Netzrealität und das wirkliche Leben – wie Unterstützer für das bGE gewinnen?

Das Archiv Grundeinkommen hat eine Zuschrift erhalten und zitiert daraus auf seiner Website folgenden Ausschnitt:

„27.7. Aus einer Mail von R.H.:
…Nur mit BGE-Petitionen unterschreiben und „gefällt mir“-Button klicken und BGE-Internetsurfen und BGE-Newsletter abonnieren wird das nichts mit dem BGE! Fast alle regionalen BGE-Initiativen leiden an heftigem Geldmangel und zuwenig aktiven verläßlichen Mitgliedern. 100.000 BGE-Sympatisanten im Internet stehen nur drei handvoll Aktive im realen Leben gegenüber. Es gibt kaum BGE-Interessierte, die Beitrag zahlen oder spenden!…“

R.H. weist hier auf eine Schwierigkeit hin, mit der alle Initiativen, nicht nur die, die das bGE verbreiten möchten, ringen. Auch wir kennen aus eigener Erfahrung die Anstrengungen, derer es bedarf, damit aus guten Absichten und Ideen reale Aktivitäten werden. Ist dies erreicht, dann wird man mit die Erfahrung machen, dass der Zuspruch zu öffentlichen Diskussions- und Vortragsveranstaltungen sehr schwankt. In ländlichen Gegenden kommen manchmal mehr Interessierte als in größeren Städten (relativ zur Bevölkerung). Wenn nur wenige kommen, bedeutet das aber nicht, dass die Mühe umsonst war. Wenn die Wenigen die Idee mit nach Hause nehmen und verbreiten, ist viel erreicht. Nur der Umstand, mehr Zuhörer erreicht zu haben, bedeutet ja nicht, dass diese auch die Idee verbreiten.

In der Tat braucht es auch manchmal Zeit, bis sich ein verlässlicher Kreis aktiver Personen gefunden hat, die dann als Initiative zusammenwirken wollen. Zum einen ist dafür Klarheit in den Zielen, die man erreichen will, unerlässlich. Sonst weiß man nicht, wofür man sich einsetzt oder einsetzen soll. Es muss aber auch die Chemie stimmen, die Aktiven müssen miteinander „können“. Ein solches Zusammenwirken kann besonders schwierig werden, wenn man nicht genügend aufgeschlossen füreinander ist, auch für die Eigenheiten und Schrulligkeiten, die jeder mehr oder minder mit sich herumträgt. Zu große Eitelkeit von Aktiven bedeutet für eine Initiative meist das Ende. Kompromissbereitschaft ist notwendig.

Es bedarf natürlich auch der Offenheit nach außen, der Offenheit den Skeptikern und Kritikern gegenüber. Nur wer mit ihnen sich auseinzusetzen bereit ist, ohne sich über sie zu erheben, wird langfristig etwas bewegen. Wir beobachten seit einiger Zeit Tendenzen unter Grundeinkommensbefürwortern, diese Auseinandersetzung zu vernachlässigen oder gar für nervig und überflüssig zu halten. Das gefährdet das Fortkommen der Diskussion.

Für die Finanzierung von Veranstaltungen gibt es viele Wege:

  • Anfragen an Stiftungen und Kommunen richten, die gezielt öffentliche Veranstaltungen fördern. Allerdings nehmen die Anfragen im allgemeinen zu, so dass auch hier die Mittel knapper werden, die vergeben werden können. Hartnäckigkeit, Transparenz des Vorhabens und persönliche Ansprache sind für Erfolg hilfreich.
  • Privatpersonen, um Spenden ersuchen. Wir haben das mittels Spendenaufruf immer wieder getan, mit unterschiedlichem Erfolg.
  • Räume nutzen, die beinahe kostenfrei überlassen werden. Vereine, Kirchengemeinden und Kommunen sind hierzu oft bereit.
  • Eintrittsgeld nehmen. Veranstalter verzichten oft auf Eintrittsgeld und setzen darauf, dass freiwillig gespendet wird. Das birgt das Risiko, auf den Kosten, die manchmal erheblich sind, sitzen zu bleiben, sofern nicht anderweitig finanzielle Unterstützung erwirkt wird. Wir haben mit Eintrittsgeldern gute Erfahrungen gemacht. Es ist erstaunlich, wie bereitwillig Interessierte Eintritt entrichten, auch wenn sie wenig Geld zur Verfügung haben. Eintritt macht auch transparent, dass Kosten entstanden sind, die gedeckt werden müssen – ein klares Signal an Interessierte. Erlassen von Eintritt oder auch Reduktion sind immer möglich.

Der erste Punkt, den R.H. aufwirft, soll hier der letzte sein. In der Tat wird die Bedeutung des Internets, der virtuellen Unterstützer für ein bGE, überschätzt. Zwar ist das Internet heute ein wichtiges und unerlässliches Instrument, um Informationen zu verbreiten, sich auszutauschen und zu koordinieren. Es kann hilfreich sein, um zu mobilisieren. Doch damit das gelingt, benötigt es Bereitschaft, sich mobilisieren zu lassen. Das Internet ersetzt nicht den Sprung in die reale Auseinandersetzung von Angesicht zu Angesicht – hier muss jeder selbst entscheiden, ob er das kann und will. Diese Auseinandersetzung ist aber durch nichts zu ersetzen.

Macht der Bürger – die Causa zu Guttenberg

Was geschehen kann, wenn die Möglichkeiten des Internets verantwortungsvoll und vernünftig genutzt werden, hat die Causa zu Guttenberg gezeigt. Seine Erklärung zum Rücktritt hat nochmals bestätigt, dass er weder aufrichtig Reue noch Einsicht zeigt. Ohne die Hilfe Freiwilliger bei der Sichtung der Doktorarbeit (Siehe Artikel von Hans Leyendecker, Süddeutsche Zeitung, und Florian Güßgen, Stern) wäre es nicht möglich gewesen, so schnell einen Eindruck darüber zu gewinnen, was an den Plagiatsvorwürfen dran ist. Das Internet ermöglichte eine Transparenz und Koordination, die zuvor undenkbar gewesen ist.

Wie Herr zu Guttenberg überhaupt soweit kommen konnte (siehe auch hier), weshalb er zumindest so beliebt war, dass er bei Straßenumfragen gut abschneidet (so wenig sie auch aussagen mögen), sagt viel über unser Verhältnis zur Politik. Nicht selten erachten wir sie zu unrecht als schmutziges Geschäft, als Tummelplatz für Opportunisten, die sich in die eigene Tasche wirtschaften usw. usf. Der Vorurteile über Politiker sind viele, sie sind zugleich Vorurteile über politisches Handeln als solches. Damit werfen sie ein Licht auf unser Verhältnis zu unserem Gemeinwesen: wir schelten gerne andere, dass sie nichts zum Gemeinwohl beitragen – und machen es uns in dieser Haltung bequem.

Für die Grundeinkommensdiskussion ist die „Plagiatsffäre“ durchaus ermutigend; es zeigt, wie mächtig Bürger sein können, die sich beharrlich und klar artikulieren – und zwar öffentlich, nicht zuhause am Küchentisch. Ohnmacht – ein verbreitetes Gefühl – weicht alsbald, wenn die Möglichkeiten genutzt werden, die heute schon bestehen, um die Idee eines Grundeinkommens zu verbreiten. Dass wir es nicht so schnell einführen werden, wie der Bundesverteidigungsminister zurückgetreten ist, steht außer Frage – die Zukunft ist offen.

Sascha Liebermann