Stillstand durch Diskussion – bei Anne Will

Unter dem Titel „Hungern muß hier keiner, ein Land redet sich arm“ hatte Anne Will in die Sendung am 24. Mai Gäste eingeladen, um über Armut in Deutschland zu diskutieren.

Wie gewohnt wurden in den Einspielern Experten aufgeboten, dieses Mal um zu widerlegen, daß Armut in den letzten Jahren zugenommen habe. Auf die umstrittene Datenlage ist von verschiedenen Seiten hingewiesen worden (hier und hier). Auch die üblichen Klischees über ALG-II-Empfänger erhielten ihren Platz (Frau Knobel-Ulrich tat sich hier hervor) – da mußte sogar Hubertus Heil widersprechen. Aber, so Herr Heil, man könne doch die Wenigen nicht mit den Vielen vergleichen. Flucks waren Leistungsempfänger in zwei Klassen unterteilt, in gute und schlechte, und damit das Argument zum Mißbrauch des Sozialstaates vorbreitet, der zwar nur von wenigen (Wieviele denn und worin besteht der Missbrauch?) mißbraucht werde, dieser Zustand keinesfalls aber kleingeredet werden dürfe. Der Sozialstaat solle ja den „Bedürftigen“ nicht den „Faulen“ dienen, letztere seien doch „Schmarotzer“ (Westerwelle). Auf „Staatskosten zu leben“, das – so konnte man den Eindruck gewinnen – dürfe auf keinen Fall geschehen, dabei leben in einem Gemeinwesen immer alle auf Kosten aller und keiner aus sich selbst.

Statt bloß beklagend und ermahnend darauf hinzuweisen, wie sehr in manchen Milieus das Leben von Sozialhilfe für selbstverständlich gehalten werde, sollten wir uns fragen, woher diese Haltung kommt, was dahinter steckt. Ist jemand damit voll beschäftigt, sein Leben auf die Reihe zu bekommen, weil seine Lebensgeschichte ihm mehr nicht erlaubt, dann sollten wir ihn doch nicht schlagen und treten, sondern unterstützen – ein Bedingungsloses Grundeinkommen täte dies und noch viel mehr. Dann wäre auch die Stigmatisierung aufgehoben, die er oder sie heute noch erfahren. Gerade diejenigen, die sich am wenigsten verteidigen können, trifft die Hartz 4-Politik am stärksten.

Wo es Bürger gibt, die tatsächlich nichts beitragen wollen, werden wir dagegen ohnehin nichts ausrichten können, außer sie als Bürger zu kritisieren. Vielleicht aber sind die vielbeklagten Faulen auch nur mit etwas beschäftigt, das wir im allgemeinen nicht für richtig halten, weil es unseren Vorstellungen nicht entspricht. Darin kann zurecht ein großes Problem gesehen werden, die Neigung, andere daran zu messen, was man selbst für richtig hält.

Die Gäste waren also wieder einmal so gewählt, daß eine Polarisierung in die vertrauten Lager möglich wurde. Auf der einen Seite die Kritiker an dem zu niedrigen ALG-II-Regelsatz, die den Befürwortern einer härteren Gangart vorhielten, was es bedeutet, von ALG-II zu leben, wie weit die Schere von Arm und Reich auseinander gegangen sei und dass es eines Mindestlohns bedürfe. Auch müßten die Reichen, z.B. die „Brüder Albrecht“ (Butterwegge), stärker belastet werden. Auf der anderen Seite diejenigen, denen der Druck auf Leistungsempfänger noch nicht groß genug ist, denen zufolge die Faulen das System mißbrauchen und die wirklich Bedürftigen nicht genügend unterstützt werden. Heiner Geißler wies darauf hin, wie zerstörerisch gerade dieses ewig polare Denken ist.

Weder von Befürwortern noch von Kritikern gegenwärtiger Sozialpolitik fiel ein Wort über die Hartz-Mühle, die erniedrigende Antragsprozedur, den Druck auf Leistungsempfänger und die Verschärfung der Vergabebedingungen seit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Was zeigt uns das?

Es wird viel über arm und reich und wenig über Freiheit und Selbstbestimmung geredet. Die Selbstbestimmung der Bürger wird nicht wirklich für wichtig erachtet, ihrer Bereitschaft zu Engagement vertraut man nicht, sonst müßten die Damen und Herren nicht ständig Ausnahmen skandalisieren, statt nach der Mehrheit der Bürger sich zu richten. Angst und Bange kann einem auch werden, wenn Hubertus Heil angesichts eines starken Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen sagt, wir müssen diesen Zusammenhang „durchbrechen“ (Heil). Soll Bildung nun verordnet, eine neue Zwangsveranstaltung eingeführt werden? Als setze Bildung nicht die Bereitschaft, sich zu bilden, voraus. In sie gilt es zuerst einmal zu vertrauen; wo sie nur in geringem Maße vorhanden ist, wäre sie umso behutsamer zu fördern. Das allerdings tut nicht einmal unser Schulwesen: es herrscht allgemeine Schulpflicht.

