„Grundeinkommen tut gut“ – doch das Experiment war nicht freiwillig…

…wie Dietmar Pieper in seinem Beitrag auf Spiegel Online über die Resultate des finnischen Experimentes, das bekanntermaßen mit einem allgemeine Bedingungslosen Grundeinkommen nichts zu tun hat, zu Beginn suggeriert. Eine Missverständlichkeit findet sich gleich zu Beginn des Beitrags, wenn über eine Probandin des Experimentes berichtet wird, die an der Lotterie habe teilnehmen dürfen und das Glück hatte, ein Grundeinkommen zu erhalten. Im finnischen Endbericht hingegen wird ziemlich deutlich beschrieben, dass die Teilnahme gerade nicht freiwillig, sondern verpflichtend war:

„Participation in the experiment was not voluntary, which means that it is possible to draw more reliable conclusions of the effects of the experiment than is the case in other experiments which are based on voluntary participation.“

Im Bericht wird das als Vorteil dargestellt, doch wenn die Einbettung beachtet wird, lässt sich das zurecht anders deuten, denn ausgewählt wurde nur unter Beziehern von Arbeitslosengeld. Auch das könnte im übrigen die Ergebnisse ungünstig beeinflusst haben, statt ein Vorteil zu sein. Genauso verzerrend kann es allerdings sein, wenn man sich um die Teilnahme bewerben kann, weil dann die Gefahr besteht, vorwiegend sympathisierende Personen im Sample zu haben. Aufgefangen werden könnte das dann, wenn eine sorgsame Analyse ihres Handelns und der Deutungen ihrer Lebenssituation zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt würde. Gemeinhin geschieht das indes nur auf der Basis standardisierter Messungen, die das konkrete Handeln in seinem Zusammenhang jedoch nicht zu rekonstruieren erlauben (siehe hier). Interessant ist dann der Schlusspassus des Beitrags:

„Dass nur wenige Teilnehmer des finnischen Sozialexperiments bereit sind, öffentlich über ihre Erfahrungen zu sprechen, wundert sie darum nicht. Sie selbst hat sich zu Beginn des Programms über Kommentare in den Sozialen Medien geärgert, in denen die Bezieher des Grundeinkommens als „faule Leute“ diffamiert wurden. „Dem halte ich entgegen: Du kannst hart arbeiten und trotzdem plötzlich ohne Job dastehen.“

Die wenigen Interviews, die in verschiedenen Dokumentationen zumindest in Ausschnitten veröffentlicht wurden, vermittelten einen guten Eindruck darüber, weshalb Probanden die Möglichkeiten dieses Grundeinkommens nutzten. Sie wussten mehr oder weniger genau, was sie wollten bzw. nicht wollten.

Sascha Liebermann