Forscher empfehlen Entschärfung von Hartz-IV-Sanktionen – sprach denn je etwas dafür?

Report Mainz berichtete als erstes darüber, nun werden die Befunde einer Studie des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aufgegriffen – siehe Berliner Zeitung, neues deutschland – und die Aufhebung von Sanktionen im Sozialgesetzbuch gefordert. Dass die Studie neue Details zutagefördert, mag der Fall sein, doch aus dem IAB gab es schon früher Hinweise auf die Problematik, siehe hier und hier. Doch gab es denn je empirische Belege dafür, dass Sanktionen überhaupt etwas bewirken, geschweige denn die für die ihnen zugrundeliegende Behauptung einer Armutsfalle? Es haben sich schon früher Forscher mit dieser Behauptung beschäftigt und belegt, dass in der Realität ihr nichts entspricht. Hier sind einige Arbeiten, die sich mit dem Theorem beschäftigen:

Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)

Wenn zwei Vertreter des Forscherteams im Gespräch in der Report-Sendung dann vorschlagen, man könnte ja positive Anreize schaffen, Belohnungen einsetzen, damit die Leistungsbezieher eine positive Erfahrung machen, es gehe darum, die „Menschen in Arbeit zu kriegen“, dann kann man angesichts der Schlussfolgerungen nur staunen. Läge es angesichts der verschiedenen Forschungsergebnisse zum Armutsfallentheorem und zur Autonomie der Lebenspraxis – ganz abgesehen von den Voraussetzungen der Demokratie – nicht auf der Hand, den Bürgern mehr Vertrauen entgegenzubringen? Läge es nicht auf der Hand, einmal die Reichhaltigkeit alltäglicher Erfahrungen zuzulassen, die einen lehren, dass der Einzelne immer seinen Möglichkeiten entsprechend bemüht ist, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen? Was hält uns nur davon ab, sich dieser Realität ernsthaft zu stellen? Die Sanktionspraxis in der Sozialpolitik beruht vor allem auf Vorurteilen und empirisch nicht bestätigten Behauptungen.

Es ist an der Zeit, das einzugestehen. Selbstverständlich sollte es weiterhin Beratungsangebote geben, wenn es aber keine Sanktionsdrohungen, wenn es das Misstrauen nicht mehr gibt, gibt es auch manche Phänomene nicht mehr, mit denen wir es heute zu tun haben. Naiv allerdings ist in meinen Augen die Forderung, die Sanktionen abzuschaffen, ohne die Erwerbsverplichtung aufzugeben. Eine repressionsfreie Grundsicherung kann es im erwerbszentrierten Sozialstaat nicht geben, denn Sanktionen gehören zu ihm seitdem es ihn gibt. Also bleibt nur die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, wenn diese Vorurteile einmal der Vergangenheit angehören können sollen.

Sascha Liebermann