„Toxische Hilfe“…

…ein treffender Ausdruck Baukje Dobbersteins für das, was ich deautonomisierende Hilfe nennen würde, eine Hilfe, die denjenigen, dem geholfen werden soll, ersticken kann. Welche Folgen toxische Hilfe hat, beschreibt sie in dem hinterlegten Beitrag und darüber hinaus, wie wichtig die Erfahrung ist, dass einem etwas gelingt.

Deutlich wird in ihm auch, dass der Bildungsprozess hin zur Autonomie des Erwachsenen ein langer Weg ist, der nicht ohne Hilfe und Unterstützung auskommt (funktionale oder konstitutive Abhängigkeit), diese aber immer im Dienst der Autonomie stehen muss. Eine sehr fragile Angelegenheit ist das, die darüberhinaus für alle Helferkonstellationen von Bedeutung ist („Hilfe zur Selbsthilfe“).

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„Das bedingungslose Grundeinkommen hat nichts mit Sozialismus und Schlendrian zu tun – es würde uns von staatlicher Hilfe emanzipieren“…

…schreibt Philipp Löpfe über das Bedingungslose Grundeinkommen auf watson.ch. Er gibt eine Einschätzung zur Eidgenössischen Volksinitiative und dem Stand der Diskussion in der Schweiz. Der Titel, der offenbar auf eine Äußerung von Daniel Häni zurückgeht, ist etwas missverständlich. Er stellt einen Gegensatz zwischen dem BGE und dem Staat bzw. staatlicher Hilfe der, der so nicht besteht. Der Staat lebt nicht als eigenständige Größe freischwebend um uns herum und gibt uns etwas, das wir nicht haben wollen bzw. enthält es uns vor. Selbst die Rentenversicherung, die als Umlagesystem operiert, kann nicht als Leistung betrachtet werden, die unabhängig vom „Staat“ operiere. Es ist ja der Staat, der sich zu ihrer Einrichtung entschlossen hat einst und der wiederum in der Lage wäre, sie aufzuheben – der Staat als politische Vergemeinschaftung. Die Regierung hat sich ja stets dem Souverän gegenüber zu verantworten. Zwar bestimmen wir nicht über jede einzelne Angelegenheit (das wäre auch in einer direkten Demokratie – siehe auch hier – nicht der Fall), doch wir erteilen durch die Wahl von Delegierten ihnen einen Auftrag. Der Staat ist also zum einen eine politische Vergemeinschaftung der Staatsbürger, die ihn tragen, zum anderen das Gebilde, das von seinen Staatsbürgern den Auftrag zur Gestaltung erhält, ohne dass diese ihre Verantwortung aufgeben können. Obwohl all dies banal erscheint, ist die Vorstellung, der Staat stehe den Bürgern als eigene Größe gegenüber, immer wieder anzutreffen, siehe hier, hier und hier. Es sei, so heißt es oft, der Staat, der den Bürger einschränke, ihn seiner Freiheit beraube oder ähnlich. Nun kann der Staat als politisches Gemeinwesen in der Tat die Freiräume seiner Bürger beschränken, das tut er aber im Gefolge politischer Willensbildung und dann parlamentarischer Entscheidung – und nicht einfach so.

Sascha Liebermann

Hochwasserschäden, Katastrophen, Hilfe in Notlagen – und Bedingungsloses Grundeinkommen

Angesichts der Hochwasserschäden, die seit Wochen in den Nachrichten gemeldet werden, ist eine Diskussion darüber entbrannt, wie den betroffenen Menschen geholfen werden könnte. Spendenaufrufe sind überall präsent, um Menschen in Not Hilfe zukommen zu lassen. Über Versicherungen wird nachgedacht, die Elementarschäden abdecken sollten und die von staatlicher Seite angeboten werden könnten.

Doch nicht nur angesichts dieser Notlage erweist sich ein Blick auf das Bedingungslose Grundeinkommen und seine Möglichkeiten wieder einmal als hilfreich. Auch für Notlagen in anderen Ländern gilt der Zusammenhang, dass die Verfügbarkeit über ein verlässliches Einkommen die Möglichkeiten erweitert, wie situativ angemessen gehandelt werden könnte. Das Nötigste wäre zu beschaffen, an Gütern mangelt es uns nicht. Wenn nun Baumärkte im Osten Deutschlands Arbeitsgeräte wie Schaufeln, Besen etc. bereitstellen, um zu helfen, ist das edel. Ein verfügbares Grundeinkommen würde indes viel mehr ermöglichen. Geld, das nun bereitgestellt wird durch Wohlfahrtsorganisationen, damit durch das Hochwasser beschädigte elementare Einrichtungsgegenstände beschafft werden könnten, wären in der Form nicht nötig, gäbe es ein BGE.

Es ist schon gerade zu banal, auf die Möglichkeiten hinzuweisen, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen hier auf einfache Weise schaffen könnte. Damit wären zwar größere Schäden nicht zu beheben, aber eine basale Absicherung geschaffen, die stets verfügbar wäre und einen sofort wieder handlungsfähig werden ließ.

