Die Lebensleistung einer Generation wird in Frage gestellt

In einem Interview mit Harald Lesch, Professor für Theoretische Astrophysik an der LMU München, in Geo, das im letzten Jahr erschienen ist, äußert er sich zum Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Darin kommt eine Passage vor, in der er zu erklären versucht, weshalb manche so vehement gegen Erkenntnisse zum Klimawandel agieren. Hier ist die Passage:

„Und ich habe noch eine Hypothese zur Psychologie der Skeptiker: Ich glaube, dass das Thema Anthropozän ganz allgemein, also wie der Mensch die Welt zum Schlechten verändert, die Lebensleistung von mindestens einer Generation in Frage stellt. Nämlich derjenigen, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in ein Wirtschaftswunderland verwandelt haben. Diese Generation fühlt sich massiv angegriffen, wenn wir ihnen jetzt sagen, hört mal, Freunde, wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, wo wir die Manipulation an der Natur so stark als negativ wahrnehmen, dass wir so nicht weitermachen können. Damit ist nicht nur ihr Lebenswerk in Frage gestellt, sondern auch ihre innersten Überzeugungen, ihre Identität. Die Psychologie des Klimawandels, das ist ein Buch, das noch nicht geschrieben wurde.“

Lesch äußert hier eine interessante Beobachtung, die für politische Diskussionen von Bedeutung ist und nicht unterschätzt werden sollte. Das hat nun nichts mit einem „Kampf der Generationen“ gemein, zu der manchmal politische Auseinandersetzungen stilisiert werden. Aber es geht um unterschiedliche Einschätzungen einer Problemlage vor dem Hintergrund generationsspezifischer Erfahrungen und Deutungen. Wenn diese Erfahrungen aufgrund gesellschaftlicher Wandlungsprozesse entwertet oder relativiert werden, kann dies zu solchen Empfindungen führen, die Lesch beschreibt. Sie dazu auch hier.

Lesch befürwortet auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen, siehe hier.

Sascha Liebermann