„Pendler-Wahnsinn“ – und verlorene Lebenszeit, die nicht mehr wiederkehrt

Während sich die Dokumentation im Rahmen des 3Sat-Magazins makro mit dem Pendelverkehr zwischen Wohnort und Arbeitsstätte und seinen Folgen befasst, kommt eine Frage zu kurz. Der Verlust an Lebenszeit durch das hohe Pendelaufkommen, Lebenszeit, die nicht zurückgeholt werden kann und verloren ist, auch wenn versucht wird, sie zwangsweise so sinnvoll wie möglich zu nutzen.

In der Dokumentation wird darüber gesprochen, wie das Pendelaufkommen sinken könnte, z. B. durch eine Verringerung der Distanz von Wohn- und Arbeitsort, durch die Nutzung von Homeoffice usw. All das ist bedenkenswert und wird heute womöglich zu wenig in Betracht gezogen. Dabei ließe sich noch viel weiter gehen, wenn es gilt, Erklärungen für diese Entwicklung zu finden und nach Alternativen zu suchen.

Zuallererst ist die Frage, weshalb sich die Ballungsräume derart verdichten, wie es heute der Fall ist? Will man das erklären, kommt man nicht um den Stellenwert von Erwerbstätigkeit und Einkommenserzielung herum. Das führt unter anderem zu steigenen Mieten, zu steigendem Verkehrsaufkommen in den Städten, zu höheren Ausgaben für Pendler usw.

Sicher ließe sich über die Stärkung von Homeoffice, den Ausbau der Nahverkehrsinfrastruktur Schiene sowie den öffentlichen Wohnungsbau manches erreichen. Wie aber wäre es, wenn der entscheidende Grund für das Pendeln an Bedeutung verlöre, die Notwendigkeit, einen Einkommensplatz zu finden und dafür in Ballungsgebiete zu streben? Grundsätzlich wäre diese Verbindung dadurch relativiert, wenn man auf diesen Einkommensplatz nicht mehr so angewiesen wäre wie heute. Dazu müsste die Abhängigkeit davon reduziert oder aufgehoben werden. Das würde dazu führen, dass Wohn- und Arbeitsort auf einfachere Weise wieder näher zusammenrücken könnten. Wie? Ein Bedingungsloses Grundeinkommen könnte dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Zugleich wäre es, weil es an die Person geht, wenn man so will, eine Subvention des Lebens, eine Hilfe, um in strukturschwachen Regionen verbleiben zu können, statt abwandern zu müssen. In der Dokumentation spielt der Vorschlag keine Rolle, aber das zeigt wieder einmal, wie wenig weitsichtig solche Themen behandelt werden. Journalisten sind aufgerufen, ein BGE einmal jenseits von Arbeitsmarkt und Digitalisierung unter die Lupe zu nehmen, dann würde seine ganze Breitenwirkung sichtbar.

Sascha Liebermann