Sicher, damit ist keine Prävention gegen zukünftige Hochwasser durchgeführt. Wer aber wollte behaupten, dass ein BGE alle Probleme löse? Kein ernsthafter Befürworter. Das sollte aber nicht dazu verleiten, die vielen Möglichkeiten zu übersehen, die es auf einfache Weise schüfe.

Sascha Liebermann

Siehe auch meinen schon älteren Beitrag über strukturschwache Regionen.

Verklärung des Bestehenden statt Analyse der Probleme

„Verantwortung wahrnehmen – bedingungslos!“, so hat Gerhard Wegner im Jahr 2007 seine Auseinandersetzung mit dem Vorschlag eines Bedindungslosen Grundeinkommens übertitelt. Der Untertitel „Das bedingungslose Grundeinkommen beeinträchtigt die Förderung umfassender gesellschaftlicher Teilhabe“ sagt, wohin die Kritik eilt. Wir weisen auf diesen Beitrag hin, da er die Argumente beinhaltet, die Herr Wegner anlässlich einer Veranstaltung in Dortmund am 14. Oktober vorgetragen hat. Die Stoßrichtung der Kritik gleicht der von Matthias Zeeb, einem Kollegen von Herrn Wegner, dessen Ausführugen wir schon früher kommentiert haben (siehe hier).

Ein Punkt sei hier herausgehoben, an dem der grundsätzliche Dissens erkennbar wird zwischen dem, was ein BGE erreichen will und dem, was der bestehende Sozialstaat und seine Vorfahren erreichen wollen. Herr Wegner hat viele gute Absichten, sieht in der Hilfe für die Armen und Schwachen eine Herausforderung, will ein solidarisches Gemeinwesen usw. Es ist leicht, mit ihm darin übereinzustimmen, aber der Weg dahin ist das Problem. Wer sind die Armen und Schwachen, wer ist arm und schwach, woher weiß man das? Und verpflichtet es die Armen und Schwachen, weil sie arm und schwach sind, sich helfen zu lassen, wenn sie es nicht wollen?

Will man nicht von oben bestimmen, wer sich wie von wem zu beraten lassen hat, dann muss man Möglichkeiten schaffen, dass der Einzelne selbst darüber entscheiden kann. Bei allen guten Absichten beinhaltet Herrn Wegners Position eine Zwangshilfe, eine Hilfe, die mit Sanktionen arbeitet, da – so äußerte er sich in der Diskussion – nur auf diese Weise eine Verpflichtung des ‚Geholfenen“ besteht, sich auch helfen zu lassen. Dabei widersprechen nicht nur Argumente dieser Form von Hilfe, sondern auch die Empirie. Wer Gelegenheit hat, mit Sozialarbeitern zu sprechen, wird erfahren, dass es zu nichts führt, jemandem zu helfen, der sich nicht helfen lassen will. Hilfe kann dann erfolgreich sein, wenn die eigene Hilfsbedürftigkeit erkannt wird, dass man zumindest darum weiß, Hilfe zu benötigen, weil man alleine nicht weiter kommt. Diese Grenze des Hilfsangebots, dass es nicht aufgedrängt wird und auch ausgeschlagen werden darf, gilt es zu respektieren, will man nicht „von oben“ bestimmen, wer hilfsbedürftig ist. Sind Dritte gefährdet, z.B. Kinder, sieht die Lage anders aus. Dafür stehen Eingriffsrechte zur Verfügung, die gesetzlich festgelegt sind (siehe Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) – Kinder und Jugendhilfe“). Alles andere wäre Entmündigung durch Zwangshilfe.

Wenn anhaltende Armut (also nicht bloßer Einkommensmangel) ihren Grund unter anderem in traumatischen Lebenserfahrungen hat, die gerade zu einem schwachen und nicht zu einem starken Selbstvertrauen führen, dann ist eines ganz deutlich. Die davon Betroffenen können sich kaum gegen Zwangshilfe verteidigen, die so massiv auftritt wie heute. Vielmehr werden sie von ihr an die Wand gedrückt. Wie sollen sie unter diesen Bedingungen aus der Situation hinausgelangen?
Mit einem BGE hingegen würden Betroffene respektiert, sie könnten aus der Einkommenssicherheit heraus, die zugleich die eigene Position stärkt, viel eher sich Hilfs-Angeboten (!) öffnen, wobei auch hier nichts beschönigt werden darf. Hilfe anzunehmen setzt ein Minimum an Selbstvertrauen voraus. Sich einzugestehen, dass man Hilfe benötigt und diese anzunehmen, ist nicht einfach; es ist ein Zeichen von Stärke, das dürfte jedem vertraut sein.

Dass es in der evangelischen Kirche auch andere Positionen zum Grundeinkommen gibt, darauf sei eigens noch einmal hingewiesen, siehe hier.

Sascha Liebermann