Diskussion mit ungewöhnlicher Stimme und unerwarteten Schlussfolgerungen – Jürgen Wegge zu Motivation und Erwerbsarbeit

In der Online-Diskussionsreihe „60 Minuten“ des ifo-Institut ging es am 12. Juli um das „Bedingungslose Grundeinkommen“. Diskutanten waren: Prof. Ronnie Schöb, Prof. Jürgen Schupp, Prof. Jürgen Wegge.

Ronnie Schöb war am Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministerium der Finanzen beteiligt und hatte sich schon früher dazu geäußert, dass ein darin simuliertes BGE vielfach unerwünschte Effekte habe (siehe hier). Seine Einwände waren erwartbar, vor allem bezogen sie sich auf die Folgen für das Arbeitsangebot aufgrund höherer Steuerbelastung (laut Gutachten). Jürgen Schupp ist dem BGE äußerst aufgeschlossen und sieht Chancen darin. Er begleitet für das DIW das Pilotprojekt Grundeinkommen wissenschaftlich und setzt darauf, durch das Projekt belastbare Einsichten zu den etwaigen Auswirkungen zu erhalten. Jürgen Wegges Beiträge waren insofern interessant – besonders zu Beginn -, weil er darlegte, dass der Motivationsbegriff in der Psychologie bzw. Arbeitspsychologie äußerst komplex sei und keineswegs auf einen „Anreiz“, nämlich Einkommen, reduziert werden dürfe. Damit hob er einen der Standardeinwände aus den Angeln, der dem BGE entgegengehalten wird.

Forschung zu Arbeitsmotivation, auf die er verwies, zeige, dass „Objekte“, „soziale Kontakte“, „Ausführung von Tätigkeiten“ und Arbeitsbedingungen eine entscheidende Rolle spielen, Geld komme darin nicht vor. Menschen, so Wegge, gehen gern zu Arbeit, wenn die Arbeitsplätze gut gestaltet sind. Das habe Folgen für Innovation, Gesundheit – Autonomie sei hier förderlich. Gerechtigkeitsfragen spielen auch eine Rolle, das führte er aber nicht weiter aus. Am Ende plädierte er dennoch gegen ein BGE, für bessere Löhne und Arbeitsgestaltung, mehr Erwerbsintegration, was aus seinen vorangehenden Ausführungen keineswegs erwartbar war und einigermaßen überraschend kam. Obwohl er über die stigmatisierenden Effekte von Erwerbslosigkeit sprach und die damit verbundenen Ängste, zog er daraus keine weitergehenden Schlüsse. Unbezahlte Arbeit kam überhaupt nicht vor. Er verstieg sich am Ende zur Bemerkung, dass ein BGE dann doch eigentlich überflüssig sei – damit hatte er all die Differenziertheit, die seine Ausführungen zu Beginn erhielten, verloren.

Ronnie Schöb fiel vor allem einer Bemerkung wegen auf. Er entwarf das Szenario, dass angesichts der Freizügigkeit in der EU bei Einführung eines BGE eine Zweiklassengesellschaft entstünde, Zuwanderer dann Arbeiten machten, die Deutsche bzw. alle für ein BGE bezugsberechtigten Personen dann nicht mehr machen würden, worin er ein Gerechtigkeitsproblem sah. Zum einen stellt sich die Frage, weshalb es so kommen sollte (für ihn lag das wieder an den geringen Anreizen), zum anderen übersah er wohl, dass es solche Phänomene in gewisser Hinsicht schon gibt. Dass es einer Regulierung der Bezugsberechtigung bedarf z. B. über eine Mindestaufenthaltszeit, ist klar, für eine solche musste schon in der Vergangenheit für Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe gesorgt werden.

Sascha Liebermann