Sagt das nun etwas über ein BGE oder über manche Diskussionen darüber?

Seit über ein Bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert wird, schallt ihm der Vorwurf entgegen, es solle die Lösung für alle Probleme sein und sei deswegen unrealistisch oder gar naiv. Obwohl seit Jahren Befürworter hervorheben, dass es kein Allheilmittel ist, in etlichen Abhandlungen dies ausgeführt wird, erfreut sich dennoch dieser Vorwurf großer Beliebtheit. Selbst wenn es Befürworter gibt, die die Hoffnung auf eine einfache Lösung haben, hat das mit der Idee eines BGE nichts zu tun, die Hoffnung bezeugt nur den Wunsch nach einer einfachen Lösung. Selbst wenn mit einem BGE der gesamte Sozialstaat ersetzt werden soll, solche Befürworter gibt es, folgt dies nicht aus einem BGE, sofern man sich an den etablierten Kriterien orientiert, z. B. des Basic Income Earth Networks oder des Netzwerks Grundeinkommen. Folgt man der Systematik, die die Kriterien miteinander verbindet, ergeben sich Schlussfolgerungen, die naheliegen und andere, die abwegig sind und der Systematik entgegenstehen. Dass man einem BGE alles Mögliche anhängen kann, ist nicht ungewöhnlich, die Geschichte manchen Vorschlags kann dafür Pate stehen.

Manche Vereinfachung in der öffentlichen Diskussion, die viel breiter ist, als die Berichterstattung meist erkennen lässt, geht auch auf diese selbst zurück. Als die jüngere deutsche Diskussion ihren Aufschwung nahm, etwa um 2004, war es die journalistische Berichterstattung, die sich auf wenige „prominente“ Befürworter kaprizierte, die immer wieder als Beispiele herangezogen wurden: Götz W. Werner, Thomas Straubhaar und Katja Kipping. Je nach tagespolitischer Gemengelage kamen welche hinzu, z. B. die Piratenpartei, und verschwanden wieder. Die Berichterstattung folgte in mancher Hinsicht demselben Geheul wie bei anderen Fragen, an Vereinseitigungen fehlte es nicht.

Wenn manchen es sonderbar vorkommt, dass ein BGE auf Begeisterung stößt, die in Verklärung umschlagen kann, liegt das womöglich weniger an der Verklärung als an dem Ansatzpunkt, durch den es sich auszeichnet. Ein Blick auf Lösungsvorschläge der vergangenen Jahre ist hierfür hilfreich: Altersarmut von Frauen soll durch höhere Erwerbstätigkeit vermieden werden; Emanzipation wird an Erwerbstätigkeit  festgemacht; Selbstbestimmung wird im Verhältnis zu Erwerbstätigkeit betrachtet; Bildung soll die Chancen auf Erwerbstätigkeit verbessern; Integration in die Gemeinschaft soll durch Erwerbstätigkeit geleistet werden usw. Wundert es da, dass eine Idee, die an der Würde der Person um ihrer selbst willen und um des Gemeinwesens selbst willen ansetzt, auf Begeisterung – wie auch vehemente Ablehnung stößt? Vorschläge wie eine Erhöhung des Mindestlohns, die Vermögenssteuer und andere Überlegungen zur Verbesserung der Einnahmeseite des Gemeinwesens reichen nicht so weit wie ein BGE. Die Einförmigkeit, in der in den letzten Jahrzehnten Fragen mit den ewig gleichen Antworten quittiert wurden, ist doch selbst der Grund dafür, dass ein Vorschlag, der anders ansetzt, zuerst einmal den Blick weitet. Er weitet ihn aber nicht in ein Wolkenkuckucksheim, sondern zu den Grundfesten der Demokratie. Von daher gesehen ist ein BGE gar nicht ungewöhnlich, es ist eher banal; ungewöhnlich ist eher die Irritation, die es auslöst, als sei es nicht schon heute so, dass das Gemeinwesen auf die Bereitschaft der Bürger angewiesen ist, es tragen zu wollen – sonst geht gar nichts.

Man kann wenig tragfähige Begründungen für ein BGE angeben, z. B. die Digitalisierung, das „Ende der Arbeit“ oder den Systemwechsel, den es brauche – das ändert jedoch alles nichts an der Systematik, die einem BGE innewohnt (siehe oben). Schwache Begründungen oder gar Behauptungen hebeln den Vorschlag als solches nicht aus, fördern nur nicht zutage, was er ermöglichen könnte. Das wäre den schwachen Begründungen und der Einfallslosigkeit anzulasten, nicht aber einem BGE.

Sascha Liebermann

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