„Ein Alltag ohne soziale Demütigung – das ist das Grundrecht aller, ausnahmslos“…

…so ein bekanntes Zitat der SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, doch was hätte sie zum Bedingungslosen Grundeinkommen gesagt, hätte sie denn dafür plädiert, dass das Existenzminimum frei von Sanktionen und Bedürftigkeitsprüfung bereitgestellt werden müsste? Hätte Sie dafür plädiert, Sorgetätigkeiten zu ermöglichen auf der Basis eines auskömmlichen BGE? Manch einer (siehe auch hier), der die Würde des Individuums hochhält und Sanktionen für unangemessen erklärt, will Sanktionen doch nicht aufgeben und hält Erwerbstätigkeit für den entscheidenden Hebel, um Armut zu verhindern. Wie Frau Hildebrandt, die eine vorbehaltlose Befürworterin der Sozialhilfe war und sie für eine große Errungenschaft hielt, das gesehen hat, können wir einer Rede aus dem Jahr 1999 entnehmen:

„Natürlich wäre mir am liebsten, wenn alle in der Lage wären, erwerbstätig zu sein und auch wirklich und als alleinerziehende Frauen arbeiten zu können. Ich erinnere bloß daran und bin stolz auf das Recht der Kindergartenbetreuung, das wir in Ostdeutschland schon immer kannten, das aber jetzt in der Bundesrepublik auch Platz gegriffen hat. Eine Voraussetzung, damit Frauen erwerbstätig sein können.“

Hier räumt sie Erwerbstätigkeit den Vorrang ein und wirft die Frage nicht auf, welche Bedingungen für ein Familienleben förderlich sein könnten. Der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit jedoch degradiert familiale Sorge zur Privatangelegenheit, ohne Einkommen kann sie aber nicht wahrgenommen werden.

Auch in der folgenden Passage ist das nicht anders:

„Unabhängig davon muss ganz viel gemacht werden! Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen (auch auf unterschiedlichen Wegen gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen), das Möglichkeiten der Arbeit sagen wir mal die Wege geebnet werden. Und das ist natürlich klar, dass sowohl die Förderung von Arbeitsplätzen bis hin über andere Verteilungen der Arbeit, bis hin zur Förderung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit jeder Arbeitsplatz für die Sozialhilfe ganz wichtig ist.“

Folgerichtig argumentiert sie hier von den auch heute noch geltenden Ziele der Sozialpolitik aus, Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden, wobei familiale Sorge wieder unter den Tisch fällt, andere „unbezahlte Arbeit“ allerdings ebenso.

In einer weiteren Passage findet sich dies:

„Was ich gerne noch erwähnen würde ist der Zusammenhang von „was kann man machen“. Das sind die Initiativen der Länder und Kommunen. Sozialhilfe zu finanzieren halte ich für eine ganz wichtige Sache. „Arbeit statt Sozialhilfe“ zu finanzieren, also das Geld, was ihnen ohnehin zusteht, für die Sicherung der Existenz aufzustocken als Tariflohn und dann Menschen auf die Art und Weise zumindest für ein Jahr in Arbeit zu bringen. Wir haben in Brandenburg (das kann ich Ihnen als ehemalige Sozialministerin sagen) viel getan. Für mich ist die Arbeit der Schlüssel zur Lösung der Probleme. Das kommt natürlich auch daher, dass wir in der DDR erlebt haben, das auch 90% der Frauen berufstätig waren und auf diese Art und Weise ein Einkommen und eine Existenzsicherung hatten.“

„Arbeit [ist] der Schlüssel zur Lösung der Probleme“ – damit ist alles gesagt, weder wird „unbezahlte Arbeit“ berücksichtigt, noch die Frage aufgeworfen, ob es denn nicht einen Konflikt zwischen dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und dem der Wertschöpfung geben kann. Erwerbsarbeit geht beinahe über alles.

Sascha Liebermann