„560 Euro, einfach so“ – Was Finnland vorhat…

…darüber berichtet ein Beitrag in der Die Zeit von Zacharias Zacharakis. Der Beitrag schließt mit dieser Bemerkung:

„Das Experiment zum Grundeinkommen ist nun die erste Initiative dieses neuen Politikansatzes. Fachleute sind sich einig, dass sich ein Grundeinkommen nicht von heute auf morgen einführen lässt, sondern nur schrittweise. Zum Beispiel zunächst für Kinder und Auszubildende, dann für Arbeitlose und Rentner, später für Alleinerziehende und andere Bedürftige und so weiter. Finnland macht jetzt einfach mal den ersten Schritt.“

Jeder Gesetzgebung, die auch im Falle der Einführung eines Grundeinkommens notwendig wäre, geht eine Diskussion über genau dieses Gesetz voraus – das gehört zu den Verfahren in einer Demokratie. Das Szenario einer Einführung von heute auf morgen ist von daher ohnehin weltfremd, ein Pappkamerad, zu dem eine Gegenposition zu beziehen ein Heimspiel ist, aber keine besondere Einsicht. Das heißt aber nicht, dass ein BGE „schrittweise“ eingeführt werden müsste, wie der Autor meint, und wie es in jüngerer Zeit öfter zu hören ist. Wir haben in Deutschland z. B. einen Grundfreibetrag in der Einkommensteuer, wir haben Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe – beide gehen darauf zurück, das Existenzminimum zu sichern. Beide können also problemlos in ein BGE umgestaltet werden, um genau dieselbe Aufgabe zu erfüllen. Weshalb eine gruppenspezifische Einführung naheliegender sein sollte als eine Umgestaltung, erschließt sich nicht aus dem Beitrag. Dass die schrittweise Einführung womöglich der Umgestaltung der heutigen Leistungen in eine Ausschüttung als BGE vorgezogen würde, wäre politischer Wille, nicht aber in der Verfasstheit unseres Gemeinwesens begründet.

Sascha Liebermann

„Arbeit diszipliniert, aber sie gibt dem Leben auch Sinn und Struktur.“…

… so schreibt Roman Köster in seiner Ökonomiekolumne in Heft 808 der Zeitschrift „Merkur“, die er der „Technologischen Arbeitslosigkeit“ widmet. Damit kehrt er am Ende seines Aufsatzes zu der altvertrauten Begründung der zentralen Rolle der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft zurück. Das Bevormundende dieser Begründung scheint er aber nicht zu sehen. Zuvor hatte er als Wirtschaftshistoriker die Debatten um die durch technischen Fortschritt erzeugte – besser wohl: mit verursachte – Arbeitslosigkeit nüchtern Revue passieren lassen und aufgezeigt, dass in früheren Jahrzehnten einerseits Arbeit durch Maschinen ausgeführt und damit als lebendige Arbeit überflüssig wurde und mit ihr ganze Berufe verschwanden: „Knopfmacher, Schleifer, Schwertfeger oder Zinngießer braucht es nicht mehr, weil die entsprechenden Produkte heute industriell, in großen Serien und – im Vergleich zum Ausstoß – von viel weniger Menschen hergestellt werden.“ (S. 81); dass andererseits „den verlorenen alten Arbeitsplätzen bislang auf Dauer stets mehr neugeschaffene Arbeitsplätze gegenüberstanden.“ (S. 82) Die Hoffnung aber, die noch Jean Fourastier hatte: „Die von der Industrie freigesetzten Arbeiter fänden also problemlos in Dienstleistungsberufen Unterschlupf.“ (S. 84), hat sich, wie wir wissen und wie auch Köster darlegt, nicht erfüllt: „Hier hat insbesondere die Durchsetzung der Computertechnik seit den 1970er Jahren zu einer durchgreifenden Rationalisierung geführt, und vieles deutet mittlerweile darauf hin, dass diese Entwicklung sich noch einmal deutlich intensivieren könnte.“ (ebd.) Dass also mit dem technologischen Fortschritt stets neue Arbeitsplätze entstehen, bezweifelt auch Köster – so verweist er etwa auf eine 2014 veröffentlichte Studie „die zu dem Ergebnis kam, nahezu die Hälfte aller Arbeitsplätze in den USA unterliege einem hochgradigen Automatisierungsrisiko.“ (S. 86) – und er stellt ausdrücklich klar: „Denn selbst wenn verlorene Arbeitsplätze durch neue ersetzt werden, sind es nur selten dieselben Menschen, die die neuen Jobs dann auch ausüben.“ (S. 83) Weil er aber die eingangs zitierte Wertschätzung der Arbeit als pädagogisches Instrument zugrundelegt, verkennt Köster, dass die „technologische Arbeitslosigkeit“ ja in Wirklichkeit eine durch technischen Fortschritt ermöglichte Befreiung von überflüssiger Arbeit darstellt. Und darüber hinaus sieht er nicht den Widerspruch zwischen der Arbeit als pädagogischem Instrument und der Arbeit als Quelle von Anerkennung, was er verräterisch so formuliert: „Arbeit […] verschafft auch Anerkennung.“ (S. 87) Quelle von Anerkennung kann Arbeit nämlich nur sein, wenn sie nicht Mittel dazu ist, sondern wenn man sich in ihr als in der Bewältigung einer ernsthaften Aufgabe bewährt. Das aber geht nur, wenn es sich nicht um überflüssige Arbeit handelt, die geradeso gut, ja meist besser, von Maschinen erledigt werden könnte. Die Beantwortung der Frage, die er am Schluss seines Aufsatzes stellt: „Worüber sollte auch sonst gesellschaftliche Reputation begründet werden? Über die Anzahl der Kinder oder den künstlerischen Erfolg?“ (S. 87) könnte Köster getrost den Bürgern seines Gemeinwesens überlassen, wenn sie denn durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen, auf das Köster als Aufhänger seiner Darlegungen verweist (S. 81), in die Lage versetzt wären, auf Einkommen aus überflüssiger Arbeit zu verzichten und ihre aus ihrem eigenen Leben sich speisende Kreativität zu entfalten. Mit dieser Perspektive wird auch klar, dass Köster, wenn er von Arbeitsplätzen redet, nicht Arbeitsplätze meint, sondern einerseits Einkommensplätze und andererseits Arbeitsplacebos: Plätze, an denen ich mich so fühlen soll, als leiste ich etwas, damit ich mich anerkannt und reputiert fühlen kann – so geht es Kindern, die man beim „Mensch ärger Dich nicht“-Spiel gewinnen lässt…

