„Es gibt kein Recht auf Arbeit, Frau Nahles“ – oder wie Leistung in Sozialfürsorge verwandelt wird

Darüber hätte Thomas Straubhaar in Die Welt schreiben können, betrachtete aber nur eine Seite dieser Diskussion, und zwar wie wahrscheinlich es denn ist, dass zukünftig ausreichend Arbeitsplätze vorhanden sein werden:

„Wie will die Parteivorsitzende der SPD ein Recht auf Arbeit garantieren, in einem Zeitalter, in dem gerade mit rasender Geschwindigkeit künstliche Intelligenz und immer klügere Automaten dem Menschen die Arbeit abnehmen? Soll der Staat in Verwaltung und Bürokratie noch mehr Personen beschäftigen? Oder sollen Firmen per Gesetz gezwungen werden, mehr Personal einzustellen? Beides würde komplett in die Irre führen und neuen technologischen Entwicklungen diametral entgegenlaufen.“

Straubhaar hält es angesichts der Entwicklung künstlicher Intelligenz und damit einhergehender Automatisierungsmöglichkeiten für unrealistisch, dass ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen werden. Mag sein, kann sein, dass es so kommen wird. Aber, wäre das das entscheidende Argument für ein BGE? Wer solche Aussagen trifft, begibt sich unweigerlich in den Bereich des Prophetischen und schwächt den Vorschlag eines BGE, beraubt ihn seiner Bedeutung. Sicher, ein BGE würde eine Antwort auf technologische Arbeitslosigkeit bieten, eine weitreichende, es ist aber von ihrer Entstehung gar nicht abhängig, benötigt sie nicht, um als weitreichende Antwort verstanden werden zu können. Es macht schlicht eines, verschafft ein Einkommensfundament für alle Bürger, weil sie Bürger sind. Auf dieser Basis lässt sich die Frage anders beantworten, wie der Einzelne beitragen will, wo er dafür den richtigen Ort sieht, was ihm wichtig erscheint. Das ist alles, das ist viel, das ist Demokratie.

Sascha Liebermann

Wer ist auf dem Irrweg – Henning Vöpel oder ein Bedingungsloses Grundeinkommen?

Diese Frage stellt sich angesichts eines Beitrags von Henning Vöpel für Die Welt.

Es handele sich bei der Diskussion um ein BGE um eine Scheindiskussion, es sei gerade nicht, was es vorgebe zu sein, eine Lösung. Mit diesem Auftakt kann man gespannt sein, was Vöpel zu sagen hat, die Stoßrichtung ist mehr als klar. Vöpel schreibt:

„Die Eignung des bedingungslosen Grundeinkommens als sozial- und arbeitsmarktpolitisches Instrument lässt sich sinnvoll nur anhand möglicher Ziele diskutieren, die damit erreicht werden sollen. Im Wesentlichen sind das erstens eine bessere soziale Sicherung gegen (technologisch verursachte plötzliche und vorübergehende) Arbeitslosigkeit und zweitens eine humanere und effizientere Einbindung von Menschen gemäß ihrer Fähigkeiten und Motivation am Arbeitsmarkt.“

Wer ist auf dem Irrweg – Henning Vöpel oder ein Bedingungsloses Grundeinkommen? weiterlesen

„Unbezahlte Arbeit“ und ihr Wert…

…darüber schrieb Gabriele Voßkühler in einem Beitrag (hier), der dann leicht überarbeitet noch einmal wenige Tage später Anfang Januar (hier) auf Welt online erschienen ist. Obwohl mit Gabriele Winker und Antje Schrupp zwei Befürworterinnen des Bedingungslosen Grundeinkommens zitiert werden, bleibt der Vorschlag selbst unerwähnt.

Eine ausführliche Betrachtung aus Sicht der Statistik finden Sie hier, Kommentare von mir hier und hier.

Clemens Fuest (Ifo-Institut) über den „wirklichen Menschen“…

…im Unterschied zum „Menschenbild“ der Grundeinkommensbefürworter, das zwar sympathisch, aber unrealistisch sei, so Clemens Fuest („Das Menschenbild ist sympathisch, es hat nur wenig mit dem wirklichen Menschen zu tun.“ zitiert nach Die Welt). Mit dieser Haltung werden Grundeinkommensbefürworter wie Schuljungen, die vor sich hinträumen, abgewatscht.