Das größte Hindernis für die Einführung eines BGEs bleibt also das Mißtrauen. Solange wir nicht bereit sind, den Bürgern die Verantwortung zu geben, die sie gemäß unser demokratischen Ordnung tragen müssen, solange werden wir auf der Stelle treten.

Sascha Liebermann

Subsidiarität und BGE – kein Gegensatz

Immer wieder wird gegen das Bedingungslose Grundeinkommen eingewandt (z.B. hier), dass es gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoße. Dieses Prinzip ist folgendermaßen definiert:

„Wenn es nämlich auch zutrifft, was ja die Geschichte deutlich bestätigt, dass unter den veränderten Verhältnissen manche Aufgaben, die früher leicht von kleineren Gemeinwesen geleistet wurden, nur mehr von großen bewältigt werden können, so muss doch allzeit unverrückbar jener höchst gewichtige sozialphilosophische Grundsatz fest gehalten werden, andern nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ (Enzyklika QUADRAGESIMO ANNO, Abschnitt 79)

Deutlich wird schon zu Beginn des Abschnitts, dass nicht feststehende Aufgaben zugewiesen werden, sondern Aufgaben im Verhältnis dazu stehen, ob ein „kleineres Gemeinwesen“ sie tragen kann. Es bedarf also eines steten Abwägens und Prüfens, welche Aufgaben im Wandel der Verhältnisse von welcher Einheit der Gemeinschaft getragen werden können. Es handelt sich um kein statisches oder Aufgaben dogmatisch festschreibendes Prinzip. Der sozialphilosophische Grundsatz, an dem festgehalten werden soll, vertraut in die Kräfte des Einzelnen, er soll gestärkt werden, ohne dass damit eine individualistische Vorstellung vom Einzelnen betont wird. Denn der Einzelne ist immer Einzelner im Gemeinwesen, weswegen ihm nicht Aufgaben abgenommen werden sollen, die er bewältigen kann, das Gemeinwesen aber helfen muss, wo ohne Hilfe der Einzelne geschwächt würde. Überlassen werden soll ihm bzw. den kleineren Gemeinwesen nur, was sie zum guten Ende führen können. Was er tragen kann und was ihn überfordert, ist also stets zu erwägen und gegebenenfalls vom Gemeinwesen zu übernehmen.

Aus dem Subsidiaritätsprinzip kann also keinesfalls abgeleitet werden, dass die Einkommenserzielung dem Einzelnen überlassen werden muss, wie immer wieder behauptet wird, denn von ihr ist nicht die Rede. Mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist auch ein BGE, denn der Einzelne wird durch es gestärkt und es erlaubt ihm, Aufgaben wieder in die Hand zu nehmen, die das Gemeinwesen ihm abgenommen hat. Deswegen sprechen wir auch davon, dass das BGE einen starken und zurückhaltenden Staat zugleich ermöglicht. Stark muß er sein, wo es gilt, den Einzelnen in seinen Fähigkeiten zu schützen und zu fördern; zurückhaltend muss er sein, wo es seiner Hilfe nicht bedarf. Auch dies ist nicht einfach festzuschreiben, sondern stets zu erwägen.

Auf die Vereinbarkeit christlicher Traditionen insbesondere des viel gescholtenen Protestantismus mit dem BGE ist – entgegen anderer Stimmen – von Bischof Knuth ausdrücklich hingewiesen worden. Die christliche Tradition ist – auch nicht der Apostel Paulus, worauf wiederholt hingewiesen wurde – kein Gewährsmann gegen das BGE.

Sascha Liebermann

Mindestlöhne befestigen das Erwerbsideal, das BGE befreit uns davon

Seit einiger Zeit wird verstärkt über Mindestlöhne diskutiert, Befürworter und Kritiker tauschen regelmäßig ihre Standpunkte aus (z.B. hier). Doch diese Debatte führt uns nicht weiter, es besteht sogar eher die Gefahr, dass die Einführung von Mindestlöhnen und die damit häufig verbundene Forderung nach einer allgemeinen Reduzierung der Arbeitszeit das Erwerbsideal weiter befestigen. Statt also mit diesem Schritt das Bestehende zu festigen, sollten wir lieber gleich einen Schritt in die Zukunft machen.

Besonders bedeutsam wird die Diskussion, weil Mindestlöhne und allgemeine Arbeitszeitverkürzung auch unter Grundeinkommensbefürwortern (z.B. im Netzwerk Grundeinkommen, Unterpunkt 20 der Fragen und Antworten) Anhänger haben. Hinter diesen Erwägungen geben sich noch Vorbehalte zu erkennen, und zwar Vorbehalte hinsichtlich dessen, ob der Einzelne die Verantwortung, die das bGE ihm aufbürdet, auch schultern kann.