Thomas Loer

„Basic Income: Arguments, evidence, prospects“…

…ein Briefing des European Parliamentary Research Service, eine zum Europäischen Parlament gehörige Forschungsabteilung und Denkfabrik, die für das Parlament und seine Mitglieder unabhängige Expertise bereitstellt.

Die Expertise ist ein wenig unscharf, wenn es um „Basic Income“ geht. Zwar wird auf der einen Seite eine Defintion von Philippe Van Parijs herangezogen und auf das Adjektiv „unconditional“ hingewiesen. Zugleich jedoch wird auch Anthony Atkinson zitiert, der kein Bedingungsloses Grundeinkommen befürwortet, sondern ein „Participation Income“.

„Wir dürfen nicht in Angststarre verfallen“…

…ein Interview mit Bundesministerin Andrea Nahles über Digitalisierung, gute Arbeit und das Bedingungslose Grundeinkommen. Mehrfach wird sie auf ihre ablehnende Haltung zum BGE angesprochen. Da die Interviewerin es jedoch nur in Verbindung mit den Folgen der Digitalisierung einführt, reagiert entsprechend Andrea Nahles damit, die Entwicklung anders einzuschätzen. Diese Entgegnungen stehen auf schwachen Füßen, die Engführung von BGE und Digitalisierung aber ebenso, wenn immer auf Studien hingewiesen wird, die eine dramatische Entwicklung erwarten lassen. Das BGE bedarf dieser Verknüpfung nicht, um relevant zu sein, gleichwohl wären wir damit gut vorbereitet, welche Auswirkungen die Digitalisierung auch immer haben wird.

Sascha Liebermann

„Neue Partei will bedingungsloses Grundeinkommen“…

…meldet die Süddeutsche Zeitung und berichtet über das „Bündnis Grundeinkommen“, das am kommenden Sonntag eine monothematische Partei gründen will. In der Print-Fassung lautet der Titel des Beitrags anders: „Es geht nur ums Geld“. Das ist eine ziemliche Verkürzung, wenn nicht gar Irreführung. Siehe auch diesen Beitrag zum Thema.

„Der Mensch wird nicht überflüssig. Er wird arbeitslos“…

…ein interessantes Gespräch mit dem Investor Albert Wenger und eine Frage, die auf einen schlecht informierten Interviewer schließen lässt.

Dominik Wichmann fragt an einer Stelle:

„Herr Wenger, Sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Wie Sie sicher wissen, existiert hier eine linke politische Partei, „DIE LINKE“ genannt. Seit vielen Jahren ist ihr wichtigstes Postulat ein Grundeinkommen für alle. Das Ziel ist eine umfassende Ausweitung des Sozialsystems, um gemeinschaftliche Gehälter zu decken. In welchem Sinn stimmt Ihre Theorie über die Zukunft der Arbeit und einem generellen Grundeinkommen mit den Beweggründen der deutschen Linkspartei überein? Denn Sie selbst sind nicht linksorientiert, oder etwa doch?“

Will Wichmann das BGE in eine parteipolitische Ecke stellen? Nicht „Die Linke“ setzt sich für ein BGE ein, sondern innerhalb der Partei gibt es Mitglieder, die das tun, organisiert in Arbeitsgemeinschaften wie der BAG Grundeinkommen.

Treffend ist Wengers Bemerkung, dass der Mensch nicht überflüssig werde, angesichts der vor einigen Jahren in der sozialwissenschaftlichen Diskussion üblichen Rede von den „Überflüssigen“, ohne dass diese Differenzierung vorgenommen worden wäre. Interessierten an dieser Diskusson sei dieser Artikel dazu empfohlen.

Sascha Liebermann