung Mensch spezifische, es ist die Notwendigkeit, handeln zu müssen und sich angesichts von Handlungsmöglichkeiten zu entscheiden, welche Möglichkeit in Frage kommt. Diese Entscheidungen vollziehen sich immer unter konkreten Umständen, in einem konkreten Gefüge von Regeln und Normen (Gerechtigkeitsentwurf). Autonomie in Erwerbsarbeit ist nur ein Aspekt davon, umfassender ist die Autonomie, die in einem Gemeinwesen auch durch Rechte abgesichert, gleichwohl aber nicht erzwungen werden kann, ohne sie selbst zu zerstören.

Sascha Liebermann

„Warum stoßen denn die BGE-Idee[n] auf Interesse?“ – eine berechtigte Frage…

…und es ist zu kurz gegriffen, sie mit der schlechten Arbeitsmarktpolitik der letzten zwanzig Jahre zu erklären. Es geht in der BGE-Diskussion entscheidend darum, sich von der Erwerbsfixierung abzuwenden und all die Folgen, die die Fixierung mit sich bringt, nicht mehr haben zu wollen: die Degradierung und Entwertung „unbezahlter Arbeit“, die Vorherrschaft von „employability“, die Verhöhnung von Arbeitslosengeldbeziehern zu Kunden (als hätten sie eine Wahl) usw. Der erwerbszentrierte Sozialstaat unterläuft Autonomie und Vielfalt der Lebensentwürfe – so erklärt sich das Interesse am BGE, das diesbezüglich Freiräume eröffnet und Umwertungen vollzieht.

Sascha Liebermann

„Der Mensch kann nicht irgendein Leben führen, sondern nur sein eigenes“ – Entwicklungsforscher Remo Largo ist verstorben…

…darüber berichteten verschiedene Tageszeitungen, ein differenzierter Nachruf findet sich in der Neuen Zürcher Zeitung hier, eine persönlichere Würdigung von Linard Bardill findet sich im tagblatt. Das letzte oder eines der letzten Interviews ist in der Basler Zeitung veröffentlicht worden, siehe hier. Verschiedene Vorträge Largos wurden aufgezeichnet (siehe hier), ein im vergangenen Juni ausgestrahlter Beitrag der teleakademie des SWR über „Normale Entwicklungskrisen bei Kindern“ findet sich hier.

Weshalb soll hier ein kurzer Blick auf Largos Forschung und seine Thesen geworfen (unsere Beiträge dazu hier) werden, wo wir doch sonst nur Beiträge publizieren, die im weitesten Sinne mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen zusammenhängen?

Der Grund dafür ist schnell benannt: Largo hat sich, als Entwicklungsforscher und Arzt, mit Fragen beschäftigt, die ins Zentrum eines Bedingungslosen Grundeinkommens führen, weil sie sich mit den Entwicklungsprozessen vom Säugling bis zum Erwachsenen (Ontogenese) befassen. Sie sind das Fundament für alle späteren Fähigkeiten, das Verhältnis zu Individualität und Gemeinschaft, gelebte Autonomie, Leistungsbereitschaft usw.

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