Milliardäre, Gießkannenprinzip, Subsidiarität und die egoistische Seite des Menschen…

…darum geht es in einem Beitrag von Domradio.de, der sich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen befasst und es ist nicht der erste zu dieser Thematik (siehe unsere früheren Kommentare hier). Dort heißt es an einer Stelle:

„Auch Elmar Nass, Sozialethiker und Professor an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) verfolgt die Studie [das Pilotprojekt Grundeinkommen, SL] mit großem Interesse – und einiger Skepsis: ‚Wir haben auch jetzt schon ein System der Sozialtransfers, das die Ärmsten in unserer Gesellschaft schützt‘, sagt er und verweist auf die Grundsicherung. Vor allem das Gießkannenprinzip sieht er kritisch. Im Interview mit DOMRADIO.DE sagte er: ‚Auch der Milliardär bekommt dann ein Grundeinkommen. Ich halte es für besser, dass im Sinne der Subsidiarität nur diejenigen Sozialtransfers bekommen, die sie wirklich brauchen.'“

Ja, wir haben ein System der Grundsicherung, wer wollte das bestreiten, darum geht es in der BGE-Diskussion aber auch nicht, es geht um die Bedingungen, unter denen die Ansprüche daran geltend gemacht werden können. Dass ein Professor für Sozialethik im „Gießkannenprinzip“ und der Bereitstellung für Milliardäre einen Einwand gegen das BGE erkennt, ist verwunderlich. Denn sowohl das Gießkannenprinzip ist mit dem Auftrag, das Existenzminimum zu sichern, schon realisiert als auch der universale Anspruch eben auch für Milliardäre, und zwar u.a. durch den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer, der das Existenzminimum unbesteuert lässt. Abgesehen davon muss man sich doch wundern, dass wegen der paar Milliardäre daraus ein Einwand werden kann, als gäbe es nicht Möglichkeiten, über Besteuerung von Einkommen und Vermögen deren Beitrag zu erhöhen. Apropos Subsidiarität, dazu siehe hier und hier.

An einer anderen Stelle im Beitrag heißt es:

„So ganz ohne Gegenleistung sollte es auch nicht sein, der Meinung ist der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer: Er macht in seiner Gemeinde in einem städtischen Brennpunkt die Beobachtung, dass die Menschen gebraucht werden wollen: ‚Die wollen nicht einfach alimentiert werden, sondern jeder Mensch will für das Gemeinwohl etwas tun‘, erzählt er. Darum spricht er sich für ein ‚im moderaten Rahmen vorbereitetes Engagement für die Gesellschaft und die Gemeinschaft“ aus, also jeder so, wie er kann: ‚Wenn Sie zum Beispiel Flötenunterricht geben wollen, dann geben Sie doch Flötenunterricht in der Schule. Oder wenn jemand gerne draußen arbeitet, kann er Blumen pflanzen, Rasenmähen, Dreck wegmachen‘, findet Meurer. ‚Denn das Grundeinkommen macht einen frei, weil man genau das machen kann, was einem liegt, wenn man eine Grundsicherung hat.'“

Franz Meurer hat sich schon früher zum BGE geäußert (siehe hier), doch seine Einwände sind grotesk. Wenn jeder Mensch „für das Gemeinwohl etwas tun“ will, dann kann er das ja gerade mit einem BGE, wie Meurer am Ende selbst sagt. Er kann doch nicht allen Ernstes ein BGE mit heutigen Leistungen vergleichen, ohne deren stigmatisierenden Charakter in Betracht zu ziehen. Heute Grundsicherung zu beziehen ist in keiner Weise mit einem BGE vergleichbar, das Ziel der Grundsicherung signalisiert zugleich stets, wer sich anders orientiert, entspricht nicht den Erwartungen. Meurer zufolge solle also eine Gegenleistung erbracht werden („vorbereitetes Engagement“), obwohl die Leute beitragen wollen? Das verstehe einer. Wenn das BGE wiederum mit einer solchen Gegenleistungsverpflichtung verbunden wird, muss definiert werden, was als Gegenleistung gilt. Dieses Problem stellte sich schon beim Vorschlag eines „participation income“ von Anthony Atkinson. Meurer unterläuft damit ebenso wie Nass, dass die Sicherung des Existenzminimums Aufgabe der politischen Vergemeinschaftung in der Demokratie ist. Weshalb sollte sie an eine Gegenleistung gebunden werden, worauf berufen sich die Befürworter? Dass auch hier Haushaltstätigkeiten wieder unter den Tisch fallen, sei nur erwähnt.

Abschließend sei noch dieser Abschnitt betrachtet:

„Eine Welt, in der keiner um seine Existenz bangen muss oder unter unwürdigen Bedingungen Jobs erledigen muss: Auch der Theologe und Sozialethiker Nass von der KHTH findet ein solches Modell reizvoll, aber unrealistisch: ‚Das ist ein Ideal, das davon ausgeht, dass alle Menschen bereit sind, selbstlos für den anderen zu arbeiten. Aber das funktioniert so nicht, die Menschen haben auch egoistische Züge, und deswegen müssen wir die ‚Conditio Humana‘, als so den Menschen so nehmen wie er ist und aufgrund dessen Gesellschaft gestalten und nicht einer Utopie hinterherlaufen.'“

Welche Utopie denn? Ist die vorbehaltlose Geltung der Bürgerrechte ein Ideal? Ist die Gründung der Demokratie auf die Souveränität des Volkes ein Ideal? Sind die Staatsbürger Träger der politischen Ordnung oder ist das ein Ideal? Weder muss der Mensch als Idealwesen verklärt noch unterschätzt werden – er ist, wie er ist und deswegen haben wir eine verlässliche Demokratie. Nass muss der Auffassung sein, dass wir irgendwie heute sicherstellen oder garantieren könnten, dass der auch egoistische Mensch nicht aus dem Ruder läuft, aber wie sollte das möglich sein, wenn nicht durch seine Bereitschaft und Fähigkeit, sich an Regeln zu binden und ihnen zu folgen sowie sie in Frage zu stellen, wenn er sie nicht mehr für angemessen hält?

Sascha Liebermann