„Arbeit ist immer auch Last“ – was aber heißt „Befreiung in der Arbeit“ oder vielleicht „zur“ Arbeit?

Diese Frage wirft ein Interview mit Nicole Mayer-Ahuja in der Freitag auf, in dem es um den Sinn von Arbeit, Arbeitsbedingungen sowie veränderte Arbeitsformen und in einer kurzen Bemerkung auch um ein Bedingungsloses Grundeinkommen geht. So sehr die anderen Ausführungen ebenfalls eine Kommentierung wert wären, so sehr fokussiere ich mich hier auf die Bemerkung am Ende des Gesprächs.

„[der Freitag] Ist es nicht ohnehin ideologisch, die Mühsal der Arbeit mit Sinn und Freude aufpeppen zu wollen?

[Mayer-Ahuja] Für die allermeisten Menschen spielt Arbeit eine wichtige Rolle. Nun ist Arbeit nicht gleich Erwerbsarbeit, wie auch Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens argumentieren. Erwerbsarbeit ist immer auch Mühe und Last, und sie bedeutet, dass man einen Teil der Kontrolle über sein Leben abgibt. Da gibt es nichts zu idealisieren. Aber ob man Sinn in anderen Tätigkeiten suchen kann, ist auch eine Klassenfrage. Das muss man sich leisten können oder massiv auf Konsum verzichten. Das ist jedenfalls kein Modell für alle. Mehr Zeit für anderes wäre durch Arbeitszeitverkürzung zu gewinnen. Für Beschäftigte ist das nur dann eine Verbesserung, wenn sie mit Lohn- und Personalausgleich einhergeht – und dann stellt sich die Verteilungsfrage. Grundsätzlich geht es nicht um die Befreiung von der Arbeit, sondern in der Arbeit.“

Was heißt „wichtige Rolle“ und wichtig inwiefern? Dann geht es sogleich darum, dass mit Arbeit nicht Erwerbsarbeit alleine angesprochen sein soll, damit wird der Begriff anders gebraucht als meist in öffentlichen aber ebenso vielen fachwissenschaftlichen Diskussionen. Hier kommt nun das BGE ins Spiel, das genau diesen weiten Begriff herausstelle. Was dann zu Erwerbsarbeit gesagt wird, gilt aber nicht nur für diese, warum Mayer-Ahuja das einschränkt, ist unklar. Denn gerade Sorgetätigkeiten dienen den Bedürfnissen anderer, hier ist es erforderlich, sich genau danach zu richten, ohne sich ganz zu vergessen. Und Sorgetätigkeiten – hier ganz besonders in der Familie – können einen schnell an die Grenze zur Überforderung bringen insbesondere bei Kleinkindern. Vielleicht hat die ausschließliche Betrachtung von Erwerbstätigkeit mit der Ausrichtung des Interviews zu tun, irritiert hier aber, nachdem Mayer-Ahuja selbst den Begriff erweitert hat. Merkwürdig ist die Verknüpfung von Sinn in der Tätigkeit und Klassenfrage. Zwar ist es richtig, dass man es sich leisten können muss, nicht oder eingeschränkt erwerbstätig zu sein, um anderen Tätigkeiten nachzugehen, doch den Sinn kann man in diesen anderen Tätigkeiten längst erkannt haben und muss ihn nicht suchen. Die Abhängigkeit von Erwerbseinkommen wäre dann die Hürde dazu, diesem Sinn nachzugehen. Warum aber ist das „kein Modell für alle“? Weil es sich nicht alle leisten können? Oder wollen es nicht alle? Ist das eine analytische Betrachtung oder eine Bewertung? Es mag sein, dass nicht alle sich Sorgetätigkeiten oder anderen nicht-erwerbsförmigen Tätigkeiten widmen wollen, das müssen sie jedoch selbst entscheiden und kann nicht dekretiert werden. Oder ist es „kein Modell für alle“, weil sich nicht alle das leisten können? Dann wäre ein BGE um so dringender, damit sie es sich leisten können. Nun wirft Mayer-Ahuja eine Arbeitszeitverkürzung in die Runde, sie trage dazu bei, dass nun also es doch zu einem Modell für alle werden könne? Dann waren zuvor nicht die Neigungen und Interessen gemeint, sondern die Bedingungen, es sich leisten zu können. Weshalb spricht das nun gegen ein BGE? Das wird argumentationslos einfach so dahingestellt. Befreiung in welcher Arbeit nun? Oder doch eher Befreiung zur Arbeit? Wenn am Anfang oder Ausgangspunkt die Selbstbestimmungmöglichkeiten des Individuums stehen sollen, dann muss es um eine Befreiung zur Arbeit gehen, denn das erst kann eine Befreiung zum Sinn in der Arbeit eröffnen. Was Mayer-Ahuja nicht erwähnt, sondern einfach setzt, ist, dass eine Arbeitszeitverkürzung selbstverständlich die eine Arbeit – die nicht-erwerbsförmige – der anderen nachordnet, denn ohne Einkommen nützt auch die Arbeitszeitreduktion nichts. Ohne es direkt auszusprechen, bezieht sie doch Stellung: für den Vorrang von Erwerbstätigkeit und den Nachrang alles anderen.

Siehe auch diesen Vortrag in der Vorlesungsreihe zum Bedingungslosen Grundeinkommen an der Universität Kiel.

Sascha Liebermann