„Balsam für den sozialen Frieden“…

…so titelt der Deutschlandfunk in einem Beitrag von Alois Berger über das Bedingungslose Grundeinkommen. Wieder einmal geht es vor allem um das BGE und Erwerbsarbeit, eine bedauerliche Verengung, aber immerhin ein recht ausführlicher Beitrag. Er macht allerdings auch deutlich, zu welch schiefen Diskussionen es kommen kann, wenn BGE und Erwerbstätigkeit in ein Bedingungsverhältnis gestellt werden, das erstere aus dem Mangel an letzterem hergeleitet wird. Andere Leistungsbeiträge fallen wie gewöhnlich unter den Tisch, so war es auch bei eine Veranstaltung der CDU in Wiesloch, an der ich vor kurzem teilgenommen habe. Trotz ausführlichen Hinweises im Eröffnungsvortrag von Götz W. Werner, dass wir von vielfältigen Leistungsformen leben und nicht nur von standardisierten Gütern und Dienstleistungen, wurden Hinwendung zum Menschen in Erziehung und Pflege in Privathaushalten keines Blickes gewürdigt.

Birger Priddat, Professor an der Universität Witten-Herdecke, wird folgendermaßen zitiert:

„Das bedingungslose Grundeinkommen ist ja so formuliert, dass der Staat in seiner Organisation kleiner wird. Und das wäre ja etwas, was man ja auch will: Entbürokratisierung. Dieser Effekt würde tatsächlich eintreten, übrigens mit hoher Arbeitslosigkeit im öffentlichen Raum. Das muss man erst einmal mitdenken. Aber wenn man das Grundeinkommen will, dann denkt man ja, die Arbeitslosigkeit wird ja durch das Grundeinkommen kompensiert, dadurch, dass die Leute Geld kriegen, aber keine Arbeit mehr. Ob wir das aushalten? Gerade in Deutschland, einem Workaholic-Land? Wir sind ja sozial auf Arbeit trainiert. Der Sinn des Lebens besteht ja wesentlich für breite Schichten darin, zu arbeiten.“

Würde Priddat denn die vermutete „Arbeitslosigkeit“, die er hier anspricht, etwa deswegen vermeiden wollen, damit „wir“ das nicht aushalten müssen? Wäre das nicht so etwas wie Beschäftigungstherapie im großen Stil ohne sachlichen Grund, nur der Sozialtherapie wegen? Ein sonderbarer Vorbehalt, denn dieser müsste ja schon heute für größere Entlassungsvorgänge ebenso gelten. Außerdem ist es eine gewagte Annahme zu meinen, mit den Freiräumen, die ein BGE schüfe, könnten „wir“ nicht umgehen, worauf der Einwand ja hinausläuft. Ob das der Fall wäre, sollte doch den Bürger überlassen werden. Wenn sie den Eindruck hätten, damit nicht umgehen zu können, würden sie eben für Beschäftigungstherapie plädieren. Nun, dann wäre das eben so, aber auf Basis eines BGE könnten diejenigen, die eine solche nicht wollen, etwas Sinnvolles anstellen.

Und wenn der Sinn „für breite Schichten“ darin bestünde, zu arbeiten, dann würde entweder ein BGE gar nicht erst eingeführt oder es würde darüber nachgedacht, ob unser Arbeitsbegriff unseren Lebensrealitäten entspricht.

Auch Anke Hassel, Direktorin des WSI der Hans-Böckler-Stiftung, wird zitiert:

„Das ist das süße Gift, also die Wahl, vor die sie gestellt werden: Die unmittelbare Gratifikation jetzt über ein bedingungsloses Grundeinkommen, oder eine langfristige Investition in Bildung. Und da befürchte ich einfach, dass es einen erheblichen Teil von jungen Menschen gibt, die dann sagen, na ja, der eine Weg ist doch einfacher als der andere.“

Da ich diese Haltung ausführlich kommentiert habe an anderer Stelle, verweise ich der Abkürzung halber darauf, siehe hier.

Ein Sozialarbeiter wird mit der Äußerung zitiert, dass Arbeit, also wohl Erwerbsarbeit, für die Integration von Migranten „in die Gesellschaft“ unerlässlich sei. Deswegen, so kann der Leser schließen, sei ein BGE nicht der richtige Weg. Ist denn die Einschätzung zutreffend bezüglich der integrativen Bedeutung von Erwerbsarbeit? Erwerbsarbeit zeichnet sich ja gerade dadurch aus, Personen nur daran zu beurteilen, ob die mit einer Stelle verbundenen Aufgaben bewältigen können oder nicht. Sie werden also nicht als Menschen um ihrer selbst willen angestellt, sondern als Leistungserbringer. Erbringen sie diese Leistung nicht, dienen sie dem Zweck eines Unternehmens nicht und werden entlassen. Das ist für diesen Zusammenhang notwendig und gerade das Moderne am heutigen Erwerbsleben. Wie kann auf diese Weise eine Person integriert werden, wenn sie nicht um ihrer selbst willen zählt? Die Illusion, dass diese der Fall sei, ist so lange aufrechtzuerhalten, solange Erwerbslosigkeit die Ausnahme oder ein Randphänomen bleibt. Der tatsächliche Zusammenhang wird aber bloß verschleiert. Tatsächliche Integration einer Person als ganzer, um ihrer selbst und um eines Gemeinwesens willen, kann nur durch Aufnahme in ein Gemeinwesen erreicht werden, also durch Einbürgerung oder zumindest eine Würdigung, die die Person nicht am Leistungsbeitrag misst. Genau das kann ein BGE leisten, dazu muss aber die hier eingeführte Differenzierung vorgenommen werden, um das Problem abzustecken, vor dem wir stehen. Die Verklärung von Erwerbstätigkeit hilft da nicht weiter.

Kurz darauf wird derselbe Sozialarbeiter hiermit zitiert:

„Für viele ist es jetzt auch schon, gerade mit der Grundversorgung über Hartz IV oder Kindergeld, ja, ist die Motivation sehr gering zu arbeiten. Ich glaube, wenn da noch ein Grundeinkommen dazukommt, ich glaube, dann würde das eher hinderlich sein als förderlich.“

Naja, das ist nun ein typisches Vorurteil. Ein BGE hebt ja gerade den stigmatisierenden Charakter heutiger Leistungen auf, das ist die eine Seite, die andere ist, dass die Motivation, etwas beizutragen nach hier schon öfter zitierten Untersuchungen mit den Lohnersatz- oder Transferleistungen in keinem direkten Zusammenhang steht. Der Sozialarbeiter „glaubt“ nur, dass es so sei. Andere Erklärungen für das von ihm beobachtete Phänomen werden gar nicht erwogen.

Dass die Digitalisierung doch nicht so schlimme Folgen haben werde, wie manche meinen, bekunden Experten in diesem Beitrag ebenso, wie andere Experten diese Folgen auf uns zukommen sehen. Kann sein, kann nicht sein, nur aber weil die einen übertreiben mögen, ist das kein Grund, dass die anderen verharmlosen.

Sascha Liebermann