„Eine bedingungsloses Kapitulation […] das zementierte Im-Stich-lassen“ – das ist ein Grundeinkommen…

…nach Einschätzung von Jessica Rosenthal, heutige Juso-Vorsitzende, die sich dazu in ihrer Rede zur Bewerbung auf den Juso-Vorsitz (siehe unseren früheren Hinweis hier) geäußert hat. Dort heißt es:

„Das Bedingungslose Grundeinkommen ist seit dem letzten Wochenende nach dem Willen der Basis Teil des Grünen Programms. Wenn damit ein kleiner visionärer Pfad erkennbar sein soll, so führt er nicht zum Fortschritt, sondern ins Nirvana. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist nicht nur oft genug der Versuch über die Hintertür Sozialleistungen abzubauen. Es ist im Kern eine neoliberale Idee. Eine bedingungslose Kapitulation. Vor der digitalen Transformation der Arbeitswelt. Der Veränderungen angesichts des ökologischen Umbaus. Es ist das zementierte Im-Stich-lassen von allen Menschen, die nicht von fünf Mietshäusern in der Metropole leben oder mal eben von Bali aus arbeiten können. Das Bedingungslose Grundeinkommen wird die Probleme einer neuen Arbeitswelt nicht lösen, es wird die sozialen Ungerechtigkeiten nur verschärfen.“

„Nirvana“?

Sicher lässt sich ein BGE zum Versuch missbrauchen, Leistungen abzubauen, die notwendig sind. Missbrauchen lässt sich jeder Vorschlag. Es folgt aber nicht aus einem BGE. Weshalb lässt ein BGE „Menschen“ im Stich, zementiert dies geradezu noch? Nach Argumenten sucht man vergeblich angesichts der vollmundigen Behauptungen. Die Rednerin bewegt sich hier ganz auf der Linie des Stilllegungsvorwurfs, der in der SPD – aber nicht nur dort – beliebt ist. Wer meint, Bürger ließen sich stilllegen, hat damit schon alles gesagt.

„Wir geben auf diese Veränderungen [in der Arbeitswelt, SL] mutige Antworten: Wir werden sie gestalten. Wir garantieren, dass gerade in diesen Zeiten niemand ohne Job dasteht. So wird Arbeitslosigkeit endlich als gesellschaftliche Herausforderung und nicht länger als individuelles Problem verstanden. Wir lassen niemanden allein. Und genau deshalb fordern wir eine Jobgarantie. Ich freue mich darauf, unser Konzept dazu bei diesem Bundeskongress zu diskutieren. Arbeit ist eben viel mehr als bloßes Geld verdienen.“

Garantie für einen Job? Also Jobgarantie? Das kann heiter werden, denn in der bisherigen Debatte dazu ist nicht zu erkennen, wie denn eine nicht-stigmatisierende Absicherung derer aussieht, die keinen „Job“, sondern Zeit und Möglichkeiten benötigen, sich anderen Aufgaben zu widmen. Auch ist nicht geklärt, wie denn eine Jobgarantie die Chance erhöhen soll, dass jemand eine Stelle findet, die seinen Neigungen und Interessen entspricht. Es gibt allerlei Versprechungen – und nach wie vor wird Erwerbstätigkeit der Vorrang vor allem anderen eingeräumt. Dass Erwerbsarbeit mehr ist als bloßes Geldverdienen, ist natürlich richtig, verklären sollte man sie allerdings auch nicht, denn es zählt die Leistung darin und nicht die Person als solche, das ist das moderne und genau der Unterschied zur Leibeigenschaft. Mitarbeiter sind austauschbar, Bürger nicht.

„Auch volkswirtschaftlich ist es doch auch viel besser Arbeit zu finanzieren anstatt Arbeitslosigkeit. Es geht um gemeinsames Schaffen, teilzuhaben, mitzumachen. Arbeit, nein gute Arbeit, stiftet Sinn, macht es allen möglich selbstbestimmt und eigenverantwortlich das Leben zu gestalten.“

Was soll man dazu sagen, dass ist Agenda 2010-Rhetorik und erinnert an Aussagen à la „(fast) jeder Arbeitsplatz ist besser als keiner“. Als fände „gemeinsames Schaffen“ alleine und vorrangig in Erwerbstätigkeit statt, diese Äußerungen sind um so erstaunlicher angesichts der Lebenserfahrungen, die Frau Rosenthal jüngst geschildert hat (siehe andere ähnliche Stimmen dazu hier). Was genau diese Orientierung an Erwerbstätigkeit nicht erlaubt, ist, sich Aufgaben außerhalb zu widmen, solange nämlich Erwerbstätigkeit der einzige Weg bleibt, ein legitim erachtetes Einkommen zu erzielen.

Abschließend zum BGE heißt es dann:

„Deshalb brauchen wir kein Bedingungsloses Grundeinkommen – wir brauchen eine Jobgarantie, die dieses gemeinsame Schaffen ermöglicht und das Recht auf Arbeit einlöst. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Bäckereifachverkäuferin sich lieber mit einem Niedriglohn abfindet, damit sie wenigstens nicht erwerbslos ist. Arbeitslosigkeit darf nicht länger Drohkulisse für alle Arbeitnehmenden sein. Denn so ist es doch Teil der Rechnung, dass sie als Reserve der Profitsteigerung dienen.“

Und was ändert eine Jobgarantie daran, dass Nicht-Erwerbstätigkeit stigmatisierend wäre? Wie soll es denn möglich sein, diese Drohkulisse zu beseitigen und zugleich den Neigungen und Interessen des Einzelnen Raum zu geben, wenn eine Jobgarantie das nicht zu leisten im Stande ist?

Zum Recht auf Arbeit.

Sascha Liebermann