„Zustimmung zum Grundeinkommen: Wie groß ist sie tatsächlich?“

Auf der Website des Netzwerks Grundeinkommen berichtet Franziska Leopold (Fribis) über eine von ihr erstellte Übersicht zu Meinungsstudien zum Grundeinkommen, die Einblick in die verschiedenen Studiendesigns und ihre Ergebnisse bietet. Sie merkt dabei auch an, welche Grenzen solche Studien haben:

„Vorneweg ist zu sagen, dass das Studiendesign der Meinungsstudien entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse hat. Ein Großteil der vorgestellten Studien basiert zwar auf den Daten der Europäischen Sozialerhebung 2016, deren Grundeinkommens-Definition auf die spezifischen Ausgestaltungsformen des Grundeinkommens nicht näher eingeht. Es wird aber deutlich, dass eine insgesamt überwiegend positive Bewertung schnell abnimmt, sobald die politische Reform näher beschrieben wird und Folgen, wie z. B. steigende Steuern oder der Wegfall bestehender Sozialleistungen, benannt werden. Das derzeitige Niveau der Sozialleistungen – der sogenannte Status quo – ist bei europaweit unterschiedlichen Zustimmungsraten besonders ausschlaggebend: Während in Ländern mit niedrigen Sozialleistungen die Zustimmung hoch ist, nimmt diese im europaweiten Vergleich mit steigendem Budget des Wohlfahrtsstaates ab. Dies fällt insbesondere in den skandinavischen Ländern (außer Finnland) auf, obwohl ihr vergleichsweise universalistisch ausgerichteter Sozialstaat eine dem Grundeinkommen recht nahe kommende Ausrichtung aufweist. Es scheint die Meinung über das Grundeinkommen als relativ „neue Reform“, trotz der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, noch nicht gefestigt zu sein. Insbesondere in Deutschland besteht, was die Erforschung der öffentlichen Einstellung anbelangt, noch Luft nach oben.“

Bei aller Vorsicht bezüglich des Studiendesigns, was denn nun aus den Befragungen geschlossen werden könne, werden doch am Ende Schlüsse gezogen. Dabei wird ein Charakteristikum solcher Umfragen gar nicht benannt, das aber für die Einschätzung ihres Stellenwerts entscheidend ist. Es handelt sich um standardisierte Befragungen zu einem hypothetischen Szenario. Anders als Exit-Polls, die bei uns als Nachwahlbefragungen bekannt sind und zumindest eine tatsächlich getroffene Entscheidung erheben, geht es bei Meinungsumfragen um die Bekundung von Einschätzungen, die keine entscheidungsrelevanten Folgen haben (siehe auch hier). Ob die dort gegebenen Auskünfte ein entsprechendes Handeln nach sich ziehen, ist damit nicht ermittelbar. Standardisierte Befragungen erfordern, dass ein Befragter sich in einer Skala oder einem vordefinierten Antwortschema verortet, ohne dass klar ist, ob die Selbstverortung mit seiner Haltung, seinen handlungsleitenden Überzeugungen, übereinstimmt. Bestimmt werden kann damit auch nicht die konkrete Gestalt von Widersprüchen in den Deutungen. Was in der Auswertung von Verschriftungen offener Gespräche, wie sie in der fallrekonstruktiven Forschung eingesetzt werden, genau bestimmt werden kann, bleibt in standardisierten Befragungen in einer abstrakten Konstellation von Merkmalen gefangen. Wie es also um die befürwortende Haltung zum BGE steht, welche Bedeutung dies für jemanden hat, ließe sich genauer mit offenen Gesprächen ermitteln.

Sascha Liebermann