Bedarfsprüfung als solche muss nicht stigmatisierend sein – es hängt vom normativen Zweck der Bedarfsprüfung ab…

…das scheint mir ganz entscheidend in der Diskussion und wird nicht genügend beachtet, siehe „Über Bedarfe und Bedürftigkeit“. Weder eine Garantiesicherung noch ein Bedingungsloses Grundeinkommen machen Bedarfsprüfungen überflüssig für die Fälle, in denen es um Leistungen geht, die aus dem eigenen Einkommen nicht erbracht werden können, das gilt z. B. für aufwendige Gerätschaften als Assistenzsysteme sowie personale Assistenz u.a., die aufgrund von Erkrankungen z. B. notwendig sind.

Zwischen Garantiesicherung und BGE gibt es aber einen erheblichen Unterschied.

Erstere wird immer ins  Verhältnis zu Erwerbseinkommen (und andere Einkommensarten) gesetzt, was letztlich bedeutet, diesen Einkommensarten normativ stets den Vorrang einzuräumen und die Garantiesicherung zu einer nachrangigen Leistung zu machen (deswegen Einkommensgrenze). Damit wird das Erwerbsgebot als Norm aufrechterhalten, wenn auch freilassender als heute, was zur Fortschreibung der strukturellen Stigmatisierung all derer führt, die auf die Garantiesicherung und bedarfsgeprüfte Leistungen darüber hinaus angewiesen sind. Hier wird die Stigmatisierung also allenfalls gemildert.

Einen grundsätzlichen Unterschied dazu erreicht erst ein BGE, weil es die Einkommensabsicherung nicht mehr als nach-, sondern als vorrangig einstuft. Es ist unabhängig von Erwerbseinkommen (sowie anderen Einkommensarten), dadurch wäre das Erwerbsgebot vollständig aufgehoben und somit der Grund struktureller Stigmatisierung beseitigt. Durch ein BGE würde Autonomiesicherung zum Gebot (Norm), eine Bedarfsprüfung am Erreichen dieses Zwecks gemessen werden, sie müsste ihm dienen. Damit wäre dann der Sozialstaat im Einklang mit den Grundfesten der Demokratie, denn auch sie ruht auf dem Autonomiegebot, wie es im Mündigkeits- bzw. Souveränitätsprinzip (siehe auch hier) zum Ausdruck kommt.

Sascha Liebermann