Déjà vu – Finanzkrise, Corona und was nicht alles möglich ist, wenn der Wille dazu besteht

Nicht allzu lange ist es her, nach Beginn der Finanzkrise 2008, da stellten sich ganz ähnliche Fragen wie heute bezüglich der Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen, auf Arbeitsplätze, auf Einkommenssicherung usw. Angesichts der rasanten Entwicklung der Infektionen mit dem Virus SARS-Cov-2 und drastischer Maßnahmen, um seine Verbreitung zu verlangsamen, lässt sich darüber staunen, was alles möglich ist, wenn der Wille dazu besteht. Sogar Grenzschließungen, noch in 2015 von manchen für unmöglich erklärt, werden als probates Mittel genutzt.

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Selbstentmündigung oder Gestaltung von Alternativen?

Diesen Unterschied führt eine informative Dokumentation über die Finanzkrise im Rahmen der ZDF-Sendung Zoom (bei Youtube anschauen) vor Augen. Sie gibt Einblick in die Leichtgläubigkeit mancher politischer Amtsinhaber bzw. Mandatsträger, die willfährig politische Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben haben, statt sie in der Hand zu behalten. Die viel beklagte vermeintliche Abhängigkeit von „der Wirtschaft“, „den Banken“ oder „den Unternehmen“ ist selbstverschuldet, durch Entscheidungen herbeigeführt, weil die Interessen einer Seite mit den Interessen aller gleichgesetzt wurde. Damit verhält es sich ganz wie mit der Rede von „Sachzwängen“, die noch immer ein Grund waren zu behaupten, dass es keine Alternativen gäbe. Es geht ja nicht um Wolkenkuckucksheime, die herbeigewünscht werden, sondern nur darum, dass es immer Alternativen gibt, die Frage ist nur, ob sie in Frage kommen und gewünscht sind.

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„Das schlafende Gespenst der Inflation“

In einem Beitrag in der Financial Times Deutschland befasst sich Thomas Straubhaar mit der Frage, ob unbegrenzte Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank eine Inflationsgefahr bergen. Dieser Zusammenhang wird oft behauptet, ist aber ebenso häufig schon als nicht notwendig dargestellt worden. Da in der Grundeinkommensdiskussionen ebenfalls die Frage häufig gestellt wird, ob ein Bedingungsloses Grundeinkommen Inflation fördere, sei hier auf den Artikel verwiesen. Siehe auch ein Interview mit Paul Krugman und einen entsprechenden Kommentar im Handelsblatt sowie den Beitrag von Ulrike Herrmann in der taz.

Referendum in Griechenland, Finanzkrise und bedingungsloses Grundeinkommen

Die Griechische Regierung will per Referendum zu einer Entscheidung über die Pläne der EU gelangen. Dieses Vorhaben hat für Aufruhr gesorgt. Ökonomen äußern sich drastisch, wie z.B. Michael Hüther, zitiert nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Alles in allem scheint es wie ein politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tode.“ Sagt das nun mehr über ihn oder über die Lage in Griechenland?

Offensichtlich fällt es diesen Experten schwer, die Stellung des Volkes als Souverän in einem demokratischen Gemeinwesen zu begreifen. Sie haben ein technokratisches Verhältnis zur Demokratie. Die richtigen Lösungen halten sie bereit, das Volk soll sie abnicken, da es selbst nicht mündig ist, um über seine Zukunft zu befinden. Nicht Experten allein haben ein hochmütiges Verhältnis zum Volk, muss man hier hinzufügen, das Volk selbst hat ein solches zu sich, wie Diskussionsveranstaltungen zum Grundeinkommen einem eindrücklich zur Erfahrung bringen. Dabei steht dieser Hochmut im Widerspruch zu den alltäglichen Lebensvollzügen, die einem etwas ganz anderes vor Augen führen. Dass die Bürger sehr wohl ihr Leben in die eigenen Hände nehmen, aber nach ihrem Dafürhalten und nicht nach dem der anderen, bezeugt die eigene Erfahrung.

Wir könnten zugespitzt sagen, ein Großteil der gegenwärtigen Probleme entspringen dem Misstrauen untereinander. Ein Referendum in der Lage, in der Griechenland sich befindet und die es mitzuverantworten hat, kann Klarheit bringen. Stimmen die Bürger für die EU-Pläne, dann haben diese Pläne großen Rückhalt und können nicht mehr einfach als EU-Diktat abgetan werden. Die Griechen müssen sie dann tragen. Lehnen sie diese Pläne ab, müssen sie die Konsequenzen ebenso tragen und andere Lösungen vorschlagen. Vielleicht führt gerade ein solches Referendum dazu, dass wir in der EU erkennen, woran es mangelt: am Vertrauen in die Bürger, vor ihnen haben sich politische Entscheidungen zu rechtfertigen, sie müssen sie aushalten und tragen – nicht Investoren und Händler.

