„Die Lüge von der Leistungsgesellschaft“ und eine schwache Bemerkung zum Bedingungslosen Grundeinkommen…

…dazu äußerte sich in der Wirtschaftswoche Dieter Schnaas mit interessanten Überlegungen zur Nicht-Meßbarkeit von Leistung und ihre Entstehung aus dem Individuum vor- bzw. übergeordneten Zusammenhängen. All die Verve gegen ein individualistisch verkürztes, auf vermeintliche Meßbarkeit orientiertes Leistungsverständnis tendiert indes dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Zwar ist es richtig, dass das Individuum kein isolierter Heroe ist, zugleich ist es jedoch auch der individuelle Impuls, die Beharrlichkeit und Unbeirrtheit, durch die Neues in die Welt kommt. Beides ist also richtig, die Dialektik zu verstehen ist unerlässlich.

Max Weber, der im Beitrag kritisiert wird, war es, der, bei aller Heraushebung der Bedeutung des Individuums für die Entstehung von Neuem, deutlich darüber schrieb, dass Anstrengung, Disziplin und Beharrlichkeit nur eine Seite dessen sind. Die andere ist es, dass man den guten Einfall, die gute Idee, kommen lassen können müsse, über sie verfügt man nicht, sie kommen wie eine Gabe zu einem (Max Weber, Wissenschaft als Beruf). Und es war auch Weber, der mit seinen Untersuchungen zur protestantischen Ethik aufzeigte, wie sehr das Individuum seine Stellung durch ihm vor- bzw. übergeordnete Weltdeutungen erhält.

In einer Passage des Beitrags Dieter Schnaas‘ taucht dann etwas unvermittelt das Bedingungslose Grundeinkommen auf:

„Wir erleben den Umschlag von einer Leistungs- in eine Besitzgesellschaft, in der das Wachstum der Lohneinkommen hinter dem Wachstum der Kapitaleinkünfte und Mieterträge zurückbleibt (Thomas Piketty) – erleben die „Entmarktlichung“ der leistungslos Vermögenden einerseits und die „Vermarktlichung“ breiter Bevölkerungsschichten andererseits, so der Soziologe Sighard Neckel: Jene sind allen Zwängen der Leistungserbringung enthoben. Diese zur Leistungskonkurrenz verdammt. Es sei denn, sie ließen sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen ruhigstellen und digital bewirtschaften, so wie es etwa Facebook-Chef Mark Zuckerberg vorschwebt.“
Der Soziologie Sighard Neckel, so er denn hier richtig zitiert wird, schließt sich demzufolge dem „Stilllegungs“-Klub an, der davon ausgeht, Bürger würden sich abschieben lassen, ohne es zu wollen. Woran das wohl liegt? Leistung jenseits von Erwerbsarbeit scheint unvorstellbar, dabei ist es doch gerade ein Fortschritt, wenn weniger menschliche Arbeitskraft für die Wertschöpfung im Bereich Güter- und Dienstleistungen notwendig ist.

„Dass Leistung auch ganz anders verstanden werden kann, nicht als aggregierte Zahl und Wert an sich, sondern als soziales Vermögen, als etwas, dass man einem anderen, der Familie, dem Freund, dem Staat oder der Gesellschaft gönnt, gibt und schuldet, das weiß jeder, der schon mal bei Adalbert Stifter oder Thomas Mann vorbeigelesen hat. Man kann diese Form der Leistung heute als Förmlichkeit gesellschaftlicher Pflichterfüllung abtun. Oder aber als ein modernes System der Gegenleistungen begreifen.“

Die Literatur braucht man für diese Einsicht nicht zu bemühen, ein Blick auf die eigenen Erfahrungen und den Alltag würde dasselbe freigeben. Was Schnaas wohl mit dem „modernen System der Gegenleistungen“ meint? Würde er es mit Sanktionsinstrumenten verbunden sehen, mittels dessen gegen säumige Beiträge vorgegangen werden könnte? Dabei wäre ein BGE genau die Basis, um den vielfältigen Leistungsformen gerecht zu worden, ohne sie zu vermarktlichen, denn ein BGE ist kein Lohn, sondern eine Ermöglichungspauschale.

Sascha Liebermann