„Wirtschaft für Grundeinkommen“ – eine neue Website mit Stellungnahmen

Hier geht es zur Website, auf der Unternehmensgründer, Vorstände und Geschäftsführer zum Bedingungslosen Grundeinkommen Stellung beziehen. Dort findet sich auch der Hinweis auf einen Kongress am 4. Mai in Zürich: Social Policy 4.0 (Kongressbroschüre).

Auf der Website wird von einem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ gesprochen und es entsprechend der gegenwärtigen Diskussion erläutert, in der meist die Bedingungslosigkeit im Zentrum steht und ein BGE von kompensatorischen Leistungen unterschieden. In der Kongressbroschüre hingegen ist vom „Universal Basic Income“ die Rede, ein Begriff, der weniger klar belegt ist. Ein Universal Basic Income muss nicht bedingungslos gewährt werden. Auf S. 5 findet sich dann dieser Absatz:

„The idea of „universal basic income“ (UBI) has been embraced by prominent economists and philosophers from the left and right (Friedrich Hayek, Robert Nozick, Milton Friedman, Robort Solow, Herbert Simon, Thomas Piketty). It currently experiences a worldwide revival: At this years World Economic Forum in Davos along with the discourse about the “4th Industrial Revolution”, a UBI was proposed as a promising concept in the context of upcoming disruption of traditional labour markets (e.g. Brynjolfsson MIT).“

Nimmt man den Begriff Universal Basic Income in einem weiten Sinne, dann ist der Passus zutreffend. Dann können auch die entsprechenden Personen als Befürworter oder Vordenker genannt werden. Wenn jedoch die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens und seine dauerhafte, individuelle und von jeglichem Einkommen unabhängige Gewährung im Zentrum steht, gilt das nicht gleichermaßen. Hayek und Friedman (siehe auch hier) waren keine Befürworter eines BGE. Brynjolffson spricht in diesem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung zwar davon, dass die Schweiz ein „mögliches Modell für die Zukunft“ sein könne und bringt dies in Zusammenhang mit der Abstimmung über ein Bedingungsloses Grundeinkommen. In dem Absatz zuvor jedoch spricht er von der Negativen Einkommensteuer, was wiederum kein BGE wäre. Er sagt wörtlich:

NZZ: Woran denken Sie?
Brynjolfsson: Lassen Sie uns zuerst die Bildung neu erfinden. Wir müssen den Menschen nicht nur Fakten beibringen, denn Maschinen lernen diese sehr gut auswendig, sondern sie lehren, wie sie kreativ sein und ihre sozialen Kompetenzen, Teamarbeit, Führung, Pflege, Überzeugungsarbeit verbessern können…“

Diese Debatte ist nun wahrlich nicht neu und das Bildungswesen wohl im deutschsprachigen Raum war mehr als eines, das „Fakten“ vermittelt hat. Es ist ja eher eine Tendenz des letzten Jahrzehnts, dass dies wieder zunimmt. Womöglich hat Brynjolfsson die USA vor Augen, dann wäre es gut das zu sagen.

Er fährt fort:

„…Zweitens müssen wir den Unternehmergeist fördern, indem wir es einfacher machen, neue Firmen zu gründen, die neue Güter, Dienstleistungen und Arbeitsplätze schaffen. Es gibt zu viel Stagnation, sowohl in Europa als auch in den USA. Das hindert Unternehmer daran, Technologie zu nutzen, um die Wirtschaft neu zu beleben…“

Ja, aber wie fördert man Unternehmergeist? Diese Aussage ist so allgemein, dass sicher jeder sie begrüßen würde.

Für das BGE wird es nun interessant:

„…Drittens müssen wir unsere Steuerpolitik überdenken. Dinge wie eine negative Einkommenssteuer könnten helfen, die Rückschläge für die Verlierer der Automatisierung abzufedern. Mit Steuern auf Umweltverschmutzung und Verkehrsstaus könnten wir einen Teil refinanzieren.“

„Negative Einkommensteuer“ (NES), „Verlierer“ – damit weist er in eine bestimmte Argumentationsrichtung. „Verlierer“ können nur diejenigen sein, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie brauchen dann eine Absicherung. Das wäre dann eine Absicherung für Arbeitslose, die im Grunde nicht als dauerhafte konzipiert werden kann, denn Arbeitslose können wieder in Erwerbsarbeit gelangen. Oder meint er damit Arbeitslose, die dauerhaft nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurückgelangen werden? Wie würde man das feststellen? Auf jeden Fall geht es nur um die „Verlierer“ und es wird nur bezogen auf Erwerbsarbeit argumentiert. Die „Negative Einkommensteuer“ funktioniert genau wie ein solcher Ausgleich, zumindest in der Beschreibung von Milton Friedman. Wer unterhalb einer zu definierenden Einkommensgrenze mit seinem Einkommen bleibt, erhält einen Ausgleich über die NES. Wer darüberbleibt nicht. Das BGE jedoch ist ganz anders gedacht. Es soll immer verfügbar sein, unabhängig vom verfügbaren Individualeinkommen. Damit ist es keine ausgleichende oder kompensatorische Leistung. Was sagt Brynjolfsson noch:

„Ist ein Land wie die Schweiz gut darauf vorbereitet? 
Es ist eines der weltweit am besten vorbereiteten Länder. Es ist schon sehr wohlhabend, hat eine sehr gut ausgebildete Bevölkerung und eine gute, starke Demokratie. Die Schweiz hat bereits einige innovative Ideen wie das bedingungslose Grundeinkommen ins Auge gefasst, das in den nächsten 10 bis 20 Jahren erforderlich sein könnte, um die Folgen der Automatisierung abzufedern…“

Wiederum geht es darum, Folgen der Automatisierung aufzufangen. Den obigen Ausführungen gemäß geht es um die Folgen für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Wenn er hier von BGE spricht, ist also kein BGE drin, sondern eine NES, wie er sie zuvor selbst eingeführt hat. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das BGE würde die Folgen der Automatisierung in einem anderen Licht erscheinen lassen, wenn wir es schon hätten. Wir würden über sie ganz anders diskutieren, gelassener, entspannter. Es ist aber viel mehr als nur ein Instrument, um Folgen abzufedern.

„…Das Land könnte sich dieses neue Modell leisten, weil es reich und produktiv ist und Technologie effektiv nutzt. Ich sehe die Schweiz als ein mögliches Modell für die Zukunft…“

Das klingt etwas befremdlich, denn ein Modell ist etwas Allgemeines, ein Land hingegen mit seinen historisch-kulturellen Eigenheiten ist etwas Besonderes. Sie sind gewachsen, durch ein Entscheidungen gestaltet worden. Ein Land kann insofern nicht Modell für ein anderes sein, man muss sich nur anschauen, wie stark sich die westlichen Demokratien bezogen auf ihre politische Kultur unterscheiden. Selbst die Gestaltung sozialstaatlicher Leistungen ist nicht aus einem Modell herzuleiten, sondern entsprechend einer politischen Kultur, einem politischen Selbstverständnis gestaltet.

Abgesehen davon, dass Brynjolfsson offenbar weniger ein BGE und mehr eine NES im Auge hat, hinterlassen seine Ausführungen den Eindruck, als könne das Was und Wie des Zusammenlebens in einem Gemeinwesen von einem Modell abgeleitet werden, so wie eine Maschine entworfen, geplant und realisiert werden kann. Das Leben ist aber keine Maschine.

Sascha Liebermann