„Kann ein bedingungsloses Grundeinkommen vor den Unsicherheiten des Arbeitsmarktes schützen?“ – Undifferenziertes aus dem Institut für Arbeit und Qualifikation

So wirkt ein Beitrag von Gerhard Bosch, Universität Duisburg-Essen, in einer Veröffentlichung des Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ). Frühere Kommentare von meiner Seite zu Ausführungen Gerhard Boschs finden Sie hier. Liest man die Kurzfassung des Beitrags hat man den Eindruck, dass es sich um eine ziemlich undifferenzierte Auseinandersetzung – wenn man es überhaupt so nennen kann – handeln muss. Das lässt auch das Fazit des Beitrags auf S. 13. erkennen:

„Ein BGE ist daher keine angemessene Antwort auf künftige Beschäftigungs- und Einkommensunsicherheiten. Es wird mit „Alternativen Fakten“ gerechtfertigt, wie den widerlegten Aussagen zum Ende der Arbeit oder den negativen Auswirkungen von Arbeitsmarktregulierungen und Wohlfahrstaaten auf die Beschäftigung.“

Auf wen er sich da wohl bezieht? Die einzigen Referenzautoren, die er anführt, sind Götz W. Werner sowie Philippe van Parijs und Yannick Vanderborght. Dass die These vom „Ende der Arbeit“ stets unpräzise oder spekulativ war, ist nichts Neues, ein BGE ist davon allerdings ohnehin nicht abhängig. Besser als diese These ist es aber auch nicht, das Gegenteil zu behaupten, denn das vermag die Empirie, die Bosch so heraushebt, nicht zu leisten, weil es von dem, was kommen wird, noch keine Daten gibt, die untersucht werden könnten. Von wissenschaftlicher Seite wäre es also am besten, dazu keine Prognosen abzugeben. Dann schreibt Bosch noch:

„Der Wohlfahrtstaat wird als unerwünschter Eindringling ins Privatleben denunziert, obwohl die meisten Leistungen auf Rechten basieren und die individuelle Autonomie stärken. Die breite empirische Forschung zu diesen Themen wird schlicht ignoriert und durch ad hoc-Behauptungen ersetzt.“

Meint Bosch hier die Kritik an der Beaufsichtigung durch die Agenturen für Arbeit bzw. die Jobcenter, dass man die Hosen herunterlassen muss, wenn man Leistungen in Anspruch nehmen will? Und meint er damit etwa die Sanktionsinstrumente, um sogar das Existenzminimum wegzusanktionieren? Das ist Denunziation? Auch Rechte können stigmatisierende Wirkungen haben, wenn die Rechtsansprüche zugleich mit Verpflichtungen versehen sind, deren Einhaltung durch Sanktionen erreicht werden soll. Hält er das für nicht der Rede wert? Wie stärken solche Rechte die individuelle Autonomie, wenn sie dem Einzelnen vorschreiben, was er zu tun hat, wenn er die Leistungen in Anspruch nehmen will? Da scheint mir doch ein diskussionswürdiges Verständnis von Autonomie zugrundezuliegen, dass mit der Autonomie, die das Grundgesetz formuliert, nichts zu tun hat. Zu behaupten, dass die breite empirische Forschung ignoriert wurde, ist kein Argument, sondern die Berufung auf Autorität. Was zeigt diese Empirie denn, dass den Referenzautoren widersprechen würde jenseits der These vom Ende der Arbeit, die Götz W. Werner in dieser Form nicht vertritt meines Wissens.

„Alle Einkommensprobleme sollen durch eine Flatrate in gleicher Höhe für alle gelöst werden, obgleich die meisten Empfänger das Geld gar nicht brauchen und die Bedarfe über den Lebensverlauf höchst unterschiedlich sind.“

Wer sich auf Empirie beruft, muss sich umso mehr daran messen lassen, wie er mit der Empirie umgeht. Dass Bosch am Bedürftigskeitsprinzip festhalten will, ist das eine, das kann er für gerecht halten. Doch zu behaupten, das tut er implizit, heute geben es keine Leistungen für diejenigen, die sie nicht brauchen, ist erstaunlich, hat er doch mir nichts, dir nichts den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer vergessen. Das kann ja vorkommen. Er geht offenbar davon aus, dass es über das BGE hinaus keine bedarfsgeprüften Leistungen mehr geben soll. Vertreten das die Referenzautoren so?

„Selbst der völlige Abbau des Sozialstaats reicht nicht aus, um ein BGE zu finanzieren. Einige Autoren, wie Werner, wollen noch einen weiteren Grundpfeiler des europäischen Sozialmodells, die progressive Einkommenssteuer, abschaffen. Übrig bleibt eine gigantische Umverteilung von unten nach oben und dieser neoliberale Traum wird noch als Wohlfahrt verkauft.“

Die entscheidenden Bezugsgröße für die Finanzierung ist nicht der „Sozialstaat“, sondern die verteilbare Wertschöpfung bzw. das Erzeugungspotential an Gütern und Dienstleistungen.

„Das GBE[sic] wird von vielen Autoren, wie vPV [Philippe van Parijs/ Yannick Vanderborght, SL] oder Werner, zum Teil seit Jahrzehnten vertreten. Sie hatten genügend Zeit, ihre Argumente auszuarbeiten und belastbare Kalkulationen über die Kosten und ihre Finanzierung vorzulegen. Dazu lassen sie jedoch keine Anstalten erkennen. Durch zu viele Details würde man ja die schlichte Heilsbotschaft nur verderben.“

Schlicht sind die Argumente der Referenzautoren keineswegs, dazu sind sie genügend ausgearbeitet worden. Argumente müssen nicht jedes Detail abdecken, sondern elementare Zusammenhänge deutlich machen. Von dort lassen sich dann Schlussfolgerungen auf Details ziehen (Van Parijs/ Vanderborght sind ziemlich detailliert, soweit es für ein Buch, das die internationale Diskussion berücksichtigt, möglich ist, siehe hier). Davon einmal abgesehen ist die Ausgestaltung eine politische Frage, weshalb ist es ein Manko, auf sie zu verzichten? Belastbare Kalkulationen, die Bosch offenbar für sicher hält, hängen von den Annahmen ab, auf deren Basis kalkuliert wird. Keiner der Referenzautoren plädiert für waghalsige Manöver bei der Einführung, sie haben mehrfach geäußert, dass eine Einführung auf jeden Fall schrittweise erfolgen sollte.

Sascha Liebermann

Siehe auch die Audioaufzeichnung der Diskussion zwischen Gerhard Bosch und mir im WDR-Funkhaus aus dem März 2016.