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Category: Heinrich Alt
(Deutsch) Noch ein Grundeinkommensbefürworter wider Willen? Gerhard Schröder zu Hartz IV
(Deutsch) Über lasche Sanktionen und Bürger, die “brav” zur Arbeit gehen – Heinrich Alt zum Grundeinkommen
(Deutsch) “Die hohe Kunst des Meinungsstreits”…
(Deutsch) Nürnberger Gespräche: Bedingungsloses Grundeinkommen im Widerstreit
(Deutsch) “Bedingungsloses Grundeinkommen – Nonsens oder Notwendigkeit?”…
“Horrorvision? Lächerlich”…
…einige Leserbriefe zum Beitrag von Heinrich Alt “Das Grundeinkommen verstößt gegen die Menschenwürde” in der Süddeutschen Zeitung.
“Wir trauen Menschen nicht zu, …
…mit einem pauschalierten Regelsatz verantwortungsvoll umzugehen. Wir setzen es aber selbstverständlich und zu Recht voraus, sobald sie eine Arbeit haben. Eigenverantwortung stärken lautet der gesetzliche Auftrag, nicht portionierte Fürsorge.”, so Heinrich Alt, der nun in Rente gehende Vorstand der sogenannten Bundesagentur für Arbeit in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. Juni 2015. Er plädiert dafür, die vielen Einzelfall- und Einzelantragsentscheidungen (“Duschgeld”!), die mittlerweile in die Hartz IV-Vergabe Einzug gehalten haben, zurückzufahren und den Empfängern zuzutrauen, verantwortlich mit dem Sozialtransfer umzugehen. Aber so ganz konsequent ist er dabei nicht, will er doch weiter vorschreiben: “Die Menschen sollen sich darauf konzentrieren, wie sie in eine existenzsichernde Arbeit kommen”. Wenn er die Verantwortungsübernahme durch die Bürger ernstnehmen würde, könnte er weder von “Kunden” sprechen, noch etwa die Formulierung wählen, dass “der Arbeitsmarkt derzeit sehr aufnahmefähig ist.” Denn weder können die Bürger, die auf Zahlungen angewiesen sind, wie Kunden auf einem Markt wählen, ob sie eine Ware erwerben (etwa eine “Maßnahme” annehmen) wollen oder nicht, noch können sie über den Verkauf ihrer Arbeitskraft ernsthaft verhandeln, dient doch die auf dem sogenannten Arbeitsmarkt angebotene Arbeitsstelle der Existenzsicherung und nicht der Produktivität – wie die norwegische Literaturnobelpreisträgerin Sigrid Undset schon 1908 in ihrer Erzählung “Den lykkelige alder” schrieb: “Bürosklaven! Wir alle haben eine Arbeit, von der wir leben müssen – wir können nicht für sie leben.” – Was also wäre konsequent? Nun, den Bürger als Bürger ernstzunehmen, seine Existenz mit einem BGE bedingungslos und in einem kulturell angemessenen Umfang zu sichern und es ihm zuzutrauen und zuzumuten, mit seinem Leben etwas anzufangen – ob es nun ein “für die Arbeit leben” ist oder nicht – wobei also das “etwas” eben nicht vorgeschrieben würde, sondern Moment der Verantwortung wäre, Moment der Verantwortung, die Herr Alt doch offensichtlich selbstverständlich und zu Recht wertschätzt.
Thomas Loer
“Ich bin dafür, den Menschen das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden…”
…so Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 15. Dezember, Seite 18. Darin äußert er sich positiv über den Mindestlohn und ablehnend zum Bedingungslosen Grundeinkommen.
Der Interviewer fragt, nachdem Alt darüber gesprochen hat, dass die Hälfte der “Personalressourcen” in die Leistungsberechnung des Arbeitslosengeldes fließen:
“SZ: Wäre es daher nicht sinnvoll, dieses ganze System abzuschaffen und den Menschen einfach ein bedingungsloses Grundeinkommen zu gewähren?
ALT: Das ist eine faszinierende Idee. Aber wir würden den Menschen damit eine falsche Botschaft vermitteln. Im Kern heißt das doch: Wir brauchen euch nicht, aber wir lassen euch auch nicht verhungern. Das halte ich für einen zutiefst inhumanen Gedanken. Ich bin dafür, den Menschen das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden. Es gibt kein anstrengungsloses Glück. Bundespräsident Gauck hat zu Recht gesagt: Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten.”
Wenn Alt beklagt, dass BGE sende die Botschaft “Wir brauchen euch nicht”, könnte mit Fug und Recht genau das Gegenteil über das BGE gesagt werden: Wir stellen als Gemeinwesen ein BGE bereit, weil wir uns um unserer selbst und das Gemeinwesen um seiner selbst willen anerkennen. Das von Alt konstruierte “Wir” und “Ihr” lässt sich nicht auseinanderdividieren, da das “Wir” zugleich das “Ihr” beinhaltet. Gerade durch ein BGE würden diejenigen, die heute durch die Sozialgesetzgebung unter Druck gesetzt (siehe frühere Äußerungen von Heinrich Alt hier und hier) und an den Rand gedrängt werden, in die Mitte aufgenommen. Statt dieser Befreiung vom Paternalismus hält Alt diesen Paternalismus hoch, wenn er “Menschen das Gefühl” geben will, gebraucht zu werden. Statt einer solchen pädagogischen Vereinnahmung, die dann doch nur ein “Gefühl” vermittelt, würde ein BGE reale Möglichkeiten schaffen, das eigene Leben zu leben und nicht eines, das andere für richtig halten. Zuletzt darf der Hinweis nicht fehlen, dass es kein “anstrengungsloses Glück” geben könne – wozu der Hinweis? Ist vielleicht die Sanktionspraxis nach dem Sozialgesetzbuch eine ganz brauchbare Knute, um das “Gefühl” zu vermitteln, unter welchen Bedingungen jemand und wofür “gebraucht” wird?
Sascha Liebermann