Schauen wir uns manche der Einwände gegen ein BGE an:

1. Das bGE führt zu Lohndumping

Auf jeden Fall führt das bGE dazu, dass zwei Funktionen von Einkommen, die heute im Lohn vereint sind, getrennt werden: Existenzsicherung und Gehalt. Das bGE übernimmt die Existenzsicherung, das Gehalt ist dann nur noch ein Wertschöpfungsanteil am Erfolg des Unternehmens. Diese Trennung beider Funktionen erlaubte in der Tat ein Absinken der Gehälter. Entscheidend ist, welche Einkommenssumme (BGE + Gehalt) jedem zur Verfügung steht. Das BGE führt lediglich zu einer veränderten Zusammensetzung. Von dieser Seite aus betrachtet, stellt das Sinken der Gehälter kein Problem dar, weil es nicht zum Sinken der Einkommen führen muß.

Darüber hinaus ist allerdings festzuhalten, daß über Gehälter verhandelt wird und Unternehmen sie nicht diktieren können. Ein bGE in ausreichender Höhe verleiht ja gerade Verhandlungsmacht, die Arbeitnehmer heute in diesem Maße nicht haben. Jegliche Furcht vor Lohndumping ist also unberechtigt, sie ist noch noch Ausdruck von Mißtrauen in die Verhandlungsfähigkeiten des Einzelnen. Wer sich mit einem bGE im Rücken auf ein niedriges Gehalt einläßt, tut das aus freien Stücken und muß es dann auch verantworten.

2. Das bGE ist ein Kombilohn und subventioniert Erwerbsarbeit

Das bGE wird sich sehr wahrscheinlich auf die Gehaltsstruktur auswirken, das haben wir schon gesehen. Es wird jedoch nicht als Subvention für Erwerbsarbeit gewährt. Zweck und Effekt sind hier voneinander zu unterscheiden. Das BGE ist ein Bürgereinkommen, Auswirkungen auf die Gehaltsstruktur sind mittelbar, die Gewährung des bGE – im Unterschied zu Lohnsubventionen – ist nicht an Erwerbsarbeit gebunden und nur vom Bürgerstatus abhängig.

Es ist also mit allen Formen der Subventionierung von Erwerbsarbeit nicht vergleichbar. Wenn es etwas „subventioniert“, dann ist es Freiheit.

3. Die Untenehmen müssen einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, das bGE jedoch entlastet sie davon

Was ist die Aufgabe von Unternehmen, welchen Beitrag können sie leisten? Sie sollen Werte erzeugen, also Dienste und Produkte für mögliche Kunden bereitstellen. Damit sie dies unter für sie förderlichen Bedingungen tun können, muß eine entsprechende Infrastruktur bereitgestellt werden. Sie wird aus Steuermitteln finanziert. Alle Kosten, die im Wertschöpfungsprozess entstehen, das ist wiederholt dargelegt worden (vgl hier und hier), müssen von einem Unternehmen erwirtschaftet werden – das geht nur über den Absatz. Deswegen reicht ein Unternehmen seine Kosten weiter – auch die Gehälter der Mitarbeiter -, so daß sie Bestandteil der Güterpreise werden. Wer also der Auffassung ist, Unternehmen müßten mehr beitragen und dürften von den Aufwendungen für Löhne nicht unverhältnismäßig entlastet werden (siehe z.B. Netzwerk Grundeinkommen, Unterpunkt 20 der Fragen und Antworten) glaubt, die Weiterwälzung der Kosten in Netzwerkdie Güterpreise verhindern zu können. Das ist aber nicht möglich. Will man also Unternehmen in ihrem Zweck fördern, dann ist eine Steuer am wirksamsten, die am Verbrauch ansetzt, erst dann also, wenn der Wert erzeugt ist und konsumiert werden kann. Das würde die Wertschöpfung entlasten. Ein solche Steuer macht transparent, welche Kosten tatsächlich angefallen sind, sie werden nicht, wie heute, in den Güterpreisen versteckt, sondern wären für jeden auf dem Rechnungsbeleg als Steuer ablesbar. Wie effizient und ressourcenschonend produziert wird, das liegt in der Verantwortung des Unternehmens. Hoher Ressourcenverbrauch kann entsprechend besteuert werden, das würde Unternehmen dazu drängen, ressourcenschondend zu produzieren.

4. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung ist nötig, damit Arbeitslast wie Arbeitschancen gerecht verteilt werden

Ein bGE soll die Entscheidungsfreiheit und damit einhergehend die Verantwortung des Einzelnen stärken. Von daher liegt es nahe, ihn über seine (Erwerbs-)Arbeitszeit genauso verhandeln zu lassen wie über die Höhe seines Gehalts. Ob er mehr oder weniger arbeiten will, darüber soll er selbst befinden, er alleine kann am besten bestimmen, wieviel er zu leisten in der Lage und willig ist.

