„Der Mensch als kalter Nützlichkeitsrechner?“…

…ein Beitrag von Sebastian Thieme, der einen Einblick in die Wege der Debatte um den „homo oeconomicus“ gibt.

Dazu könnte aus der Soziologie und Ethnologie noch manches ergänzt werden, vor allem der Gebrauch des Begriffs „Anreiz“ (siehe auch hier) stellt in Debatten nicht selten eine black box dar. Manchmal wird der Begriff zwar benutzt, aber anders eingesetzt, als es auf den ersten Blick scheint. Seine Semantik alleine ist schon irreführend, weil sie eine Außenwirkung suggeriert. Selten wird er differenziert genutzt, wie es einst Walter Edelmann tat. Schon das von ihm benutzte Schaubild ist aufschlussreich, man beachte, wo er den „Anreiz“ verortet:


Deutlich wird hier schon, dass er gar nicht etwas ist, das auf die Person von außen einwirkt, wie es dem meist anzutreffenden Gebrauch entspricht. Schon gar nicht hat er eine Bedeutung, ohne die Neigungen und Fähigkeiten einer Person zu berücksichtigen sowie die Geltung von Normen in einem Gemeinwesen. Um deren Genese zu verstehen, müsste man sich allerdings mit sozialisatorischen Bildungsprozessen beschäftigen.

Sascha Liebermann

Hilfreich für Interessierte und die Diskussion um „Anreize“…

…, dieser lange Twitter-Beitrag von Sebastian Thieme gibt einen Einblick in die Diskussion um verschiedene Annahmen zum homo oeconomicus (in der Soziologie häufiger unter dem Schlagwort „Rational Choice“ oder „rationale Wahl“ thematisiert), die auch für die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen interessant sind. Denn darin tauchen diese Annahmen stets im Zusammenhang mit der Frage danach auf, ob denn nun das „Arbeitsangebot“ (Erwerbstätigkeit) gleichbleibe, ab- oder zunehme. Das Theorem der Armuts- bzw. Arbeitslosigkeitsfalle fußt ebenso darauf und gilt bis heute als ein Kriterium (Lohnabstandsgebot) für die Bestimmung der Regelsatzhöhe. Dem unterliegt, wie Thieme auch schreibt, ein „Anreiz“-Konzept, das in der meist verwendeten Schlichtheit einen erstaunen lassen kann (für eine anspruchsvollere Variante siehe hier, man beachte das Schaubild und die Verortung des „Anreizes“, wodurch das Konzept vollständig umgedreht wird). Diese Vorstellung vom rationalen Akteur ist es, die standardisierten Befragungen unterliegt, die an allen Ecken und Enden erstellt und zitiert werden. Denn Befragungen zielen auf Selbsteinschätzungen, erlauben es nicht, dass Antworten ungeschminkt „in der Sprache des“ Befragten zum Ausdruck kommen. Selbsteinschätzungen können ziemlich weit von dem entfernt sein, wie jemand denkt und handelt, das ist eine Erfahrung aus der Auswertung nicht-standardisierter Interviews. Aussagen sind stets viel reichhaltiger und widersprüchlicher, als Skalenantworten oder vordefinierte Optionen erwarten lassen.

Sascha Liebermann

Die Zukunftsangst einiger Alter Herren

Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, vor corpsstudentischen Alten Herren über das Bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Dabei machte ich Erfahrungen, die einiger Reflexion wert sind; es sei gleich betont, dass mir Teilnehmer der Veranstaltung in Gesprächen bei dieser Reflexion halfen… Es wurde dort deutlich, dass das Lebensalter mit der Einstellung zum Bedingungslosen Grundeinkommen korrelierte: Je älter die Herren waren, desto größer war die Abneigung, sich der Idee zu öffnen. Warum? Offensichtlich lag eine Haltung vor, die in gesteigerter Form in folgender Frage zum Ausdruck kam, die mir einmal bei anderer Gelegenheit entgegengehalten wurde: „Warum sollen meine Kinder es in ihrem Leben besser haben, als ich es in meinem hatte, und von den Entbehrungen, die ich erleiden musste, verschont bleiben?“

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Vermeintliche Gewissheit durch Hochnäsigkeit…

…oder wie soll man die Haltung in diesem Beitrag vom Jahresanfang, der in der Neuen Zürcher Zeitung erchienen ist, sonst verstehen. Götz W. Werner wird darin auf der einen Seite als erfolgreicher Unternehmer vorgestellt, auf der anderen aber mit seinen Aussagen an bestimmten Modellen in den Wirtschaftswissenschaften gemessen, vor denen seine Überlegungen angeblich keinen Bestand haben. Angeblich, denn Reinhard Selten, Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften hat die Untragbarkeit dieses Modells schon länger konstatiert, obwohl er selbst mit ihm früher gearbeitet hatte. Dabei geht er soweit, dass die Modifizierung des Modells im Sinne einer „bounded rationality“ nicht ausreiche, sondern es ganz aufgeben werden müsse, da es nur für einen eng begrenzten Fall brauchbar sei. Umstürzend ist diese Einsicht nicht, zumindest nicht für diejenigen, die fallrekonstruktiv forschen. Interessant aber ist, dass es so offen von jemandem ausgesprochen wird, der lange selbst davon überzeugt war.