„…dass Menschen etwas Sinnvolles bewerkstelligen wollen…“ – scheint gegen ein Grundeinkommen zu sprechen,…

…zumindest sieht das der ehemalige Conti-Vorstandsvorsitzende Elmar Degenhart in einem Interview auf Zeit Online so. Hier der Ausschnitt:

„ZEIT: Es gibt Wirtschaftsführer, die sagen: Wir brauchen ein staatliches Grundeinkommen, um diejenigen, die wir nicht mehr erreichen, abzusichern. Halten Sie das für eine gute Lösung?

Degenhart: Nein, weil ich tief überzeugt davon bin, dass Menschen etwas Sinnvolles bewerkstelligen wollen und auch das Gefühl haben müssen, dass sie einen Beitrag leisten. Ein Grundeinkommen würde das Risiko erhöhen, das Wertgefühl vieler Menschen stark negativ zu beeinträchtigen, wenn sie diesen Beitrag dann nicht mehr leisten könnten.“

Die Frage ist allerdings schon bemerkenswert, was heißt es, jemanden „nicht mehr zu erreichen“ und weshalb sollte es eine Aufgabe von Wirtschaftsführern sein, jemand anderes zu erreichen als den möglichen Kunden? Ein Grundeinkommen wird hier zum einen als Notfallinstrument verstanden, denn es wäre nur für genau diese Gruppe vorgesehen, zum anderen werden überhaupt keine Aspekte benannt, die die Einführung eines Grundeinkommens aufgrund unseres spezifischen Zusammenlebens nahe legen würde. Was antwortet Degenhart?

Degenharts Antwort ist eine Steilvorlage für ein Grundeinkommen, was er gar nicht so sieht, denn er erkennt darin eine Begründung dagegen.

Wenn „Menschen“ etwas Sinnvolles bewerkstelligen wollen, dann wäre doch alles bestens. Der folgende Satz allerdings ist aufschlussreich: sie müssen „das Gefühl“ haben, einen Beitrag zu leisten – das ist nicht dasselbe wie, tatsächlich einen Beitrag zu leisten. Wie gelangen sie aber zu diesem „Gefühl“? Entweder lässt man ihnen den Freiraum, etwas zu bewerkstelligen, dann benötigen sie eine Basis dafür, um sich auf die Suche zu machen, wo das geschehen kann. Das Gefühl, einen Beitrag zu leisten, wäre dann die Folge davon, tatsächlich einen geleistet zu haben, wobei die Verknüpfung zwischen tatsächlichem Ergebnis und Gefühl überhaupt nicht zwingend ist. Auch jemand, der tatsächlich einen Beitrag geleistet hat, kann das Gefühl haben, dies nicht getan zu haben. Darüber hinaus muss derjenige auf der einen Seite selbst den Beitrag noch als Beitrag betrachten, auf der anderen muss es auch tatsächlich einen Beitrag darstellen, dazu ist er von anderen abhängig, die das anerkennen, z. B. die Leistungen in der Pflege, über die in letzter Zeit viel gesprochen wird. Die Sache mit dem Gefühl ist also nicht so einfach, ein Gefühl, dem keine Realität entspricht, ist unwirklich.

Degenhart nun macht zweierlei. Er sorgt sich um das Wertgefühl der Menschen, das durch ein Grundeinkommen beeinträchtigt werden könnte, aber weshalb? Degenhart selbst stellt die Verbindung zwischen wirklichem Beitrag und Gefühl her. Hier ist nun zweierlei möglich: entweder wird allgemein definiert, worin ein Beitrag besteht, ohne auf Interessen und Neigungen einer Person zu achten – das wäre die sozialistische Variante, in der das Individuum nichts zählt. Ein Beitrag wäre dann das, was wir als Beitrag kollektiv definieren. Oder es wird beliebig, jeder definiert für sich, worin ein Beitrag besteht. Beides geht an der Sache vorbei, weil entweder das Individuum oder das Gemeinwesen missachtet wird. Also müssen beide Seiten miteinander verbunden werden, das genau ist, was Demokratie auszeichnet, Pluralität zu fördern, also die Selbstbestimmung des Individuums zur Geltung kommen lassen und zugleich sich darüber zu verständigen, worin ein Gemeinwohlbeitrag bestehen kann. Gegenwärtig stellt sich dies widersprüchlich dar, denn zum einen gilt das Erwerbsgebot im Sinne eines „Du sollst erwerbstätig sein“, darin besteht der zu leistende Beitrag. Zum anderen jedoch anerkennt die Demokratie als ihre Grundlage die Selbstbestimmung und müsste damit eine möglichst freie Suche nach dem für jeden Einzelnen sinnvollen Beitrag eröffnen. Letzteres ist aber nicht der Fall, weil der Vorrang von Erwerbstätigkeit über anderen Beitragsformen herrscht. Degenharts Diagnose ist also nur nachvollziehbar, wenn er den Beitrag an eine bestimmte Leistungsform bindet und diese gegebenenfalls von der Sache ablöst. Genau das geschieht seit Jahrzehnten, wenn das Schaffen und Bewahren von Arbeitsplätzen als höchster Zweck betrachtet wird, statt ihre Sinnhaftigkeit an der Sache zu messen, zu der sie beitragen sollen. Es geht also um die Frage Arbeitsplätze oder Leistungsbeitrag – das stellt heute durchaus einen Gegensatz dar.

Sascha Liebermann