„Möglicherweise rechnet es sich dann nicht mehr“

…ganz sicher scheint sich Mark Schieritz in seinem Beitrag zum solidarischen Grundeinkommen für Zeit online aber auch nicht zu sein. Doch gerade dieses „möglicherweise“ wäre ernster zu nehmen als er es in dieser Passage tut:

„Möglicherweise rechnet es sich dann [wenn die Bezüge im Arbeitslosengeld II erhöht würden, SL] nicht mehr, sich überhaupt eine Arbeit zu suchen oder von einer schlecht bezahlten Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle zu wechseln – weil die staatliche Stütze wegfällt, wenn das Einkommen steigt, dafür aber Steuern und Abgaben bezahlt werden müssen. Mehr Brutto bedeutet damit unter Umständen weniger Netto. Wer sich von staatlichen Zuwendungen unabhängig machen will, wird dafür finanziell bestraft.“

Die entscheidende Frage wäre doch, ob konkret überhaupt so gedacht, so gerechnet und entsprechend gehandelt wird (siehe auch hier und als Kontrast hier). Die Erfahrungen zeigen doch vielmehr etwas anderes und Studien zu diesem Phänomen ebenso, siehe hier. Manche Behauptungen sind so fest verankert, dass sie sich offenbar kaum erschüttern lassen.

„Damit unterscheidet sich das solidarische Grundeinkommen fundamental vom bedingungslosen Grundeinkommen, das in Teilen des linken Lagers populär ist. Im Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens wird Arbeit als zu vermeidendes Übel begriffen, weshalb jeder Anspruch auf staatliche Stütze haben soll, ob er arbeitet oder nicht. Die Anhänger des solidarischen Grundeinkommens hingegen verstehen Arbeit als eine Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe, weshalb jeder arbeiten können soll, der dazu in der Lage ist.

Der Lebenswirklichkeit in einem modernen Industriestaat wird das wohl eher gerecht.“

Die Sache mit dem „linken Lager“ zeugt von Uninformiertheit und Undifferenziertheit. Es geht im BGE gar nicht darum, Arbeit als zu vermeidendes Übel zu betrachten, sie ist genauso notwendig wie andere Leistungsformen auch, die heute allerdings zu Privatvergnügen erhoben werden, die sog. „unbezahlte Arbeit“. Darüber hinaus stellt sich die grundlegende Frage, nach welchem Kriterium eine Mindestabsicherung bereitgestellt werden soll. Folgt man hier der politischen Ordnung, wie sie im Grundgesetz zum Ausdruck kommt, wäre die bedingungslose Bereitstellung eben konsequent und nicht lebensfremd, wie Schieritz meint.

Sascha Liebermann