Wichtige Fragen, gute Antworten von Barbara Prainsack – wenige Anmerkungen

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In diesem Gespräch werden häufige Einwände gegen ein BGE thematisiert, die von Barbara Prainsack treffend pariert werden. Sie beantwortet sie – wie eingangs gesagt wird – auf Basis des Modells von BGE, das sie vertritt. Wenige Anmerkungen habe ich dazu.

Gleich zu Beginn favorisiert sie eine gestaffelte Höhe des BGE, weshalb, wird nicht erläutert. In der Diskussion wird häufig die Staffelung mit der Finanzierungsfrage verbunden, die Staffelung verringert den Finanzierungsaufwand. Bedacht werden an dieser Stelle drei Dinge nicht: 1) Ein BGE soll die Person um ihrer selbst willen anerkennen, weshalb also die Staffelung, die zu einer Ungleichbehandlung führt? 2) Alleinerziehende werden durch ein gestaffeltes BGE schlechter gestellt, obwohl sie häufig den Alltag alleine schultern müssen. 3) Die volle Betragshöhe in z. B. einem Vierpersonenhaushalt, auf die der Interviewer verweist, würde nur für eine bestimmte Zeitspanne relevant sein – solange nämlich, wie die Kinder zuhause leben.

Mit ihrem Auszug zieht das BGE mit, damit verringert sich das Haushaltseinkommen der Eltern wieder. An mehreren Stellen verweist Prainsack auf die Ergebnisse aus Feldstudien, obwohl sie durchscheinen lässt, dass es sich dabei nicht um dieselbe Situation handelt, die mit einem allgemein eingeführten BGE herrschen würde. Ich würde aufgrund der methodischen Beschränkungen dieser Feldexperimente auf diese Befunde nicht rekurrieren, weil sie nicht vergleichbar sind mit der allgemeinen Einführung.

Für die Höhe wird der Zweck der Existenzsicherung benannt, Prainsack versteht ein BGE als Menschenrecht. Das ist eine verbreitete Bezugnahme und Begründung, doch die Menschenrechte als solche sind ein Abstraktum und werden erst dadurch wirksam, dass sich eine politische Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft an sie bindet. Keineswegs gelten sie international als Selbstverständlichkeit, darüber kann auch die Unterzeichnung der Deklaration nicht hinwegtäuschen.

Auf die Frage, ob denn nicht doch die Gefahr bestehe, dass – der Interviewer spitzt bewusst zu – die Aufenthaltszeit vor dem Flachbildfernseher drastisch zunehme, verweist Prainsack wieder auf die Studien. Hier hätte grundsätzlicher angesetzt werden können, denn die Frage des Interviewers gräbt am Fundament der Demokratie, wenn sie die Bezugsberechtigung an Wohlverhalten bindet. Der Bürger muss parieren, so könnte man diese Frage umschreiben. Das widerspricht den Grundfesten von Demokratien (siehe auch hier), die auf die Selbstbestimmung setzen und in sie vertrauen. Wer also die Aufenthaltszeit vor welchem Bildschirm auch immer mit dem BGE verlängern will, könnte das tun, es gäbe keine Handhabe dagegen – und es darf sie auch nicht geben (solange z. B. andere nicht gefährdet sind, Stichwort Schutz des Kindeswohls).

Zuletzt sei noch der Einwand genannt, ein BGE könne als Herdprämie wirken. Prainsack findet, diese Sorge sei nicht von der Hand zu weisen, es überwiegen in ihren Augen jedoch die Vorteile eines BGE. Hier gilt, was oben schon für den Flachbildschirm galt, es liegt in den Händen des Einzelnen, was er mit dem BGE anstellt. Gerade bei diesem Einwand hier allerdings, darf doch nicht der Stellenwert von Erwerbstätigkeit heute übersehen werden, die normative Kraft des Erwerbsgebotes galt für Männer ungleich länger als für Frauen, so daß sich diese Asymmetrien weiter fortsetzen. Mit einem BGE würde jedoch gerade diese normative Stellung von Erwerbstätigkeit aufgehoben, damit veränderte sich die Basis, auf der sich die Asymmetrie entwickelt hat. Außerdem – wie Michael Sienhold jüngst schrieb – ist ein BGE gar keine Prämie, es verlangt keine Gegenleistung, es ist also allenfalls eine Prämie für’s Dasein, nicht aber für ein Streben irgendwo hin und sei es an den Herd. Mit einem BGE würde erst der Boden bereitet, damit die heute sträflich vernachlässigten, degradierten Haushaltstätigkeiten erst die Stellung erhalten, die ihnen gebührt: unersetzlich und unerlässlich zu sein. Ein Paar z. B. könnte sich ganz anders fragen, wie es dazu steht als heute (siehe hier).

Sascha Liebermann