„Das Grundeinkommen polarisiert“ – das liegt auch am Schubladendenken

Ein Beitrag auf den Nachdenkseiten, der einige weitere Leserbriefe auf Jens Bergers Kritk am Bedingungslosen Grundeinkommen versammelt, weist auf die polarisierende Wirkung des Grundeinkommens hin. Sowohl auf den Originalbeitrag Bergers als auch die ersten Reaktionen in Form von Leserbriefen finden Sie Links im Beitrag. Diese kleine Sammlung von Beiträgen ist insofern interessant, als sie zum einen wenig brauchbare Argumente für ein BGE (auch von Befürwortern) bieten, die Berger zurecht kritisiert (allerdings auch einseitig, siehe meinen frühren Beitrag dazu hier). Sie zeigen in den Erwiderungen – auch Bergers – wie schnell mit Schubladen gearbeitet und wenig differenziert wird.

Ein Leserbrief von Arfst Wagner z. B. weist darauf hin, dass Wirtschaftsliberale zu Beginn der jüngeren Diskussion keine Befürworter eines BGE, sondern eher des FDP-Bürgergeldvorschlages waren. Berger nutzt als Gegenbeleg den Verweis auf eine Veranstaltung der Stiftung Marktwirtschaft (hier ein Bericht der Stiftung, hier meiner, hier das Manuskript des damaligen Vortrags von Horst Siebert) im Jahr 2007, die sehr wohl zeige, dass dort Sympathien bestehen oder bestanden. Offensichtlich war Berger aber weder bei dieser Veranstaltung, noch kennt er Berichte davon, denn in dieser Veranstaltung ging es vor allem um das damalige Modell des Solidarischen Bürgergeldes, von dem Dieter Althaus später selbst eingestand, dass es sich nur um ein partielles Grundeinkommen handelt. Ebensowenig war es so, dass die Stiftung Sympathien hatte. Vertreter äußerten eher starke Vorbehalte bis Ablehnung. Wenn Berger dann schreibt, dass zumindest weltweit eher wirtschaftsliberale Vertreter die Idee propagierten, hätte man doch gerne einmal Belege gehabt. Schnell dahersagen lässt sich das, aber ist es auch so? In der internationalen Debatte wird häufig zwischen Basic Income und Unconditional Basic Income nicht differenziert, so daß man selten genau weiß, worüber diskutiert wird, zumindest nicht, wenn man nach dem Schlagwort schaut. So ist es bei Elon Musk und Mark Zuckerberg, etwas anders bei Albert Wenger. Wenn dann noch alles in einen Topf geworfen wird und Milton Friedman wie auch Friedrich Hayek umstandlos zu BGE-Befürwortern erklärt werden, dann hat man den Kreis einer seriösen Diskussion verlassen. Es sind diese Ungenauigkeiten, fahrlässigen oder auch mutwilligen Vereinfachungen, die eine sachliche Diskussion erschweren. Genau so geht es in einem Beitrag der Nürnberger Nachrichten zu, siehe meinen Kommentar dazu.

Wenn Berger dann den Überlegungen Arfst Wagners entgegenhält, dass z. B. das heutige System doch sehr gut funktionere und man nur innerhalb desselben manches ändern müsse wie z. B. die Sanktionen im Sozialgesetzbuch abschaffen, übersieht er, wie so viele, die das vorschlagen, einen entscheidenden Punkt: im heutigen „System“ kann man Sanktionen nur um den Preis vollständig abschaffen, dass man sich auf den Weg zu einem BGE macht. Selbst diejenigen, die die Sanktionen scharf kritisieren, wie Helga Spindler oder Christoph Butterwegge (das hat er erst jüngst offen eingestanden), heben hervor, dass es Sanktionen brauche, weil man sonst nichts in der Hand habe, um das Bemühen um Erwerbsarbeit disziplinatorisch zu erreichen.

Sascha Liebermann