„Angenommene“ versus „tatsächliche Verhaltensänderungen“ – der Auftakt der Utopie-Wochen des Hamburger Netzwerk Grundeinkommen ist gemacht

Den Auftakt der Utopie-Wochen, die vom Hamburger Netzwerk Grundeinkommen veranstaltet werden, machte ein Vortrag von Stephan Convenant zum Solidarischen Bürgergeld. Herr Convenant vertrat den Leiter des Instituts für neue soziale Antworten (INSA), Hermann Binkert. Das tat er offenbar auf eine ungewöhnliche Weise, wie der Bericht dazu von Otto Lüdemann erkennen lässt.

Herr Convenant trug Ergebnisse aus seiner gerade abgeschlossenen Doktorarbeit vor, die, folgt man dem Bericht, verschiedene Ungereimtheiten zu enthalten scheint. Das betrifft zum einen die Datenbasis, zum anderen die Schlussfolgerungen, die er daraus zu zieht. Datenbasis sind Befragungen von Fall-Managern in Arbeitsagenturen. Da mir nicht bekannt ist, wie diese Befragungen durchgeführt wurden (standaridisiert oder nicht standardisiert?), gehen wir einmal davon aus, dass die Datenbasis brauchbar ist. Sie erlaubt es aber bestenfalls, Deutungen der Fall-Manager über ihre Klienten herauszupräparieren, nicht aber etwas über die tatsächliche Situation derselben heute zu erfahren (dazu müssten andere Daten vorliegen) – Herr Convenant scheint aber genau das zu tun: Tatsächlichkeiten zu schlussfolgern. Diese methodische Beschränkung ist ganz unabhängig davon, in welchem Maße in den Befragungen nur etwaige Vorurteile über die Klienten abgerufen werden. Aus den Deutungen, die in den Aussagen der Fall-Manager enthalten sind, lassen sich dann wiederum nur Schlussfolgerungen darauf ziehen, welche möglichen Veränderungen in der Zukunft die Fall-Manager annehmen, nicht welche tatsächlich erfolgen würden. Das ist im Grunde eine Binsenweisheit. Aussagen über tatsächliche Verhaltensänderungen sind methodisch nicht möglich, auch wenn in öffentlichen und durchaus auch wissenschaftlichen Diskussion manchmal anderes suggeriert wird. Meist stützen sich solche Behauptungen auf Mikrosimulationen, die jedoch nur auf der Basis von Annahmen Wahrscheinlichkeiten modellieren, nicht Tatsächlichkeiten. Auf die Grenze dieser Modelle hat in einer vor kurzem erschienen Veröffentlichung der Arbeitsmarktforscher Alexander Spermann hingewiesen (ein Volkswirt!) – solche Äußerungen sind rar.

Zu Deutungsmustern von Fall-Managern interessant zu lesen ist der Beitrag „Aktivieren als Form sozialer Kontrolle“ von Olaf Behrend (siehe auch hier). Desweiteren für die Thematik interessant sind Untersuchungen im Rahmen eines Projekts des IAB (Stichwort: Implementationsanalyse) unter Leitung von Frank Bauer.

Sascha Liebermann