„Studie zur Familienpolitik: So plump rechnet Unicef“…

…darüber schreibt Christoph Schäfer auf faz.net (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Er befasst sich mit einer vielzitierten Studie, deren Ergebnisse jüngst in den Medien kursierten, ohne dass die Studie selbst zugänglich wäre. Schäfer spießt die Kriterien auf, nach denen eine Länderrangfolge in Familienfreundlichkeit erstellt wurde, weist auf fragwürdige Vergleiche hin und gibt an einer Stelle zu bedenken, dass Familienfreundlichkeit doch am ehesten dort herrsche, wo Eltern entscheiden können, wie sie mit der Aufgabe Elternschaft umgehen wollen. Doch, wo gibt es eine Familienpolitik, die nicht normativ lenken will? In Deutschland zumindest nicht, wenn man an das Elterngeld denkt und die immer weitere Ausdehnung von Betreuungszeiten in Kitas sowie der Absenkung des Zutrittsalters. All das segelt unter der Fahne der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Altersarmut von Frauen soll durch ausgiebigere Erwerbsteilnahme vorgebeugt werden. Wo bleibt da „Zeit für Familie“, die einst der Achte Familienbericht im Titel hatte, dann aber vorschlägt, die Ganztagsbetreuung flächendeckend auszubauen, also: keine Zeit für Familie.

Sascha Liebermann

Forum Bedingungsloses Grundeinkommen – Dokumentation online

Im September 2015 lud Sascha Liebermann zu einem „Forum Bedingungsloses Grundeinkommen“ an die Alanus Hochschule in Alfter ein. Die Veranstaltung diente dazu, der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein Forum zu bieten, auch um das Augenmerk auf Fragen zu richten, die in der Grundeinkommensdiskussion nur eine geringe Rolle spielen. PD Dr. Alexander Spermann sprach über das BGE im Zusammenhang mit etwaigen Folgen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt; PD Dr. Johannes Twardella befasste sich mit der Frage, was die Unterrichtsforschung (Schule) dazu beitragen kann, etwaige Auswirkungen eines BGE zu beleuchten; Sascha Liebermann und Hendrik Muijsson untersuchten Deutungsmuster zu Familie in den sozialpolitischen Diskussionen des vergangenen Jahrzehnts sowie die normativen Implikationen des „Elterngeldes“ und kontrastierten dazu, wofür ein BGE stehen könnte. Die Dokumentation ist hier verfügbar.

„Hilfe, wohin mit unserem Kind?“

Zur Website der Sendung

Die gesamte Sendung, wie auch schon frühere zu diesem Thema, wirft wieder die Frage auf, wie wir zu Familie stehen. Alle drei porträtierten Familien stehen nicht vor der Möglichkeit, dass beide Eltern für eine Weile – oder sogar, wie mit einem BGE möglich wäre, nach ihrem Dafürhalten – für ihre Kinder zuhause sein können. Wie das konkret aussehen würde, wenn es möglich wäre. müssten die jeweiligen Eltern für sich entscheiden. Heute jedoch, solange Erwerbstätigkeit ein solch große Bedeutung hat, betreiben wir eine Degradierung von Familie. In zwei Familien in dieser Dokumentation sind die Väter werktags die ganze Woche beinahe vollständig abwesend, die Anstrengungen und Entbehrungen, die das für die Mütter mit sich bringt, werden – womöglich entgegen der Absicht der Regisseurin (siehe Website der Sendung) – deutlich. Insofern ist es bezeichnend, dass der Mangel an Kitaplätzen beklagt wird, nicht aber Familienpolitik, die es bislang in keiner Weise vorsieht, dass Eltern sich ausreichend Zeit nehmen können sollen. Ein BGE würde hier ganz andere Möglichkeiten schaffen, ohne eine bestimmte Entscheidung besonders wertzuschätzen.

Sascha Liebermann

„Die Familienförderung ist nicht zu üppig“ – ein Inteview mit Jürgen Borchert

In diesem Interview, das schon Anfang des Jahres veröffentlicht wurde (siehe auch hier), rückt Jürgen Borchert, vorsitzender Richter am hessischen Landessozialgericht, manches gerade, was die öffentliche Diskussion um Familienförderung anbetrifft. In einem älteren Interview äußerte er sich z.B. so: „Die Kindererziehung ist für die Sozialsysteme, die zwischen den Generationen verteilen, ein Beitrag, der nicht geringer einzuschätzen ist als der Geldbeitrag.“ Siehe auch den Artikel von Anne Lenze „In schlechter Verfassung“. Auch wenn das Bedingungslose Grundeinkommen gar nicht zur Sprache kommt, Borchert ist sogar vehement dagegen, eröffnen die Beiträge dennoch den Blick auf mögliche Auswirkungen, die es mit sich bringen könnte – gerade im Sinne einer Familienförderung.