Wer eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung zusätzlich zum bedingungslosen Grundeinkommen fordert, wertet Erwerbsarbeit auf, denn: Was verteilt werden muß, ist entweder besonders begehrenswert oder besonders wertvoll. Würden wir alle Arbeit gleich verteilen wollen, bedürfte es eines gigantischen Verteilungsapparats, der dann wieder eine Definition davon benötigte, was denn als Arbeit betrachtet wird. Jegliches Engagement jenseits der Erwerbsarbeit würde damit wieder abgewertet – wir hätten nichts gewonnen.

Vergleichbar verhält es sich mit der Forderung nach einem Mindestlohn: Nur wer dem Einzelnen nicht zutraut, vernünftig zu verhandeln, kann einen Mindestlohn für notwendig erachten. Beide, eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung wie ein Mindestlohn, sind noch Ausdruck eines Mißtrauens. So ganz können wir dem Einzelnen doch nicht vertrauen, das für ihn Angemessene auszuhandeln, deswegen diese Schutzmaßnahmen. Damit wird ihm aber Verantwortung aus der Hand genommen, die er auch selbst tragen kann – vorausgesetzt, daß bGE ist hoch genug.

Keineswegs führt ein BGE von selbst dazu, daß es keine Gewerkschaften mehr geben wird. Das wird sich zeigen. Eines jedoch ist gewiß,
sie hätten andere Aufgaben als heute.

Sascha Liebermann

Leiharbeit, Zeitarbeit, prekäre Lebensverhältnisse – wie sähe es mit einem BGE aus?

Seit einiger Zeit wird viel über die Zunahme von Leiharbeit, Zeitarbeit und prekäre Lebensverhältnisse berichtet und diskutiert. Es scheint auf den ersten Blick eindeutig, worum es dabei nur gehen kann: um befristete Arbeitsverhältnisse, die zu Einkommensunsicherheit führen; um Beschäftigungsverhältnisse mit niedrigen, nicht existenzsichernden Einkommen sowie um Statusunsicherheit als Arbeitnehmer – der Einzelne verliert an Verhandlungsmacht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen der Einkommenserzielung werden die Freiheiten enger, nicht nur für diejenigen mit geringen Qualifikationen, auch für andere: in keinem Bereich mehr sind Arbeitsplätze sicher. Diese Entwicklung hat zahlreiche Folgen. Entscheidungen, die über einen längeren Zeitraum sich auswirken und die zu treffen eine gewisse finanzielle Absicherung voraussetzt, werden so erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Auch für die Frage der Familiengründung ist diese Lage nicht ohne Wirkung, wenngleich sie nicht alleine entscheidend ist.

Doch all die aufgelisteten Phänomene werde nur zu Problemen, weil wir keine Absicherung vorsehen, die von einer Einkommenserzielung über geregelte Erwerbsarbeit unabhängig ist. Gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe, was wäre an Leiharbeit problematisch? Verhandlungsmacht würden Leiharbeiter im Unterschied zu heute nicht einbüßen, sie würden erst welche gewinnen. Zeitarbeit könnte zu Projektarbeit werden, ohne dass Einkommensungewißheit damit verbunden wäre. Was bliebe von „prekären Lebensverhältnissen“ übrig?

Etwas ganz anderes, als heute damit verbunden wird. „Prekär“ kann eine Lebenssituation in zwei ganz verschiedenen Bedeutungen sein. Die eine benennt schwierige, die Existenz bedrohende Einkommensverhältnisse. Letztlich bleibt dann der Gang zur Sozialbehörde mit all seinen stigmatisierenden Folgen. „Prekär“ kann aber ein Leben auch in einem anderen Sinn werden, der für gewöhnlich mit dem Ausdruck nicht verbunden wird: dem einer Lebenskrise als Sinnkrise. Sie kann durch keine Einkommensgarantie aufgehoben werden, keine Bildungspolitik kann sie verhindern. Solche Krisen gibt es heute auch, jeder hat auf sie eine Antwort zu finden, allerdings geben wir heute noch eine Antwort vor, die wir für besonders gut halten: Erwerbsarbeit. Auch wenn jeder schon vor die Frage gestellt ist, was er mit seinem Leben anfangen, was er aus ihm machen will, kann er doch heute an dieser einen Krücke gehen, in ihr eine Antwort erkennen. Wer Erwerbsarbeit leistet, macht nach allgemeiner Anschauung auf jeden Fall etwas Sinnvolles. Das spürt besonders, wer zur Arbeitsagentur geht und ihr Kunde wird.