Es gibt aber andere Stimmen zum Referendumsvorhaben:
„Demokratie ist Ramsch“ (Frank Schirrmacher, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Referendum in Griechenland“ (Wolfgang Lieb, Nachdenkseiten). An diesem Beitrag ist erstaunlich, wie positiv sich der Autor zum Referendum äußert. In der Vergangenheit war das anders (siehe unseren früheren Hinweis).

Siehe unseren früheren Beitrag zum Thema Volksentscheid und direkte Demokratie hier.

Wie anders die Lage wäre, wenn es schon ein Grundeinkommen gegeben hätte? Wäre es zur Finanzkrise überhaupt gekommen? Es spricht manches dafür, dass unsere Lage ganz anders aussähe.

Sascha Liebermann

Nachtrag: Nun soll doch kein Referendum in Griechenland durchgeführt werden. Verfolgt man die Meldungen z.B. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und bei Spiegel Online, dann ging es für Papandreou darum, mit einem möglichen Referendum Druck auf die größte Oppositionspartei auszuüben. Ob dieses Taktieren dazu förderlich ist, die Gefolgschaft des Volkes für die EU-Pläne zu gewinnen, kann bezweifelt werden. Womöglich richtet es mehr Schaden an, lässt das Misstrauen eher noch wachsen.

Orientierungslosigkeit in der Finanzmarktkrise?!

Staunen kann man gegenwärtig angesichts politischer Entscheidungen zur Stützung von Unternehmen. Jüngst hat die Teilverstaatlichung der Commerzbank für Aufruhr gesorgt, weil der Bund einen übermäßig hohen Preis für viel zu wenig Anteile an der Bank bezahlt hat (ca. 18. Mrd für 25% angesichts dessen, dass die Bank nur 4 Mrd. wert sein soll; siehe Nachdenkseiten; siehe auch Lucas Zeise in der Financial Times Deutschland). Nicht einmal ausreichend Einfluss hat er sich gesichert, um über das Geschäftsgebaren mitreden zu können.

Warum das alles? Sehen wir einmal von Vorwürfen der Verfilzung von Politik und Finanzwirtschaft ab, die nun häufiger zu hören sind, dann zielt das am meisten vorgebrachte Argument für die staatlichen Maßnahmen – auch in Sachen der Automobilindustrie – auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Wir wissen zwar nicht, ob diese Maßnahmen dazu beitragen, Arbeitsplätze, die erhaltenswert sind, auch zu erhalten. Die Begründung wird zumindest bemüht – und sie verfängt, wie es scheint (jüngst wird auch von der systemischen Bedeutung bestimmter Unternehmen gesprochen, die gestützt werden müssten, damit die Gesamtwirtschaft nicht Schaden nimmt). Es mangelt auch nicht an Alternativvorschlägen zum Vorgehen der Bundesregierung, doch auch sie zielen meist darauf, Arbeitsplätze zu erhalten.

Diese Fixierung erklärt auch, weshalb zugleich die Daumenschrauben bei Arbeitslosengeld I und II angezogen werden sollen. Damit setzt sich fort, was in den letzten Jahren auch dazu beigetragen hat, der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen Aufwind zu verschaffen. Doch: (Erwerbs-)Arbeitsplätze sind kein Selbstzweck, sie sind nicht in jedem Fall Orte der Leistungserbringung und schon gar nicht die einzigen. Ob also die Arbeitsplätze, um die mit den Maßnahmen gekämpft wird, erhaltenswert sind, das wissen wir nicht, wir können es von außerhalb der Unternehmen nicht sagen. Solange wir – die Bürger – auf das Einkommen aus diesen Arbeitsplätzen angewiesen sind, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, solange müssen wir die Unsicherheiten aushalten, die mit der Fremdbestimmung einhergehen.

Vertrauensbildung, das sei wichtig angesichts der Situation, aber keine der Massnahmen weist langfristig einen Ausweg. Die Finanzkrise lenkt von den Fragen ab, die mit dem Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens aufgeworfen sind: Freiheit, Selbstbestimmung, Stärkung der Bürger usw.

