Kein Gegensatz zwischen „Ja“ und „Ja, aber“…

…und versteckter Paternalismus. Wer unzufrieden ist, muss etwas dagegen unternehmen, wenn er es nicht bleiben will, das ist immer so und unausweichlich. Die Frage ist doch, ob man sich dieser Herausforderung in der Breite stellen kann oder sich ihr vorrangig durch die Orientierung an Erwerbstätigkeit stellen soll. Ein BGE ändert nichts daran, dass Erwerbstätigkeit genauso wichtig ist wie Sorgetätigkeiten in nicht erwerbsförmigen Zusammenhängen. Es ist illusionär beides gegeneinander zu stellen.

Sascha Liebermann

Den „Staat“ gegen die Mündigkeit ausspielen,…

…BGE Eisenach rückt zurecht, was schief ist daran.

Die entscheidende Frage ist doch, worin die Leitplanke besteht, was muss sie leisten können? Der Staat lebt von der Mündigkeit der Bürger, was nicht dasselbe ist wie ihre finanzielle Selbständigkeit.

Welche Anstrengung ist denn gemeint? Man kann sich lange anstrengen, um gute Eltern zu sein, wenn es nicht möglich ist, ohne Einkommen für die Kinder zuhause zu sein, Angehörige zu pflegen oder sich anderswo zu engagieren. Der Vorrang von Erwerbstätigkeit ist der Übergriff.

Sascha Liebermann

Eben, ein Bedingungsloses Grundeinkommen, aber nicht als Ausnahme, sondern als Regel…

…dann entscheiden die Einzelnen darüber, wer ihr BGE oder Anteile davon erhält. Dazu müsste allerdings auf deren praktische Vernunft vertraut werden, dass sie schon damit umzugehen wissen. Angesichts mancher Einwände gegen ein BGE und darüber hinaus, scheint das viel verlangt zu sein.

Sascha Liebermann

Verständlicher Einwand, aber: wir schreiben seit 14 Jahren darüber im Blog von Freiheit statt Vollbeschäftigung

Verlust der Tagesstruktur, weniger Aufsicht, wo soll das nur hinführen…

…müssten sich doch diejenigen fragen, die stets einem Bedingungslosen Grundeinkommen die Sorge entgegenhalten, es führe dazu, dass „Menschen“ dann keine Tagesstruktur durch geregelte Erwerbstätigkeit mehr hätten. Das Phänomen gibt es, aber das ist in jeder Krise der Fall, die entscheidende Frage ist, geht man davon aus, dass in der Regel jemand damit auch umgehen kann? Zeigt die gegenwärtige Lage aber nicht vielmehr, wie pragmatisch mit einem wirklichen Ausfall dieser Tagesstruktur in vielerlei Hinsicht umgegangen wird, wie findig die Bürger sind, wie einfallsreich sie der Lage begegnen? Sicher, wer würde bestreiten wollen, dass es angesichts der plötzlichen Herausforderungen der Alltag vieler durcheinandergeworfen wird, doch eines scheint bei alldem deutlich: Es gibt keinen Grund, die Fähigkeiten zur Bewältigung solcher Herausforderungen zu unterschätzen. Auf einmal sind Dinge möglich, die vorher angeblich unmöglich waren.

Sascha Liebermann

Sanktionen oder Befähigung oder einfach: vom mündigen Bürger ausgehen?

So nachvollziehbar und naheliegend Saskia Eskens Haltung zu Sanktionen ist, so sehr ist doch die Vorstellung, „Menschen“ müssten motiviert oder befähigt werden – was ja immer heißt: von anderen – nicht Lösung, sondern Teil des Problems. Befähigung ist mehr als Unterstützung, denn letztere setzt Eigenaktivität voraus, erstere nicht. Mangelt es wirklich an Motivation oder sind es nicht eher unangemessene Erwartungen, die an jemanden herangetragen werden, die es dann so erscheinen lassen, als mangele es an Motivation? Oder ist diese Erwartung gerade der Grund für Resignation? Wer unter Traumatisierungen leidet, bedarf ebenso wenig der Motivation, sondern einer angemessenen Unterstützung gemäß seiner Möglichkeiten. Das erfordert eine andere Haltung, es muss vom Einzelnen ausgegangen werden, nicht von Erwartungen anderer.