Längst schon ist diese Antwort aber brüchig geworden, die Sinnfrage verlangt nach individuierten Antworten, jeder muß die geben, die ihm gemäß ist. Gäbe es ein BGE, stellt sich die Frage radikaler, es gäbe keine Krücke mehr, an der wir gehen könnten. Nicht würden wir in einem Schlaraffenland leben, wie immer wieder suggeriert wird. Vielmehr wäre es genau anders herum, wir wären mit der Frage der Freiheit und des Lebensinns viel härter konfrontiert. Keine kollektiv posivtiv besetzte Antwort würden den Weg weisen, wir müßten ihn selbst finden. Die wirklichen Lebensfragen träten um so deutlicher hervor, wenn wir von Einkommenssorgen befreit wären, Fragen, auf die keine politische Planung eine angemessene Antwort zu geben vermag.

Genau eine solche Situation wäre unserer Demokratie gemäß: sie ruht auf der Bereitschaft der Bürger, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Ein BGE würde sie darin bestärken, ihnen den Rücken stärken, damit sie ihren Weg zu finden zum Gemeinwohl beizutragen. Mit einem BGE im Rücken trifft einen die Sinnfrage erst mit voller Wucht.

Sascha Liebermann

"Das Unrecht des Bürgerlohns" – Otfried Höffe zum bGE

Otfried Höffe, Professor für Philosophie an der Universität Tübingen, hat sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Dezember (Die Ordnung der Wirtschaft, S. 13) mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigt. Doch seinem Diktum – „Das Philosophieren kann an nahezu jedem Punkt unserer Alltagserfahrung ansetzen. Es bedarf nur der Fähigkeit, Bekanntes in Frage zu stellen: methodisch, aber auch ‚erfahrungsgesättigt‘, gründlich und unter Einbezug der eigenen Voraussetzungen“ – ist er dabei nicht gefolgt. Sonst wäre seine Auseinandersetzung nicht so grobschlächtig ausgefallen. Weder ist sie auf der Höhe der Argumentation, die für ein bGE vorliegt, noch ist sie informiert, wie schon der Titel zu erkennen gibt.

Vom „Bürgerlohn“ zu sprechen muß jeden befremden, der sich mit dem bGE beschäftigt. Denn, weder fordert einer der von ihm genannten Befürworter (Götz W. Werner, Thomas Straubhaar, Dieter Althaus) einen Bürger-Lohn, noch ist das bGE als solcher gedacht. Einen Lohn erhält man für eine Leistung, die man erbracht hat. Das bGE hingegen wird den Bürgern um ihrer und des Gemeinwesens willen gewährt. Grund für Höffes Umdeutung des bGEs sind wohl eher seine eigenen Überlegungen, die ihn zu folgendem Schluß führen:

„Soll der Ausdruck [Bürgerlohn, SL] die angezeigte Sache tatsächlich beinhalten, müsste der Bürgerlohn durch einen Bürgereinsatz, eine Bürgerarbeit, komplettiert werden.“

Ist das bGE umgedeutet, muß dieser Schluß konsequent erscheinen – nur: Höffe trifft damit nicht diejenigen, die er kritisiert, sondern sich selbst.

Es wundert dann auch nicht, daß Höffe die Erwerbfixierung fraglos voraussetzt. Folglich kann auch Selbstverwirklichung nur in Arbeitsplätzen erreichbar sein, als sei eine Selbstverwirklichung jenseits davon nicht einmal denkbar, allenfalls ist sie eine schöne Ergänzung. Was wie unverrückbare Wahrheiten behandelt wird, stellt doch ein historisch Gewordenes dar. Das aber, obgleich Höffe selbst darauf eingeht, bleibt für seine Überlegungen zum bGE folgenlos.

Er folgert ganz konsequent:

„Dass heute die Vollbeschäftigung nicht mehr die der Industriegesellschaft sein kann, ist richtig, aber trivial. Vor allem spricht dieser Umstand nicht gegen das Ziel selbst, das sich immerhin vom Sozialstaatsprinzip, vielleicht sogar von der Menschenwürde, jedenfalls vom Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung her rechtfertigt.“

Und an anderer Stelle:

„Vielmehr ist es die Aufgabe der Politik, zu einem Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsklima beizutragen, das beides fördert: die Bereitschaft zu arbeiten und das Erhalten und Entstehen von Arbeitsplätzen statt des „Wegrationalisierens“.“

Anstatt es zu begrüßen, dass wir uns von vielen geisttötenden Arbeiten mit Hilfe von Technologie entlasten und dadurch Freiräume gewinnen, wettert Otfried Höffe gegen „Rationalisierung“. Allerdings, auch dies ist konsequent. Wer Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung so unverrückbar von verfügbaren Arbeitsplätzen abhängig macht, für den muß die Ersetzung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen eine Bedrohung darstellen, der kann nicht sehen, dass Maschinen nur geronnener Geist (Max Weber) und damit Ausdruck menschlicher Schaffenskraft sind, die uns Lebenszeit zurückgewinnen erlaubt. Diese Freiräume sind gerade die Voraussetzung dazu, sich in einer frei gewählten Tätigkeit verwirklichen zu können. Wo diese Verwirklichung erfolgt, gehört das nicht auch zur Freiheit der Bürger?

