„Arbeit! Eine Agenda für die Fleißigen“ – wieder einmal Arbeitsplätze statt Leistung!

Karlheinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich Naumann Stiftung, fordert in einem Beitrag auf ihrer Website „eine Agenda für die Fleißigen“ – da fehlt beinahe nur noch der „Vorrang für die Anständigen“. Paqués Forderung klingt nach alt bekannten Slogans wie „Arbeit hat Vorfahrt“ oder „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Er stellt sich damit ganz in die Tradition früherer FDP-Kampagnen, was auch daran deutlich wird, dass er es begrüßt, wenn die FDP nun die „hart arbeitende[n] Mitte der Gesellschaft in den Vordergrund“ rücke, die „Arbeiter und Bauern – und nicht [die] üblichen Randgruppen von Flüchtlingen bis zu Langzeitarbeitslosen“. Die Abgrenzung verwundert, der letzte Bundestagswahlkampf scheint vergessen, in dem auch für die SPD die „hart arbeitenden Menschen“ – man fragt sich immer, was denn mit den anderen ist – im Zentrum standen. Überhaupt werden die Sanktionen im Arbeitslosengeld ja genau mit Bezug darauf begründet. Weshalb, so würde es doch für eine liberale Partei eher nahelegen, fordert der Autor denn nicht, von der Fixierung auf Arbeitsplätze Abschied zu nehmen und stattdessen die Steigerung der Wertschöpfung ins Auge zu fassen? Echtes Leistungsdenken wäre dann gefragt, denn Arbeitsplätze und Wertschöpfung hängen gar nicht miteinander zusammen – über unbezahlte Arbeit sprechen wir hier noch gar nicht, die im Beitrag von Paqué nicht auftaucht, sie ist wohl vernachlässigenswert in seinen Augen.

Leistung, so könnte man einen ebenso alten Slogan variieren, muss sich nicht wieder lohnen, sie muss überhaupt ernst genommen werden – Arbeitsplatz und Leistung sind nicht dasselbe. Paqué schreibt dann:

„In einer historischen Phase, die einmalig gute Chancen bietet, das Schicksal der fleißigen Mittelschicht politisch und wirtschaftlich zu verbessern, wenden sich alle Parteien der moderaten politischen Linken von ihr ab. Ganz anders die Liberalen: Sie sind seit Jahren die erste Partei, die den Mut hat, die wirtschaftliche Diskussion im Land wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, d. h. von den Randgruppen zur Mitte. Die Zeit ist optimal dafür, denn seit der Wiedervereinigung gab es niemals so viel Platz für beruflichen Aufstieg und neue Arbeitsplätze. Und die Chancen werden in den kommenden Jahren aufgrund der demographischen Entwicklung am Arbeitsmarkt noch viel besser.“

Hier wird die Zahl der Erwerbstätigen mit der des Arbeitsvolumens (besonders des Arbeitsvolumens pro Kopf) verwechselt, außerdem fällt das Ausmaß an Teilzeit unter den Erwerbstätigen unter den Tisch.

Die nachstehenden Forderungen unterscheiden sich dann im Grunde nicht von anderen Parteien:

„Allerdings bedarf es dafür auch moderner Weichenstellungen, die den Prozess erleichtern: Weiterbildung am Arbeitsplatz, Qualifikation außerhalb des Unternehmens, Zuwanderung von Fachkräften, mehr Unterstützung zu erhöhter Erwerbsbeteiligung von Frauen, bessere Möglichkeiten des Zuverdiensts bei Hartz IV etc. etc. Kurzum: alles, was zu besserer Arbeit motiviert und mobilisiert.“

Heute mag diesbezüglich manches im Argen liegen, doch im Vergleich zu den anderen Parteien ist nicht zu erkennen, was daran innovativ wäre. Außerdem gilt für die anderen Parteien Ähnliches wie für die Forderungen Paqués: Arbeitsplätze sind offenbar wichtiger als Leistung. Und bezeichnend ist wieder die Verdrehung der Perspektive, als sei es tatsächlich so, dass die Anrechnungsregelungen bei Hartz IV, die in der Tat grotesk sind, der entscheidende Grund dafür seien, eine Arbeitsstelle nicht anzunehmen, dafür gibt es viele andere Gründe (siehe auch hier), die nichts mit mangelnder Motivation zu tun haben. Sprechen wir doch aus, was eine noch stärkere „Mobilisierung“ des Erwerbspotentials – hier bei Frauen, aber insgesamt für das Familienleben – bedeutet: mehr Ganztagsbetreuung, noch weniger Zeit für Familie und das Leben jenseits des Erwerbslebens. Eine Verarmung an Solidarerfahrungen geht damit einher.

Und zum Schluss soll hier nicht fehlen, worauf der Tweet oben Bezug nimmt, dass Paqué es eben nur um Meinungen zu gehen scheint, nicht um Argumente (obwohl ich dachte, genau das sei Gegenstand seines Beitrags). Ganz im Sinne der paternalistischen Fürsorge meint er, Menschen könnten zum Stillhalten verdammt werden durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Abgesehen davon, dass ein BGE kein Stillhalten verordnet, das ist eine bewusste Verdrehung, wie Michael Sienhold (Thread zum Tweet zurecht betont), scheint es mit dem liberalen Denken hier ganz vorbei zu sehen, wenn liberal heißen würde, von der Eigeninitiative des Menschen in jeder Hinsicht auszugehen. Dann müsste ohnehin anders angesetzt werden, und zwar dort, wo das Mündigkeitsprinzip der Demokratie ansetzt, ganz einfach davon auszugehen und ausgehen zu müssen, dass die Menschen ihr Leben soweit es vernünftig und realistisch ist, in die eigenen Hände zu nehmen. Das zeichnet die Demokratie aus, aber die kommt ja auch nicht vor.

Sascha Liebermann