Das Elterngeld und seine Versprechungen – ein Segen dagegen wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen

Ein aktueller Beitrag mit dem Titel „Der Preis des Elterngeldes“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. August 2008 weist auf praktische Schwierigkeiten hin, die den Versprechungen, die einst gemacht wurden, entgegenstehen.

Ziel des Elterngeldes ist es, wie wir der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, entnehmen können: „Die Entscheidung für Familie und für Kinder und für ihre Betreuung ist immer individuell und privat. Der Staat kann und will jungen Eltern nichts vorschreiben.“

Genau dies aber macht das Elterngeld indirekt, in dem es ein Ideal errichtet: Eltern, die berufstätig waren, werden anders behandelt als solche, die es nicht waren.

Das Hin und Her in der Diskussion, die Bedingungen, an die wiederum die Gewährung von Leistungen wie das Elterngeld gebunden sind, haben eine Möglichkeit ganz verschüttet. Wenn die Eltern sich entscheiden können sollen, wie sie sich zur Elternschaft stellen, ob sie Beruf und Familie vereinbaren wollen oder nicht, dann sollten wir ihnen doch viel mehr Möglichkeiten zur Entscheidung geben. Nur das Kindergeld gewähren wir bislang, ohne es ins Verhältnis zur Erwerbsarbeit zu setzen. Beim Elterngeld sieht dies schon anders aus, wir schaffen zwei Klassen von Eltern, ehemals Erwerbstätige und andere. Damit signalisieren wir, dass erwerbstätige Eltern einen größeren Wert für uns haben als andere. Wir haben mit dem Elterngeld nun zwei Klassen von Eltern, besser und schlechter verdienende, und damit Kinder, die in besser und schlechter gestellten Familien aufwachsen.

Wie viel einfacher und weitreichender könnte unsere Familienpolitik sein, wenn wir diese Verbindung aufgäben. Ein bedingungsloses Grundeinkommen von der Wiege bis zur Bahre für jeden Staatsbürger, Eltern wie Kinder gleichermaßen, erlaubte eine andere Politik. Eine Familie mit zwei Kindern erhielte, unabhängig von Erwerbsleistung, vier Grundeinkommen. In ausreichender Höhe könnten Eltern damit wirklich frei entscheiden, ob sie für ihre Kinder zuhause bleiben oder das Grundeinkommen nutzen wollen, um vielleicht auch aus eigener Initiative, Betreuungsplätze zu organisieren und zu bezahlen, wo öffentliche fehlen. Mit dem Grundeinkommen wären sie dazu imstande. Die Familienpolitik würde näher an die Familie heranrücken, Entscheidungen wirklich in ihre Hände legen.

Nun könnte eingewandt werden, dieser Vorschlag sei weit weg, gar utopisch. In der Tat, denn noch haben wir ein bGE nicht. Doch, wie die öffentliche Diskussion zeigt, in der die Stimmen lauter geworden sind, die eine Diskussion darüber wünschen, könnte die Utopie bald gegenwärtig sein.

Mögliche erste Schritte könnten sein: Bloße Feststellung des Bedarfs für ALG II, aber keine weiteren Kontroll- und Zwangsmaßnahmen; Abschaffung der Anrechnung von Zuverdiensten auf ALG II; Erhöhung des Kindergeldes auf eine Höhe, dass Eltern mit ihm auch in der Lage wären, Betreuungsplätze zu finanzieren; Erhöhung der ALG II-Regelsätze. Weitere ließen sich nennen, doch bei all den Überlegungen zum Einstieg bleibt es entscheidend, wo diese Schritte denn hinführen sollen. Sie können also nur ein Einstieg sein, mehr nicht. (Vgl. auch die Diskussion um die Vorschläge von Götz W. Werner sowie seinen jüngsten Beitrag in der Frankfurter Rundschau zum Grundeinkommen für Kinder)

Die Erwerbsarbeit würde Schritt um Schritt vom Podest geholt, auf das wir sie heute stellen, Eltern wie Kinder wären als Eltern und Kinder gleichgestellt. Wir brächen zu anderen Ufern auf, an denen das bedingungslose Grundeinkommen schon auf uns wartet. Wir müssen nur wollen.

Sascha Liebermann