Höffe sieht auch, welche Bedeutung und welchen Umfang ehrenamtliches Engagement heute schon hat, zieht daraus aber keine Schlussfolgerung. Er hätte folgern können, das dieses Engagement allen Zweiflern und Volkspädagogen widerspricht, die befürchten, der Untergang des Abendlandes stehe bevor, wenn ein bGE eingeführt werde. Weshalb sollte, was heute noch Ehrenamt heißt, nicht zum Hauptamt werden können? Für Höffe allerdings ist das undenkbar.

Und weiter heißt es an anderer Stelle:

„Und weil man bei der Teilnahme, bei der aktiven Mitgestaltung am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben, sich selbst entfaltet, fällt diese kontributive (Beteiligungs-)Gerechtigkeit mit einem aufgeklärten Selbstinteresse weitgehend zusammen.“

Entweder schließen wir hieraus, daß der Einzelne sich ohnehin engagieren wird, da Selbstbestimmung, Freiheit und Mitgestaltung am Gemeinwesen seinem innersten Wunsch entsprechen – dann landen wir bei der Idee des bGE. Oder aber Höffe verlangt doch die Einsicht des Einzelnen in ‚objektive’ Notwendigkeiten – dann ist der Schritt zum bevormundenden Gemeinwesen getan. So nah beieinander können Freiheit und Bevormundung liegen.

„Weil es schwer einzusehen ist, warum nicht jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Lebensunterhalt beitragen soll, hat der Heranwachsende eine Pflicht, sich zum künftigen Wirtschaftsbürger zu entwickeln. Für die Elementarstufe hat er die Fähigkeit und Bereitschaft zu erwerben, überhaupt seinen Lebensunterhalt möglichst selbst zu verdienen.

Der Illusion des Leistungslohnes, mittels dessen jeder seinen Unterhalt „selbst verdient“, erliegt auch der Verfasser. Wie schwierig und meist kaum möglich es ist, Leistungen Personen zuzurechnen, übergeht er beflissen. In einem Gemeinwesen, das, wie unser Land, eine so gewaltige Wertschöpfung und andere Leistungen hoch arbeitsteilig zustande bringt, ist es geradezu weltfremd davon auszugehen, der Einzelne müssen seinen Unterhalt „verdienen“. Dieser vermeintliche Verdienst, den Höffe im Auge hat, ruht auf Voraussetzungen, die sich andernorts bilden als im Arbeitsmarkt: im Gemeinwesen und in der Familie. Beide Leistungen erfahren heute nicht die Anerkennung, die ihnen gebührt. Ein bGE hingegen würde sie aufwerten und all die dirigistischen Bemühungen heutiger Familienpolitik (siehe: „Kindesunterhalt“ und „Rürups Sockelrente – ein Irrweg“, von Heike Göbel, FAZ) überflüssig machen.

Die voranstehend zitierte Passage wird mit folgendem Satz abgeschlossen:

„Die Steigerung besteht in der Fähigkeit, einer Arbeits- und Berufstätigkeit nachzugehen, die der Begabung entspricht, sogar deren Entfaltung ermöglicht, folglich zur Selbstverwirklichung beiträgt.“

Und:

„Die für den Menschen unverzichtbare Anerkennung hängt in hohem Maß von der Berufs- und Arbeitswelt ab. Das aufgeklärte Selbstinteresse drängt daher die Politik, sowohl die Wirtschafts- als auch die Sozial- und die Bildungspolitik, beides zu prämieren: auf Seiten der Volkswirtschaft die Schaffung von Arbeitsplätzen und auf Seiten der Individuen jene Suche nach Berufsfähigkeit und nach Arbeitsplätzen, die auch Mühen und Durststrecken in Kauf
nimmt.“

Die Chancen, dass es zu einer Passung von Fähigkeiten und Berufstätigkeit kommet, sind dort am größten, wo der Einzelne frei entscheidet, wie er sich einbringen will. Setzt man Beruf mit Berufung und nicht mit Arbeit gleich, dann muß dies in einem freiheitlichen Gemeinwesen auch außerhalb der Erwerbstätigkeit möglich sein. Dazu würde das bGE befähigen. Höffes Erwerbsfixierung hingegen bewirkte nur, dass an der Abwertung nicht erwerbsförmigen Engagements festgehalten wird. Er, als Professor einer deutschen Universität, könnte es besser wissen, bezieht er nämlich kein Gehalt, vielmehr wird er alimentiert. Diese Alimentierung gewährleistet, dass er forschen und lehren kann, was er für wichtig und richtig hält. Das bGE würde allen ermöglichen, was verbeamteten Professoren vorbehalten ist, und zugleich stärkte es unsere Demokratie, denn wir Bürger hätten mehr Freiräume, um uns einzumischen.

