Und noch einmal: Wozu Zeit für Familie?

In der Sendung „Unter den Linden“ (Phoenix) ging es kürzlich um „Armut in Deutschland – Wer hat warum zu wenig?“. Ganz ähnlich wie in der Anhörung im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend des Landtags von Nordrhein-Westfalen ging es darum, was gegen Armut unternommen werden könne. Dabei fiel das Stichwort Kindergrundsicherung, die in der Anhörung ebenfalls eine große Rolle spielte. Ganz wie dort war derselbe Widerspruch auszumachen, dass, wenn über Familie und wie ihnen geholfen werden könnte, Vorschläge unterbreitet wurden, die Familien gerade nicht besonders helfen. Wer, wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (diw), auf den Wunsch von alleinerziehenden Frauen hinweist, mehr als nur Teilzeit erwerbstätig sein zu wollen und damit die Forderung nach einem Ausbau von Kinderbetreuung verbindet, unterstützt vermeintlich diese Familien. Tatsächlich jedoch tut er das Gegenteil, denn mehr Erwerbstätigkeit heißt weniger Zeit für Familie. Gerade wo nur ein Elternteil vorhanden ist, würde deren Zeit für sein Kind bzw. seine Kinder noch mehr reduziert.

Siehe meinen Kommentar zur Anhörung über Kindergrundsicherung, bedingungsloses Grundeinkommen im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

Sascha Liebermann

Alleinerziehende und Armutsrisiko – ewig das alte Lied…

…so könnte man kommentieren, was die stellvertretende SPD-Vorsitzende Carola Reimann im Deutschlandfunk an Lösungen für diese Problematik zu bieten hat. An einer Stelle sagt sie:

„Sie brauchen auch gute Arbeit, Zugang zum Arbeitsmarkt, insbesondere für die Frauen, und eine gute Betreuungs-Infrastruktur für eine gute Vereinbarkeit. Und da, muss man sagen, ist ja in den letzten Jahren sehr, sehr viel gemacht worden, was den Kita-Ausbau angeht, was die Qualität angeht, und das werden wir auch fortsetzen. Im nächsten Jahr wird das Betreuungsgeld komplett in den Kita-Ausbau gegeben und wir werden 450 Millionen für den Kita-Ausbau wieder zur Verfügung haben.“

Nun, sicher, Betreuungsinfrastruktur kann hilfreich sein, aber unter heutigen Vorzeichen führt sie in die Erwerbstätigkeitsfalle, denn nur Erwerbstätigkeit gilt als wirklich wichtig und wird gemeinschaftlich als solches anerkannt. Wer für die Kinder zuhause bleiben will, weil er  es für wichtig erachtet, kann dies zwar tun, doch muss er es sich leisten können, er benötigt dazu also Einkommen. Darüber hinaus ist aber der normative Druck hoch, in Erwerbstätigkeit zurückzukehren, denn heute bestehende Einkommensleistungen wie das Elterngeld belohnen Erwerbstätige. 

Ein BGE würde mit dieser Familienpolitik brechen und Familien wieder ernst nehmen in ihren Aufgaben und Herausforderungen. Es würde nicht nur das Einkommen dafür bereitstellen, es würde die Entscheidung für gleichermaßen wünschenswert erachten wie eine andere. Dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine schönfärbereische und unrealistische Illusion ist, ist seit einiger Zeit stärker zu vernehmen. Siehe auch meine früheren Kommentare dazu z. B. hier und hier.

Sascha Liebermann