„Nach dem Ende der Arbeit“…

…darüber schrieb Franziska Augstein in der Süddeutschen Zeitung und beschäftigte sich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen.

Ein sonderbar einfallsloser Kommentar, der wieder einmal den Unwillen erkennen lässt, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Dass man über manches Argument, das auch in der BGE-Debatte vorgebracht wird, trefflich streiten oder es für erheblich zu kurz gegriffen halten kann, ist klar. Weshalb aber wird so selten versucht, der Sache einmal ernsthaft nachzugehen. An einer Stelle schreibt Frau Augstein:

„Andere Vertreter des Grundeinkommens denken mehr aus Sicht der Geringverdiener und der Arbeitslosen. Sie müssen sich an den entscheidenden Fragen abarbeiten: Wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen motivierend oder hätte es denselben Effekt wie Hartz IV, das manchen eine traurige, bierselige Existenz auf dem Sofa vor der Glotze finanziert? Und: Könnte sich eine Volkswirtschaft das Grundeinkommen überhaupt leisten?“

Ist denn „die Existenz auf dem Sofa“ ein Effekt von Hartz IV oder müsste da einmal weiter ausgeholt werden, um zu verstehen, weshalb jemand zu mehr nicht in der Lage ist? Und wenn es nur um „manche“ geht, soll denn eine politische Lösung sich an Ausnahmen oder an der Regel orientieren? Wie Remo Largo zurecht kürzlich heraushob, wir tun uns enorm schwer damit, den Einzelnen nicht in normierte Schubladen zu stecken. Ob sich eine Volkswirtschaft ein BGE leisten kann, hängt davon ab, wie über Leistungsentstehung gedacht wird. Wir haben heute einen verteilbaren Kuchen, wie es so oft heißt, die Frage ist nur, wie er verteilt werden soll. Die Frage nach dem „Wie“ ist zugleich eine danach, warum jemand bereit ist, überhaupt etwas beizutragen. Die „Arbeitsnorm“ alleine erklärt nicht, weshalb sich jemand mit konkreten Aufgaben auseinanderzusetzen bereit ist. Diese Frage gilt es zu beantworten. Ein Blick auf die politische Ordnung würde helfen, aber sie wird von den Kritikern nicht ernst genommen.

Dann schreibt Augstein:

„Freilich, niemand weiß zu sagen, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen motivierend wirken würde. Etliche Experimente wurden angestellt: in Kenia, Finnland, den USA, Kanada, Brasilien. Und sie glückten. Aber die Bedachten wussten, dass sie mit den Gratis-Zuwendungen zu Ausnahmemenschen wurden – und verhielten sich möglicherweise deshalb entsprechend verantwortungsbewusst.“

Daran, ob Probanden es wissen oder nicht, entscheidet sich diese Frage nicht, doch der Einwand gegen Experimente ist vollkommen richtig, siehe hier. Daraus den Schluss zu ziehen, dass ein BGE zu riskant wäre, wäre einseitig. Was ein BGE tatsächlich verändern würde, lässt sich nur durch Einführung in Erfahrung bringen – ganz wie mit der Demokratie, die konnte vorher ebenfalls nicht ausprobiert werden. Das vergessen wir heute allzuschnell. Wer gestalten will in einer solch weitreichenden Frage, muss also gestalten.

Weiter schreibt Augstein:

„Ziemlich sicher ist: Wenn das Grundeinkommen einer afrikanischen Frau vom Dorf gegeben wird, ist es nützlich. Solche Frauen investieren das Geld mit Vernunft; sie schicken ihre Kinder zur Schule; sie gewinnen Achtung bei den machistischen Männern der Familie, was mitunter auf die gesamte Dorfgemeinschaft ausstrahlt. Was die Industrieländer angeht, sollte nicht unterschätzt werden, welchen moralischen Stellenwert die Arbeit einnimmt: Kaum ein Mensch will nutzlos zu Haus herumsitzen. Die meisten Hartz-IV-Empfänger würden liebend gern arbeiten.“

Was ist hieran nun der Einwand gegen ein BGE? Segelt Augstein auf der Stilllegungsroute? Will Augstein eine Beschäftigungsgarantie, ganz gleich ob ein Arbeitsplatz noch benötigt wird oder nicht? Eine totale Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, damit dem „moralischen Stellenwert“ entsprochen würde? Das führte direkt zu einer Sinnentleerung von „Arbeit“ und damit zu einer Zerstörung des Leistungsethos, ein Problem, das sich schon heute erkennen lässt, wenn Arbeitsplätze als solches für wichtig erachtet werden, statt sie im Verhältnis zu Leistung zu betrachten.

Etwas später heißt es:

„Das Grundeinkommen wird als unverdienter Geldsegen betrachtet. Da spricht die Moral. Wenn es bloß um die Existenzsicherung ginge und nicht um eine auskömmliche Pension, dürften die Moralisten schweigen: Das Grundeinkommen wäre nichts anderes als ein Äquivalent von Hartz IV, das aus Sicht der bedürftigen Empfänger würdevoller ausgeteilt würde. Alle übrigen bräuchten es eigentlich nicht.“

So, so. Aber würdevoller wäre das BGE nur, wenn es alle erhielten, damit würde die normative Stellung von Erwerbstätigkeit erst relativiert, so daß, wer nicht erwerbstätig wäre, sich dafür nicht mehr rechtfertigen müsste. Augstein denkt in Bedarfs- bzw. Bedürftigkeitsrelationen, das ist eben der Haken des heutigen Sicherungssystems. Es ist eben eine Frage dessen, welche Stellung den Bürgern im Gemeinwesen eingeräumt und wie diese abgesichert wird, dazu gehört auch Einkommen, denn Nicht-Erwerbstätigkeit muss man sich erst einmal leisten können. Mit einem BGE wäre es auf einfache Weise möglich.

Sascha Liebermann