…“dass der Staat Menschen wie mir jeden Monat Geld schenkt“ – es macht gerade den „Staat“ in unserer Form aus, dass er „schenkt“

Sabine Bendiek, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, äußerte sich in einem Interview mit Business Insider in dieser Hinsicht. Die vollständige Passage lautet:

BI: „Das klingt nicht gerade nach einem Patentrezept gegen die zunehmende soziale Ungleichheit. Kann das bedingungslose Grundeinkommen eine Antwort sein?“
Bendiek: „Ich persönlich tue mich schwer mit der Vorstellung, dass der Staat Menschen wie mir jeden Monat Geld schenkt. Ich würde es nicht als gerecht empfinden, weil ich nicht darauf angewiesen wäre.“

Bendiek denkt hier ganz in der Logik von Bedürftigkeit und spricht damit aus, was unsere Konstruktion von Sozialstaat dominiert. Doch zugleich – siehe das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts (siehe jüngst dazu den Kommentar von Roland Rosenow) – kennt dieser Sozialstaat ein unverfügbares Existenzminimum, aus dem Grundgesetz leitet sich nicht ab, es antasten zu müssen, lediglich es zu können. Dem entspricht der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer, der Frau Bendiek genau deswegen „geschenkt“ wird. Schon erstaunlich, dass eine solche klare Stellungnahme erfolgt, ohne zu realisieren, was ihr alles geschenkt wird im Sinne einer Leistung ohne direkte Gegenleistungsverpflichtung (politische Ordnung, Rechtssicherheit, Bildungswesen, Infrastruktur – und nicht zu vergessen das Existenzminimum). Steuern sind ja keine Gegenleistung, sie sind eine Ermöglichungspauschale. Das Schenken im Sinn einer Anerkennung des Gegenübers um seiner selbst willen zeichnet eine solche Gemeinschaft aus. In einem Unternehmen ist das anders, da wird nichts „geschenkt“, das scheint vielen unklar.

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Voraussetzungen des Staates, die er selbst nicht garantieren kann…

…das ist der Gegenstand des sogenannten Böckenförde-Diktums. Es geht auf Ausführungen des Verfassungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde zurück, der sich in einem mittlerweile berühmten Aufsatz mit der Frage befasste, wie sich das Verhältnis des Staates zu den Voraussetzungen seines Existierens darstellt. Im Wortlaut heißt es:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat. Die verordnete Staatsideologie ebenso wie die Wiederbelebung aristotelischer Polis-Tradition oder die Proklamierung eines „objektiven Wertsystems“ heben gerade jene Entzweiung auf, aus der sich die staatliche Freiheit konstituiert. Es führt kein Weg über die Schwelle von 1789 zurück, ohne den Staat als Ordnung der Freiheit zu zerstören.“ (Böckenförde, Ernst- Wolfgang (1976): Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Böckenförde, Ernst Wolfgang: Staat, Gesellschaft, Freiheit, Frankfurt: Suhrkamp, S. 60)

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„Du bist uns als Mensch wichtig nicht nur als Arbeitskraft“

Dieses Wahlplakat trifft eine wichtige Aussage, dass nämlich der Mensch (als Bürger) um seiner selbst und um des Gemeinwesens willen im Zentrum stehen sollte – und nicht die Erwerbstätigen (siehe hier und hier). Der deutsche Sozialstaat ist jedoch einer, in dessen Zentrum Erwerbstätigkeit steht, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ein BGE erst würde das ändern können.