Sascha Liebermann

Was ist das solidarische Bürgergeld – bedingungsloses Grundeinkommen oder Steuergutschrift?

In einem Gastkommentar für Spiegel Online „Bürgergeld statt Mindestlohn“ hat der Ministerpräsident Thüringens, Dieter Althaus, für seinen Vorschlag eines Solidarischen Bürgergeldes geworben.

In dem gesamten Beitrag fällt nicht einmal der Ausdruck bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), der für Dieter Althaus in früheren Äußerungen wichtig gewesen ist. Seine Ausführungen bestärken auch den Eindruck, den wir an früherer Stelle schon einmal geäußert haben, daß sein Vorschlag viel mehr dem einer Negativen Einkommensteuer (NE) entspricht als einem bedingungslosen Grundeinkommen. Der Unterschied zwischen beiden ist schnell benannt: Während das BGE immer verfügbar sein soll und eine eigene Einkommensart bildet, die mit anderen nicht verrechnet wird, folgt die Negative Einkommensteuer dem Ausgleichsprinzip. „Negativ“ ist sie, weil sie erst dann einer Person gewährt wird, wenn ihr Erwerbseinkommen unter einer definierten Höhe bleibt. Wer z.B. nur 500 € Erwerbseinkommen erzielt, das Mindesteinkommen aber 800 € beträgt, erhält einen Ausgleich aus Steuermitteln.

Nun könnte man sagen, es bleibe sich gleich, ob man mit einem BGE oder einer NE auf diesem Betrag kommt. Genau darin aber liegt der Unterschied ums Ganze. Die NE hält am Erwerbsprinzip fest, gemäß dem Motto: Jeder muß zuerst einmal versuchen, Erwerbseinkommen zu erzielen. gelingt ihm dies nicht, dann erhält er eine Steuergutschrift. Das BGE hingegen folgt der Maxime: Jeder soll in die Lage versetzt werden, das zu tun, was ihm am Herzen liegt, was er für wichtig und richtig erachtet. Da es zahlreiche Betätigungsfelder jenseits von Erwerbsarbeit gibt, bedarf er dazu eines Einkommens. Ohne ein solches hätte er gar keine Wahl. Was also wie ein rechnerischer Unterschied erscheinen könnte, ist einer der Freiheit – der Freiheit, sich entscheiden zu können in Absehung von Einkommenserzielung.

An einer anderen Stelle heißt es: „Das Solidarische Bürgergeld im Sinne einer negativen Einkommensteuer bekommen nur diejenigen Bürger ausbezahlt, die es tatsächlich benötigen.“

Damit führen wir das Bedürftigkeitsprinzip fort, das schon heute stigmatisierend wirkt: Um festzustellen, ob jemand bedürftig ist, müssen wir definieren, worin Bedürftigkeit besteht. Mit einem BGE hingegen würden wir endlich das Bedürftigkeitsprinzip aufgeben: Das BGE ist ein Bürgereinkommen, die Bürger erhalten es um ihrer selbst willen. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, mehr Verantwortung zu übernehmen und sind zugleich abgesichert. Ob sie es dann „benötigen“, können sie selbst am besten entscheiden.

Weiter heißt es: „Mir ist es wichtig, daß wir die zusätzliche Unterstützung auf die konzentrieren, die sie wirklich benötigen. Das schließt eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik ein. Wer selbstständig laufen kann, den sollte man nicht behindern. Wer Hilfe benötigt, der wird an die Hand genommen“.

Heißt „selbständig laufen“ denn, einer Erwerbsarbeit nachzugehen? Sie steht mit einer NE nach wie vor im Zentrum, gilt als dasjenige, dem wir nachstreben sollten. Dann würde das Solidarische Bürgergeld doch nur – wenn auch viel liberaler als unsere gegenwärtigen Sicherungsleistungen – eine Form dessen sein, was wir gegenwärtig haben. Wir würden die Chancen, die ein BGE uns bietet, nicht ergreifen.

Langfristig kann unser Ziel doch nur sein, Freiheit und Solidarität zu stärken. Freiheit aber schließt auch ein, sich nicht am Arbeitsmarkt zu orientieren, sondern Tätigkeiten jenseits davon zu verfolgen, die ebenso wichtig sind – das ermöglicht nur ein BGE.

Sascha Liebermann

Bürgergeld und Grundeinkommen – Geniestreich oder Wahnsinn?

Unter diesem Titel hatte die Stiftung Marktwirtschaft zu einer Diskussion über Grundeinkommen und Bürgergeld in den Deutschen Bundestag nach Berlin eingeladen. Der Titel zeugt noch von der Befremdung, die der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens auslöst, denn ein Geniestreich im Sinne einer genialischen Einzelleistung einer Person ist der Vorschlag keinesfalls. Vielmehr entspringt er einer sachhaltigen Analyse unserer gegenwärtigen Lage und der Möglichkeiten, die sich uns bieten, die wir bislang aber nicht ergreifen wollen.

