Jutta Allmendinger zum Bedingungslosen Grundeinkommen bei Jung & Naiv

Die relativ kurze Passage in dem langen Gespräch ab 1:23:30 gibt doch einen ganz guten Einblick darein, wie Jutta Allmendinger über das BGE denkt. Als sei die Diskussion nicht ziemlich differenziert mittlerweile, fordert sie auf Thilo Jungs Frage hin zuerst einmal eine Antwort darauf, welches BGE er denn meine. Systematisch betrachtet gibt es gar nicht so viele und der Kern ist bei allen ziemlich gleich. Abweichungen gibt es vor allem in der Betragshöhe und dahingehend, welche sozialstaatlichen Leistungen es ersetzen soll. Auch diese Spanne ist allerdings schnell benannt, hängt dann letztlich von praktischen Bewertungen ab.

Schnell indes merkt man, wie dann nicht mehr systematisch, sondern sozialpolitisch wertend argumentiert wird – und Thilo Jung weist auf manche Widersprüchlichkeit hin. Wenn denn nun Erwerbsarbeit so wichtig sei, dann ändere ein BGE gar nichts daran, dass die Menschen werden erwerbstätig sein wollen – sagt er ihr. Dem hat Frau Allmendinger nichts entgegenzusetzen, außer der Sorge, ein BGE führe zur Individualisierung  und nicht zur Vergesellschaftung, das habe man ja in der Pandemie gesehen, wenn die Bürger mehr zuhause arbeiten. Ähnlich wie Axel Honneth (siehe auch hier) kann sie sich also nicht vorstellen, dass es eine Gemeinwohlbindung gibt, die gar nicht über Erwerbsbeteiligung vermittelt, sondern davon unabhängig ist. Diese Deutung hat ihren Grund darin, Sozialintegration nur durch Erwerbsintegration denken zu können, obwohl letztere mit ersterer nur wenig zu tun hat. Sozialintegration erfolgt bezogen auf die Person in ihrer Stellung im Gemeinwesen, und das macht die Demokratie modern, über den Status der Zugehörigkeit, also darüber, Träger der politischen Ordnung als Staatsbürger zu sein. Erwerbsintegration ist eine nur begrenzte, auf Leistung und Funktion hin bezogene, die zugleich die Person vollständig austauschbar macht, das genau macht die Erwerbsarbeit modern, der Einzelne ist eben dort nur Aufgabenbewältiger (siehe auch hier).

In der Tat wissen wir nicht, was die Menschen mit einem BGE machen werden, weshalb aber sollten wir davon ausgehen, dass das, was ihnen heute wichtig erscheint, ihnen dann nicht mehr wichtig erschiene? Würden sie allenfalls die Gewichtungen verschieben, den Zeitpunkt, was sie wann machen? Es ist aber doch unwahrscheinlich, nur einer Geldleistung wegen das gesamte Leben umzukrempeln.

Sascha Liebermann