„Angestellt mit oder ohne Grundeinkommen? Kein großer Unterschied“…

…ein interessanter Beitrag zu einem wenig beachteten Phänomen in der Grundeinkommensdiskussion von Michael Sienhold. Der Autor hebt hervor, dass die Auswirkungen eines BGE auf die Binnenwirklichkeit einer Organisation, also die Auswirkungen auf das, was auf die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags folgt (im Unterschied zur steigenden Verhandlungsmacht), weniger weitreichend sei als häufig angenommen.

Ich halte es für weniger gewiss als der Autor, dass ein BGE Mitarbeiter darin bestärke, sich die erforderliche Loyalität gegenüber dem Unternehmen höher entlohnen zu lassen. Es wäre naheliegender anzunehmen, dass viel mehr über die Arbeitsbedingungen (flexiblere Arbeitszeit, home-office usw.) jenseits von Löhnen verhandelt werden würde, da sie genauso bedeutsam, wenn nicht bedeutender sind als der Lohn selbst.

Weil die Entscheidung für ein Unternehmen freier getroffen werden könnte als heute, würde das schon Auswirkungen auf die Motivation haben. Das BGE brächte eine normative Umwertung der Lebensverhältnisse im Allgemeinen mit sich, was sich auf die Erwerbsarbeitsverhältnisse natürlich auswirkt, und zwar strukturell, nicht lediglich individuell.

Ein BGE könnte, hier akzentuiere ich anders als der Autor, gerade für weniger Indifferenz und stärkere Loyalität zu einem Unternehmen beitragen, weil die Entscheidung für eine Mitarbeit nicht mehr direkt an Einkommenserzielung gebunden ist. Das Moment der Entscheidung „für“ ein bestimmtes Unternehmen träte dadurch deutlicher hervor, würde für beide Seiten, das Unternehmen wie den Mitarbeiter, deutlicher erfahrbar. Das förderte zugleich das Verantwortungsempfinden für die Entscheidung. Zugleich hätte diese Klärung eine entlastende Folge, weil ein Unternehmen von einer Verantwortung entlastet würde, die sich heute diffus und informell äußert, die es aber ohnehin nicht schultern kann, ohne den Zweck unternehmerischen Handelns zu verunklaren oder gar zu beeinträchtigen.

Treffend hebt Michael Sienhold heraus, dass das Bild, das Unternehmen öffentlich von sich zeichnen, wenn es z. B. heißt, dass „der Mensch“ im Mittelpunkt stehen müsse, flache Hierarchien unterstützt würden und ähnliches, nicht ihren Erfordernissen entspreche. Eine Organisation kann sich nur erhalten, wenn ihre Mitarbeiter grundsätzlich austauschbar sind. Wer entlassen wird, ist deswegen nicht „überflüssig“, wie vor einigen Jahren in öffentlichen Debatten suggeriert wurde (siehe hier). Denn als Mensch kann man nicht entlassen werden und ist stets Angehöriger einer konkreten Vergemeinschaftung, was durch einen Rechtstatus verbürgt wird. Und als Mitarbeiter muss man entlassen werden können vice versa.

Die normative Umwertung der Lebensverhältnisse, die nicht mehr derart auf Erwerbsarbeit hin ausgerichtet sind wie heute, würde die Bedeutung von Leistung, Leistungsbereitschaft und Zweckgerichtetheit von Organisationen gerade dienlich sein.

Sascha Liebermann