Das Sozialgericht und die „Anreize“

Es ist doch überraschend, wie simpel und krude hier offenbar das Gericht argumentiert. Das entspricht der undifferenzierten Rede von „Anreizen“, die sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgebreitet hat und die mittlerweile zur Alltagssprache gehört. Würden die Beweggründe für Entscheidungen etwas differenzierter betrachtet, wäre klar, dass man mit diesem Begriff dem realen Leben nicht beikommt.

Siehe auch die Behauptungen rund um die sogenannte Armutsfalle.

Sascha Liebermann

„…geht es bei der Höhe der Regelbedarfe um das, was von Staats wegen als „soziokulturelles Existenzminimum“ definiert wird…“

…so Stefan Sell in einem Beitrag zu den Bürgergeld-Vorschlägen des Bundesarbeitsministers und der Diskussion dazu.

Wie bei vielen Diskussionen zu dieser Frage soll hier der Hinweis nicht fehlen, wie sehr ein Bedingungsloses Grundeinkommen sowohl die Frage nach dem soziokulturellen Existenzminimum anders beantworten würde als alle bedürftigkeitsorientierten Vorschläge als auch die Anrechungsproblematik in die Vergangenheit verbannte.

Es stellt sich also immer die Frage, was will man erreichen. Dazu müsste man sich der differenzierten BGE-Debatte öffnen, statt sie mit Scheingefechten abzuwehren, wie jüngst die vorsorgliche Abwehr des Bürgergelds damit zu begründen, es sei ja schon der Weg zum BGE.

Sascha Liebermann

Ist denn mit einem höheren Regelsatz das Grundproblem gelöst? An Stigmatisierung ändert das gar nichts

Es ist wohlfeil, die Würde des Menschen hochzuhalten, ohne die Gründe der Stigmatisierung zu beseitigen. Wer das ernsthaft will, muss einen Schritt weiter gehen, damit die Existenzsicherung den Grundfesten der Demokratie entspricht. Im Grundgesetz ist von Erwerbsgebot keine Rede.

Sascha Liebermann

Das Lohnabstandsgebot, das Lohnabstandsgebot – wie wichtig ist das tatsächlich?

Wenn auch meist als Selbstverständlichkeit betrachtet, so stellt sich die Frage, ob denn das vielbeschworene Lohnabstandsgebot tatsächlich die Bedeutung hat, die ihm zugeschrieben wird. Sein Geschwister ist die sogenannte Armuts- bzw. Arbeitslosigkeitsfalle, auch sie wird für ein großes Problem gehalten, wie diese Passage aus einem Interview mit Peter Weiß (Sozialpolitiker der CDU) im Deutschlandfunk erkennen lässt:

„Das haben wir jetzt gerade zum 1. Januar neu gemacht und wenn wir uns daran nicht halten, glaube ich, würden wir für eine große Verunsicherung sorgen, zumal dieses System ja aus Steuern finanziert werden muss. Das heißt, ich muss auch immer gucken, dass ich einen gewissen Lohnabstand halte zu denjenigen, die arbeiten gehen können und mit ihrem Geld die Steuern bezahlen, aus denen das System bezahlt wird. Einfach so mal über den Daumen gepeilt kann man nicht die Regelsätze erhöhen.“

Es gibt eine hohe Transferentzugsrate im Leistungsgefüge, das ist richtig. Sie wird meist damit kritisiert, dass sich Arbeit „lohnen“ müsse, sonst sei sie nicht attraktiv.

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„SPD-Linke wollen 600 Euro Regelsatz“ – sicher eine Erleichterung, aber kein Abschied von Hartz IV

Alina Leimbach schreibt in der taz über das Bündnis, das eine Erhöhung des Regelsatzes in der Grundsicherung fordert sowie den Druck, den diese Forderung auf die SPD ausübe. Zweifelsohne wäre eine solche Erhöhung eine Verbesserung der Einkommensseite derer, die Grundsicherung beziehen. Der Geist von Hartz IV hängt jedoch nicht alleine und gar nicht vor allem an der Höhe des Regelsatzes, sondern am Ziel der Grundsicherung und den zu seiner Erreichung bereitgestellten Instrumenten. Eine Erhöhung des Regelsatzes wie eine Einschränkung der Sanktionsmöglichkeiten wäre nur eine Verbesserung innerhalb des Hartz IV-Geistes, nicht aber ein Abschied davon.

Sascha Liebermann