Die Sicherheit, mit der Fuest den „wirklichen Menschen“ zu kennen meint, kann man für erstaunlich oder überheblich halten. Man wüsste gerne, worauf er sich dabei beruft, wenn er das Menschenbild der Grundeinkommensbefürworter abtut, ihre Vorstellung letztlich zum Wolkenkuckucksheim erklärt. Fuest hat schon früher deutlich gemacht, wie er die Welt sieht, so wird er im Spiegel (20/ 2016, S. 81) zitiert:

„Aber die Erfahrung zeigt doch, dass die Jobs, die keiner gern macht, nur dann erledigt werden, wenn auf den Leuten ein gewisser Erwerbsdruck lastet.“

Ist es illegitim, bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben zu wollen? Soll es unmöglich sein, sich bestimmten Tätigkeiten zu verweigern, die mit den eigenen Neigungen und Interessen nicht in Übereinstimmung sind? In einer Demokratie jedenfalls, die nicht vorschreibt, was jemand mit seinem Leben anzufangen hat, ist diese Haltung vollkommen legitim. Deswegen schützt das Grundgesetz (GG Art 12) die freie Berufswahl. Wenn Fuest dagegen Druck für das angemessene Mittel hält, dann hält er von der freien Berufswahl nichts. Er zeigt, wes Geistes Kind er ist. Und wer sagt, dass diese Tätigkeiten denn nicht „gern“ gemacht werden? Es könnte genauso gut an den Arbeitsbedingungen liegen, dass für manche Aufgaben niemand bereit ist, sich zu engagieren. Zumindest diese Differenzierung könnte man von einem Wissenschaftler erwarten. Es ist aber viel einfacher, die „Leute“ dafür verantwortlich zu machen als die Unternehmen oder ganz einfach die Bedingungen, unter denen man heute in die Arbeitswelt einzutreten hat.

Im selben Spiegelartikel, kurz auf das erste Zitat folgend, geht es so weiter:

„Es [das BGE, SL] wird vor allem von Menschen propagiert, die die Erfahrung gemacht haben, dass sie besser und kreativer arbeiten, je freier sie sind. Aber das trifft auf die Mehrheit der Arbeit nicht zu. Die muss einfach gemacht werden.“

Und weil dies so sei, wie Herr Fuest sagt, sollen Menschen nicht die Freiheit haben, sie abzulehnen? Werden dadurch die einen nicht zu Skalvenhaltern oder Erziehern der anderen? Von wem „muss die [Arbeit] einfach gemacht werden? Von Fuest offenbar nicht, er benötigt den Druck nicht – würde ich annehmen. Für sich würde er die Freiheit der Wahl wahrscheinlich in Anspruch nehmen, für die „Leute“ sie aber nicht gelten lassen.

Das Menschenbild, das er für sympathisch, aber unrealistisch hält ist jedoch das Menschenbild der Demokratie. Will er sie denn dann abschaffen, weil der Mensch, der reale, der Demokratie nicht entspricht, die sich auf Mündigkeit und Souveränität der Bürger gründet? Wer ist hier nun unrealistisch, Fuest oder die gegenwärtige politische Ordnung? Es ließe sich manche Forschung anführen, die gezeigt hat, dass es zu den Selbstverständlichkeiten heutiger Lebensführung gehört, sich in das Gemeinwesen einzubringen, aber nach eigenen Fähigkeiten und Neigungen. Das ist also ein vollständig realistisches Menschenbild. Um das zu sehen müssten Theoreme aufgegeben werden, deren Geltung zwar behauptet, aber nicht empirisch überprüft wird, wie z. B. das der „Armutsfalle“. Dieses Theorem behauptet schlicht, dass der Mensch eines Lohnanreizes bedarf, um den Bezug von Sozialleistungen aufzugeben. Die Forschung z. B. von Georg Vobruba und Kollegen hat schon vor vielen Jahren gezeigt, dass diese Annahme empirisch nicht gedeckt ist. Weitere Ergebnisse aus der rekonstruktiven Sozialforschung könnten ebenso hinzugezogen werden. Aber wen interessiert das, wenn man weiter Vorurteile pflegen kann?!

Sascha Liebermann