Sascha Liebermann

„Nieder mit dem Zwang zur Arbeit!“ – beschränkter Blick und Opferhaltung…

…das kommt in Franz Schuhs Rezension des bei Suhrkamp erschienenen Bandes zum Bedingungslosen Grundeinkommen, der von Birger P. Priddat und Philip Kovce herausgegeben wurde, zum Ausdruck. Deutlich wird das in der abschließenden Passage:

„Werden die Bedürftigen jemals irgendetwas Bedingungsloses haben? Unwahrscheinlich, dass die Staaten- und die Wirtschaftslenker (deren Arbeit ihnen Freude macht) auf den eingebürgerten Sadismus verzichten, mit dem man die Massen der Erwerbsarbeiter – durch die Angst vor der Arbeitslosigkeit – so gut in Schach halten kann.“

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In wessen Namen wird Sozialpolitik gemacht? Politische Souveränität als Ideologie?

Letzteres zumindest erkennt Michael Opielka in meinem Hinweis darauf, wer Legitimationsquelle politischer Entscheidungen ist und verwechselt diese Legitimationsquelle mit den praktischen Rechtsfolgen von Entscheidungen. Träger politischer Rechte im umfassenden Sinne sind in einer Demokratie nur die Staatsbürger. Sozialpolitik wird in deren Namen gemacht und muss sich vor ihnen rechtfertigen, gleichwohl muss sie Lösungen anbieten, die möglichst breit wirken können. Dass Sozialpolitik selbstverständlich Folgen für alle hat, die sich im Territorialgebiet des Staates aufhalten, der diese zu verantworten hat, ist etwas gänzlich anderes.

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„Zweifel an diesem idealisierten Menschenbild“ – oder der Preis der Demokratie

Baukje Dobberstein hat jüngst einen Beitrag in ihrem Blog veröffentlicht, der zum Ausgangspunkt die Frage aufwirft, ob nicht in der Grundeinkommensdiskussion, hier auch in Bezugnahme auf Äußerungen von mir, ein „idealisiertes Menschenbild“ entworfen werde. Im Grunde teilt sie die Idealisierung, doch gleichermaßen hat sie Zweifel daran. Sie schreibt zu Beginn:

„Die Idee des Grundeinkommens geht vom mündigen Bürger aus. Wer das nicht teilt, müsste konsequenterweise auch die Demokratie in Frage stellen. Nicht nur Sascha Liebermann macht solche Aussagen. Und es ist ja auch eine Menge Wahres daran. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre wie Aufklärung 2.0, ein emanzipatorischer Schritt, ein Stück Befreiung aus der Knechtschaft der Arbeitgeber.

Doch ich habe auch immer wieder Zweifel an diesem idealisierten Menschenbild. Es kommt mir naiv und verklärt vor angesichts der realen Geschehnisse in unserem Land und auf der ganzen Welt.“

Idealisiert, „naiv und verklärt“? Wer meine Ausführungen zur Demokratie kennt, weiß, dass ich nicht „das Gute“ im Menschen feiere oder für ein „positives Menschenbild“ plädiere. Meine Schlussfolgerungen habe ich ganz anders gewonnen. Dazu gehört auf der einen Seite ein Blick auf unser politisches Ordnungsgefüge, bei dem es sich gar nicht um eine Theorie oder eine philosophische Idee, sondern um reale Lebensverhältnisse handelt. Art. 20 (2) GG geht nicht von einem idealisierten Staatsbürger aus, der erst menschheitsgeschichtlich zu erreichen wäre, er wird schlicht als Tatsache vorausgesetzt, auf den sich die Volkssouveränität gründet. Nun kann man dem GG natürlich vorwerfen, dass genau darin die Idealisierung bestehe und die Wirklichkeit gar nicht so sei. Aber die Idealisierung ist ja gerade die Wirklichkeit in diesem Falle, wirkmächtig, zum Anfassen, auf die wir uns immer beziehen können und müssen, wenn wir in unserer Demokratie etwas in ihrem Geiste erreichen wollen. Das heißt nun nicht „Friede, Freude, Eierkuchen“, alles sei gut, nein, Demokratie ist ein stetiges Ringen miteinander, ein Ringen um Ausgleich, es gibt keine Ur-Harmonie die wiedergewonnen oder ein für allemal erreicht werden könnte.

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