„Universal Basic Income“ für Forschungsaktivitäten, eine irreführende Verknüpfung…

…dann besser gleich Klartext: ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das auch Wissenschaft und Kunst helfen würde.

Sascha Liebermann

„Is ‘universal basic income’ a better option than research grants?“…

…diese Frage stellt David Matthews in Times Higher Education. Siehe dazu „Kunst und Wissenschaft – und das bedingungslose Grundeinkommen“ und „Nachwuchsvergessene Hochschulpolitik – und ein bedingungsloses Grundeinkommen“.

Forschungsförderung erfolgt heutzutage immer befristet, meist zwischen 6 Monaten und drei Jahren. Wer keinen unbefristeten Arbeitsvertrag hat, ist im Wissenschafts- und Kunstberieb auf solche Förderungen angewiesen. Sie zu beantragen ist zeitaufwendig, ungewiss, ob man den Zuschlag erhält. Ein BGE könnte hier für eine gewaltige Entlastung sorgen, nicht nur, weil es gegen die Ungewissheiten eine Gewissheit setzt, auf die Verlaß wäre. Es erlaubt auch, die Geschäftigkeit des Wissenschaftsbetriebs zu verlassen, um gleichwohl weiterzuforschen oder sich Forschungsgruppen zu assoziieren. Voraussetzung dafür ist, dass es eine öffentlich zugängliche Infrastruktur gibt, z. B. Bibliotheken. Es gibt Forschungs- und sicher auch Kunstbereiche, in denen aufwendige Materialien oder Instrumente erforderlich sind, dazu kann das BGE wenig beitragen. Aber immerhin: die Existenz absichern. So könnte man sich den Absurditäten des heutigen Wissenschaftssytems durchaus entziehen und zugleich in kleinerem Maße weiterforschen bzw. künstlerisch tätig sein.

Sascha Liebermann

„Unterwegs zum Grundeinkommen“ – zwei Filmemacher horchen auf

Zwei Filmemacher sind auf überraschende Weise auf den Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens aufmerksam geworden und fragen sich, ob es etwas mit ihren Vorstellungen von Kulturschaffen gemeinsam hat. An einer Stelle ihrer Überlegungen heißt es: „Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens kämpft mit Zumutungen einer abstrakten Utopie. Es fehlen die positiven, unmittelbar verständlichen Vorbilder und gelebten Beispiele.“ Nun, gelebte Beispiele kann man insofern nicht erwarten, als es noch kein BGE gibt. Sehr wohl aber lässt sich in heutigen Aktivitäten und ihren Voraussetzungen erkennen, wie ein BGE stärkend und fördernd wirken könnte. Wir haben selbst schon häufiger Überlegungen angestellt, wie sich ein BGE konkret auswirken könnte. Über die Suchfunktion im Blog sind leicht Beispiele zu finden. Eines, das hier besonders nahe liegt, ist die Auswirkung auf Wissenschaft und Kunst.

„Arm aber kreativ. Künstler am Existenzminimum“

Unter diesem Titel berichtete das ZDF-Magazin Aspekte (Sendung vom 11.11.2011) über die Schwierigkeiten, unter denen Künstler heute arbeiten. Wer über Künstler liest oder hört, begegnet darin meist denjenigen, die erfolgreich sind und sich aussuchen können, was sie demnächst tun wollen oder wo sie ein Engagement annehmen. Das gilt jedoch für den größten Teil nicht, der stets zwischen Engagement und Arbeitslosigkeit lebt, froh überhaupt Einkommen zu erzielen und meist nicht in der Lage, Angebote auszuschlagen, ganz wie die im Aspekte-Beitrag interviewten Künstler. Genauso verhält es sich – wenn auch wenig thematisiert – mit Profisportlern, auch Fußballern, und Wissenschaftlern. Wer es, das deutsche Wissenschaftssystem ist hier sehr rigide, nicht auf eine Professur schafft, muss sich meist von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Die Sorgen von Schauspielern sind auch dem Bundesverband deutscher Film- und Fernsehschauspieler bekannt. Einer ihrer Vorsitzenden, Michael Brandner, sympathisiert mit dem Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Was ein solches für das Kulturleben, für Kunst und Wissenschaft bedeuten könnte, haben wir hier aufzuzeigen versucht; besonders für die Universität hier. Siehe auch den Mitschnitt eines Vortrags dazu von Sascha Liebermann.

Kunst und Wissenschaft – und das bedingungslose Grundeinkommen

Die Förderung von Kunst und Wissenschaft gehört zu unserem Selbstverständnis als Gemeinwesen, beide zu fördern, gehört zu unserer Identität. Dies haben wir entsprechend im Grundgesetz zum Ausdruck gebracht.

Kunst und Wissenschaft zu fördern heißt: Neues zu ermöglichen, Neues, das um seiner selbst willen hervorgebracht wird. Ob daraus ein praktischer Nutzen gezogen werden kann, bleibt dabei stets offen. Gestaltete Erkenntnis, sei es sinnliche in der Kunst, sei es begriffliche in der Wissenschaft ermöglicht Verstehen und Erfahrung. Erkenntnis um ihrer selbst willen heißt, Routinen aufzugeben; Selbstverständliches wie Fremdes zu betrachten, nur um zu verstehen, wie es zu dem geworden ist, was es ist, muss in Absehung davon geschehen, wozu es gut sein kann. Erst dann ist es frei davon, in den Dienst eines bestimmten praktischen Zweckes gestellt zu werden. Kunst und Wissenschaft kann es nur geben, wo ihre Erkenntnis und Erfahrung um ihrer selbst willen geachtet und ermöglicht werden.