Götz W. Werner, der den Eröffnungsvortrag hielt, hob vor allem eines heraus, was schon darin zum Ausdruck kam, wie er das Publikum ansprach: Als Bürger seien wir aufgerufen, über das bedingungslose Grundeinkommen nachzudenken, da es eine Vielzahl an Möglichkeiten für unsere Probleme biete. Unser Bemühen, unsere Probleme mit Methoden zu lösen, die diese Probleme erst hervorgebracht haben, habe dazu geführt und könne dies weiter tun, daß das Vertrauen der Bürger in unser Gemeinwesen abnimmt. Das bedingungsloses Grundeinkommen hingegen vertraue in den Initiativgeist des Einzelnen, in dem auch unser Gemeinwesen gründet.

Angesichts des großen Interesses an der Veranstaltung (ca. 300 Gäste, darunter Politiker, Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Wohlfahrtsorganisationen) war bezeichnend, wie wenig, beinahe gar nicht, in den folgenden Beiträgen auf genau diesen Punkt: das Vertrauen in den Einzelnen als Vertrauen in die Bürger, eingegangen wurde. Nicht eine Frage in der anschließenden Diskussion griff diesen Zusammenhang auf. Von „Anreizen“ wurde in einem fort gesprochen, von Freiheit war nicht die Rede, denn sie ist das Gegenteil von Anreizen. Prof. Horst Siebert (Vortragsmanuskript) bemerkte an einer Stelle gar: Würde man die „Anreize“ beseitigen, dann bliebe nur die intrinsische Motivation, ein Wahnsinn. Intrinsische Motivation ist in seinem Verständnis offenbar bedenklich, eher ein zu steuernder Trieb als der Ausgangspunkt von Initiative. Da nimmt es nicht wunder, wenn wir unsere ausgefahrenen Bahnen nicht verlassen können: wo Freiheit winkt, droht Untergang.

Um so größer war das Interesse an den Berechnungen, die die vermeintliche Untauglichkeit des bGEs belegen sollten. Prof. Clemens Fuest, als Experte geladen, verlor kein Wort über die Annahmen, die den Berechnungen zu grunde lagen. War von „Beschäftigungseffekten“ die Rede, dann ging es um Erwerbsarbeit, nicht aber um die vielfältigen Formen von Engagement, von denen ein Gemeinwesen lebt. Wertschöpfung wurde nur gefaßt als die in Preisen ausdrückbare volkswirtschaftliche Leistung, nicht aber wurde von der „Leistung“ gesprochen, die in Preisen nicht vorliegt: Erziehung, Bildung, politische Loyalität usw. ohne die unser Gemeinwesen gar nicht bestehen könnte. Neben Götz W. Werner wies nur Katja Kipping (Die Linke/ Netzwerk Grundeinkommen) auf deren Bedeutung hin.

Prof. Fuest behauptete zwar, daß er nur von Fakten spreche, erläuterte aber an keiner Stelle, daß Berechnungen Arte-Fakte sind. Sie sind statisch und schreiben die Annahmen in die Zukunft fort, die den Berechnungen zugrunde liegen – also Annahmen der Vergangenheit. Sie beziehen also gerade nicht die Möglichkeiten ein, die das bGE schafft und wie sich das Handeln der Menschen ändern könnte. Wie sollten Berechnungen auch dazu in der Lage sein, sie simulieren lediglich eine Wirklichkeit, nicht aber sind sie die Wirklichkeit. Diese Borniertheit, vor dem Hintergrund einer schon lange währenden Diskussion auch in den Wirtschaftswissenschaften darüber, wie es möglich ist, nicht-monetär erfaßte Leistungen in Berechnungen auszudrücken, war erstaunlich – vor allem angesichts der Gewißheit, in der sie sich präsentierte. Berechnungen schauen in die Vergangenheit, das bGE hingegen in die Zukunft.

Womöglich war es der Dauerbeschuß der Freiheitsidee mit den „Anreizproblemen“, der sie hat verschütt gehen lassen in der Diskussion. Geradezu beängstigend war es, wie Experten und auch Politiker immerzu von den Anreizen sprachen, die nötig seien, damit wir Bürger etwas leisten. Eine wunderbare Allianz ergab sich zwischen dem Vertreter der SPD (Grotthaus), der Vertreterin der Grünen (Dückert) und Prof. Fuest. Alle gemeinsam gegen das Solidarische Bürgergeld von Herrn Althaus.

Wieder einmal hat sich gezeigt: die Gegner des Grundeinkommens wie die Befürworter stehen auf allen Seiten.

Sascha Liebermann