Noch ein Grundeinkommensbefürworter wider Willen? Gerhard Schröder zu Hartz IV

Stefan Sell kommentiert in seinem Beitrag „Nach dem Urteil des BVerfG ist Hartz IV eine „bedingungslose Grundsicherung“ geworden? Was für ein Unsinn“ die jüngsten Einlassungen – laut focus – Heinrich Alts, vormals Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Dabei weist er, bezugnehmend auf die Diskussion über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen November, auf Äußerungen des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder hin. Sie sind aufschlussreich:

„Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) erklärt sein Beharren auf Sanktionen bei Hartz IV auch mit Erfahrungen seiner Kindheit. Seine Familie habe lange Zeit von Sozialhilfe gelebt: „Uns ging es in dem Sinne gut, dass wir genug zu essen hatten. Fleisch gab es zwar nur am Sonntag, und dann Pferdefleisch, weil es billiger war“, kann man dem Artikel entnehmen. Für jeden Extrawunsch aber habe man sich anstrengen müssen, auch als Kind. „Wenn wir etwas Taschengeld wollten, konnten wir beim Bauern arbeiten und bei der Ernte oder beim Verziehen der Rüben helfen und uns dann etwas kaufen.“ Dies habe seiner Entwicklung nicht geschadet, und: „Das prägt natürlich ein Verständnis von Leistung, das man hat, und Sie haben recht, ich sage auch vor dem Hintergrund meines eigenen Lebensweges: Sollte es nicht auch heute eine Selbstverständlichkeit sein mitzuwirken, wenn man staatliche Hilfen erhält?““

Schröder ist nicht der erste, der mit seinen Einlassungen dazu, weshalb Sanktionen nötig seien, gerade deutlich macht, weshalb sie nicht nötig sind (siehe auch hier). Wenn er seine Lebensumstände beschreibt und dazu anführt, dass er sich für „jeden Extrawunsch“ habe „anstrengen“ müssen, widerspricht dies gar nicht der Logik eines Bedingungslosen Grundeinkommens, handelt es sich ja doch um ein „Grund“-Einkommen. Wer also darüber hinausgelangen wollte, würde Anstrengungen unternehmen müssen, die auch Schröder unternehmen musste, aber unter anderen Bedingungen. Schröder biegt allerdings in eine ganz andere Richtung ab als das BGE, wenn er dann von seinen Erfahrungen auf die „Mitwirkungspflicht“ im Falles des Bezugs „staatlicher Hilfen“ schließt.

Abgesehen davon erklärt die Anekdote Schröders nicht, woher die Leistungsbereitschaft denn kam, Geldnot bringt nämlich noch keine Sachbindung hervor, die aber zur erfolgreichen Bewältigung von Aufgaben Voraussetzung ist. Schröder unterschlägt hier etwas, das mit Geldnot nicht zu erklären ist, und zwar die Zuwendung nahestehender Menschen, die ihn erst Erfahrungen im Schonraum Familie haben machen lassen.

Sascha Liebermann