Da Kunst und Wissenschaft nicht an Verkauf und Absatz orientiert sind, sich also nicht selbst unterhalten können, bedürfen sie einer Alimentierung. Diese Alimentierung eröffnet einen Schonraum das zu tun, was beide auszeichnet. Der heute verschmähte und als Überbleibsel der Vergangenheit gescholtene Elfenbeinturm ist nichts Verdammenswertes, er ist für Wissenschaft unerlässlich – er bildet diesen Schonraum, in dem nach eigenen Regeln methodisch diszipliniert über die Geltung von Hypothesen gestritten werden kann. Das muß keineswegs heißen, dass Probleme der Gegenwart in ihn nicht hereingelassen werden. Sie werden dort aber nicht praktisch gelöst, sondern nur erforscht.

Wie sieht es in unserem Gemeinwesen aus, fördern wir Kunst und Wissenschaft so, wie es angemessen wäre?

Wer heute künstlerisch oder wissenschaftlich tätig sein will, sieht sich vielen Unwägbarkeiten und Hindernissen gegenüber. Verläßliche Einkommen erzielen nur diejenigen Künstler, die eine Dauerstelle an einer Hochschule innehaben, sehr bekannt sind, stetig Engagements erhalten (z.B. bei Ausstellungen, Theater, Oper, Film und Fernsehen) oder ihre Werke aufgrund großer Nachfrage einkömmlich verkaufen können. Das ist eine Minderheit. Andere müssen ihre Werke verkaufen oder einen Nebenberuf ergreifen, wenn sie künstlerisch tätig sein wollen. Wieder andere können froh sein, wenn sie eine Förderung (Stipendien usw.) erhalten, die ihnen den Freiraum gewährt, künstlerische Werke zu schaffen. Die Unsicherheit, ein Einkommen zu erzielen, ist in diesem Beruf besonders groß.

Für Wissenschaftler ist die Lage ähnlich. Nur Dauerstellen an Universitäten, Hochschulen oder Forschungsinstituten erlauben heute eine kontinuierliche, von Modediskussionen und der Wissenschaft äußerlichen Zwecken unabhängige Forschung. Wer eine solche Stelle nicht in Aussicht hat, ist auf befristete Verträge angewiesen, während deren Laufzeit (meist 2-3 Jahre) schon die Finanzierungsmittel für Folgeverträge eingeworben werden müssen. Wer solche Verträge nicht erhält, kann auf befristete Stipendien hoffen, die ihm eine Verschnaufpause im Rattenrennen um die Forschungsfinanzierung verschaffen. Aber, wie soll geforscht werden, wenn kurz nach Projektbeginn schon wieder Mittel eingeworben werden müssen? Ist Muße unter diesen Bedingungen überhaupt möglich oder wird Wissenschaft zu Wissenschaftsmanagement?

Und die anderen? Viele Forscher, heute insbesondere die jungen, die ja bekanntlich unsere Zukunft sein sollen, warten Jahre darauf, falls sie überhaupt einmal auf eine Professur berufen werden – das ist der Gang der Dinge. Eine wissenschaftliche Karriere ist riskant wie kaum eine andere. Einige verlassen die Universitäten und müssen ein Einkommen für ihren Lebensunterhalt außerhalb von Forschung und Lehre erzielen. Nicht einmal Lehraufträge vergüten wir angemessen (30 € pro Semesterwochenstunde, Vor- und Nachbereitung inklusive). An anderen Ländern nehmen wir uns gerade in dieser Frage kein Beispiel, wo wir uns doch sonst nicht scheuen, sie als Vorbild zu nehmen. In der Schweiz z.B. ist die Vergütung für Lehraufträge bis zum Zehnfachen höher als bei uns. Kunst und Wissenschaft, können wir daraus schliessen, sind uns wenig wert, auch wenn Sonntagsreden anderes verkünden.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde auch in diesem Zusammenhang enorme Möglichkeiten schaffen. Sicher, an der inneren Verfasstheit von Wissenschaft und Kunst änderte es nichts, dafür müssen Wissenschaftler und Künstler selbst sorgen. Doch mit einem BGE wären sie zumindest davon entlastet, in Hochschulen streben zu müssen, um ein Einkommen zu erzielen. Sie könnten gar ihre Stellen aufgeben, wenn wie heute – u.a. durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen – die Vernichtung der Wissenschaft betrieben wird.

Gäbe es ein BGE, müßten Universitäten und Kunsthochschulen vielmehr um gute Mitarbeiter werben. Wer heute eine Stelle aufgibt, gibt damit beinahe automatisch auch Forschung und Lehre auf, denn er muß nun auf anderem Wege ein Einkommen erzielen. Mit einem BGE wäre dies anders. Eine Stelle aufzugeben, wie manche Professoren (Frühpensionierung) es heute schon tun, um wieder forschen zu können, wäre einfach. Junge Wissenschaftler müßten sich nicht bieten lassen, was ihnen heute abgefordert wird. Auf der Grundlage eines BGEs könnten sie forschen, Künstler könnten Werke schaffen. Sich mit Kollegen zu assoziieren, ohne in einer Forschungseinrichtung angestellt zu sein, wäre selbstverständlich. Wissenschaftler wie Künstler wären freier, auch Stipendien abzulehnen, die sie zu sehr gängeln.

Ein BGE fördert Vielfalt, Kunst und Wissenschaft könnten auch unabhängig von festen unbefristeten Arbeitsstellen betrieben werden. Zugleich schätzten wir damit Bildung um ihrer selbst willen wert. Mit einem BGE machten wir ernst mit der Freiheit von Forschung und Lehre. Zwar könnte es die Umwandlung von Universitäten und Hochschulen in Lernfabriken, die sich gegenwärtig vollzieht, nicht verhindern, es schüfe aber ein Gegengewicht.

Sascha Liebermann