„Drei Viertel der 18- bis 64-Jährigen leben von ihrer eigenen Erwerbstätigkeit“ – ein verbreitetes Missverständnis,…

…als hieße das, sie sorgten selbst für ihr Einkommen. Doch diese Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes entspricht einem verbreiteten Missverständnis, in dem sich eine Überhöhung von Selbständigkeit zeigt. Denn Einkommen ist nur die andere Seite der Inanspruchnahme einer Leistung, Einkommen kann es nur geben, wenn auf der anderen Seite jemand diese Leistung – worin immer sie bestehen mag – in Anspruch nimmt. Diese Vereinseitigung trifft man noch dort an, wo institutionelle Akte etabliert sind, z. B. wenn es um die Verleihung akademischer Grade geht. So kann man immer wieder in Lebensläufen auch von Wissenschaftlern lesen, dass sie sich dort und dort „promoviert haben“. Dann bräuchte es das ganze Verfahren nicht mehr, wenn die Kandidaten sich schon selbst die Grade verleihen könnten.

Die Pressemitteilung bringt gut zum Ausdruck, weshalb sich viele mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen schwer tun, weil sie fest davon überzeugt sind, dass das, was sie sind, sie aus eigenen Kräften geworden sind. So unrealistisch das ist, so lange hält sich diese Vorstellung, dabei ist für jeden erfahrbar, wie sehr wir immer in Bezugnahmen auf andere leben, in Abhängigkeit von ihnen. Was für Leistungserstellung und -verbrauch gilt, gilt ebenso für die Existenz eines Gemeinwesens, denn es bedarf der Loyalität seiner Bürger, damit es sich erhalten kann – was nichts anderes heißt, dass jeder von allen abhängig ist. So erklären sich Rechte und Pflichten in einem Gemeinwesen, wiewohl ein demokratisches Gemeinwesen die Übernahme von Pflichten nicht erzwingen kann, ohne seine Grundfesten zu zerstören (Böckenförde-Diktum). Es gilt, das leuchtet vielen noch am ehesten ein, ebenso für Familie, wobei es auch dort deutliche Tendenzen gibt, familiale Beziehungen als Aggregation von Einzelwesen zu betrachten oder gar Beziehungsgefüge so zu betrachten, als könnten sie jederzeit verlassen oder aufgegeben werden, ohne dass diese Folgen hätte. Nicht von ungefähr wird auch in diesem Zusammenhang zunehmen von „Wahlmöglichkeiten“ gesprochen und stets nur die eine Seite betont.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist nun deswegen so interessant, weil es diese Abhängigkeitsverhältnisse als Grundlage von Freiheit so deutlich und unmittelbar erfahrbar macht. Es signalisiert mit seiner kontinuierlichen Bereitstellungen, dass es keine Existenzsicherung ohne die anderen geben kann. So lange wir aber meinen, man „verdiene“ Geld „mit der eigenen Hände Arbeit“ oder ähnlichen Maximen, so lange leben wir an den beschriebenen Verhältnissen vorbei.

Sascha Liebermann