Mit einem bedingungsloses Grundeinkommen im Rücken würden manche Gründe, die für die Maßnahmen heute angeführt werden, in der Luft zerplatzen. Dann würde sich zeigen, ob die Arbeitsplätze, die erhalten werden sollen, auch von den Arbeitnehmern als erhaltenswert beurteilt werden. Manche Verunsicherung unter Bankern – aber auch unter allen anderen Berufsgruppen – könnte der Zuversicht weichen, sich mit einem BGE neue Wege zu bahnen, sei es im Bankwesen, sei es woanders.

Sascha Liebermann

Finanzkrise, Bürgschaften, Rationalisierung, Arbeitsplätze – eine wirkliche Lösung: das bedingungslose Grundeinkommen

Von Bürgschaften für die Automobilindustrie, womöglich auch für andere Branchen bzw. einzelne Unternehmen ist viel die Rede (aktuell wieder von Franz Walter Steinmeier). Unter anderem haben Auswirkungen der Finanzkrise Unternehmen in Bedrängnis gebracht. Dabei sind auch solche, wie General Motors, das schon lange als Restrukturierungsfall bezeichnet wird, auch Opel scheint nicht ohne. Nun sollen die politischen Gemeinschaften mit ihrem Steueraufkommen zu Hilfe eilen – meist mit der Begründung, Arbeitsplätze zu sichern, denn auch Zulieferungbetriebe seien vom Wohlergehen der Automobilhersteller abhängig. Dabei sind verschiedene Aspekte der Problemlage nicht so einfach voneinander zu unterscheiden: Was sind tatsächlich Auswirkungen der Finanzkrise, was sind Auswirkungen lange überfälliger Rationalisierungs- und Restrukturierungsmassnahmen, was sind Auswirkungen von leistungshemmenden Arbeitsbedingungen, was solche eines bevormundenden Systems sozialer Sicherung, wie wir es gegenwärtig haben? Ist die Finanzkrise gar ein Vorwand, endlich Entlassungen vorzunehmen, die anders kaum hätten gerechtfertigt werden können? Man denke nur an den Aufschrei, wenn trotz Unternehmensgewinnen Mitarbeiter entlassen werden – als müsse das im Widerspruch zueinander stehen.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein Allheilmittel, aber eine Lösung, die sehr weitreichend ist und die vor allem manche Gründe, die nun für Bürgschaften und Konjunkturprogramme angeführt werden, obsolet machte. Mit einem BGE ließe sich leichter erkennen, wo Probleme bestehen. Aus Gründen der Arbeitsplatzerhaltung müssten Bürgschaften oder finanzielle Unterstützungen an Unternehmen nicht fließen, wenn es ein BGE gäbe. Denn die Mitarbeiter, die nun womöglich vor einer Entlassung stehen, wären abgesichert. Aber auch alle anderen, die vielleicht schon lange sich mit dem Gedanken tragen, beruflich andere Wege zu gehen, könnten dies mit einem BGE, gerade angesichts der Lage, einfacher tun. Mit einem BGE wäre es Unternehmen möglich, in konjunkturellen Hoch- wie in Niederzeiten, Personal kurzzeitig freizustellen bzw. einzustellen, sofern die dann verhanlungsmächtigeren Mitarbeiter sich darauf einließen. Rationalisierungsmassnahmen, die eine Substituierung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen mit sich brächten, wären erwünscht und kein beklagenswertes unliebsames Übel. Die gegenwärtig in der Automobilbranche ins Auge gefasste Kurzarbeit angesichts schon lange bestehender Überkapazitäten wäre unproblematisch, denn die Binnenwirtschaft würde darunter nicht im selben Maße leiden wie heute, Konsum-und Investitionsmöglichkeiten blieben durch das BGE erhalten.

Ein BGE machte Konjunkturprogramme als Instrumente makropolitischen Gegensteuerns nicht überflüssig, zumindest aber stellt sich die Frage anders, wozu sie denn dienen sollen (siehe auch die Diskussion mit Katja Kipping). Das allerorten anzutreffende Argument, unsere Binnenwirtschaft leide unter mangelnder Kaufkraft, Kaufkraft gebe es aber nur, wo Einkommen erzielt wird, folglich müssten Arbeitsplätze geschaffen werden, verfinge nicht mehr, wenn wir ein BGE einführen würden. Das Einkommen wäre ohnehin vorhanden.

Die Finanzkrise ist also nicht, wie manche unken, eine Gefahr für die Diskussion um ein BGE, sie ist gerade eine Chance, um deutlich zu machen, wie verschiedene Probleme, vor denen wir stehen, miteinander zusammenhängen und welche Auswege ein BGE böte.

Sascha Liebermann