(Deutsch) Entscheidende Frage: Weshalb wird überhaupt “gearbeitet” und was verändert BGE diesbezüglich? Davon hängt alles ab…

” href=”https://blog.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/2019/10/21/anreize-differenziert-betrachtet-samt-eines-blickes-auf-die-haltung-von-lehrern-und-studenten/” rel=””>”Anreize” (siehe auch hier) – ebenso missverständlich, eine black box, schon bei George Herbert Mead thematisiert. Wirkung der Normativität von Erwerbstätigkeit wird unter- und überschätzt zugleich. Auch die Begrifflichkeit, mit der Handeln und Handlungsmotivierungen bestimmt werden, muss auf den Prüfstand. Hilfreich sind Untersuchungen wie z. B. diese von Ute Fischer. Abgesehen davon ist Bedingungslosigkeit schon heute Voraussetzung der politischen Ordnung, das wird allerdings oft übersehen.

Sascha Liebermann

“Gesellschaftlicher Wandel durch das Bedingungslose Grundeinkommen?”…

…ein Gespräch von detektor.fm mit dem Soziologen Georg Vobruba. Das Interview findet sich am Fuß der Website. Thomas Loer hat vor längerer Zeit ein Interview mit Georg Vobruba in der Süddeutschen Zeitung kommentiert, siehe “Irrungen, Wirrungen – wo Klarheit not täte”.

Manche Überlegung Vobrubas ist interessant, manche hingegen missverständlich. Wenn er zu Beginn ausführt, dass das Grundeinkommen – es wird nicht näher spezifiziert im Gespräch – eine Höhe haben werde, auf der man sich nicht ausruhen könne, dann spricht Vobruba über etwas, das er nicht wissen kann. Wie hoch ein BGE ausfallen würde, wenn es denn eingeführt werden sollte, ist aus heutiger Sicht schlicht nicht zu sagen. Es hängt ja wesentlich von der Willensbildung ab.

Vobruba untertreibt die Folgen eines BGE auf Haushalte. Da es dem Individualprinzip folgen würde, stünden Familien oder Wohngemeinschaften ungleich besser dar. Dass das zusätzlich verfügbare Geld die zum Familienleben gehörigen Konflikte nicht aufhebt, ist klar, doch würde man sich ihnen anders stellen können, wenn die Freiräume dafür größer wären. Und das hätte vermutlich auch Auswirkungen auf das Familienleben, weil die Bedeutung von Familie anders gewürdigt würde.

Zu arbeiten sei nicht vom Geldverdienen getragen, wenngleich das Streben nach mehr Geld, als das Grundeinkommen bereitstellt, wohl vorhanden sei, so Vobruba. Es werde auch gerne gearbeitet, insofern müsse man keine Sorgen um die Arbeitsmotivation haben. Bei hoher Entlohnung hingegen greife das BGE hingegen nicht. Dies Äußerung ist wiederum ungenau, denn es trifft zwar zu, dass für diejenigen, die ein hohes Einkommen beziehen, das BGE nicht ins Gewicht fallen würde – sofern man die Einkommenssumme betrachtet. Die normative Veränderung, die ein BGE bedeutet, wäre hingegen für alle erheblich, weil dadurch Erwerbstätigkeit normativ relativiert würde. Das Solidargefüge würde ausdrücklich auf das Fundament gestellt, das für die Demokratie charakteristisch ist und das hätte Folgen für alle.

Zur Aktion “Mein Grundeinkommen” bemerkt Vobruba, dass sie mit dem BGE “so gut wie gar nichts zu tun” habe, sie sei vor allem Ausdruck gekonnter “Selbstvermarktung”. Trotz allem habe er durchaus Sympathien dafür.

Eindeutig fällt sein Urteil über Feldexperimente aus und damit über die Erfahrungen, die darin – auch bei “Mein Grundeinkommen” – gemacht werden. Weil das BGE ein Ausnahmezustand für einen begrenzten Zeitraum bleibt, könnte aus den Feldexperimenten nichts gefolgert werden. Wer wegen eines befristeten Grundeinkommens darauf verzichtete, sich an den erfordernissen des Arbeitsmarktes zu orientieren, sei einigermaßen verrückt. Denn nach dem Ende des Experiments würde das wieder die Realität sein.

Die Eidgenössische Volksinitiative hält er mit Verweis auf Äußerungen der Initianten ebenfalls für aussichtslos, wenngleich strategisch für einen wichtigen Schritt, um Aufmerksamkeit für das Thema zu erhalten. Sollten die Schweizer wider Erwarten dafür stimmen, sei damit die Diskussion nicht beendet, sie gehe erst los, weil dann zu klären ist, welches Grundeinkommen gewollt sei.

Dass er nun gerade eine Einführung in Deutschland für sehr unwahrscheinlich hält – Deutschland sei ein arbeitsversessenes Land -, überrascht, denn das Arbeitsethos in der Schweiz ist womöglich noch höher. Allerdings ist das bodenständige Demokratieverständnis, das selbstverständliche Vertrauen in die direkte Demokratie ein Zeichen dafür, dass man den Bürgern mehr zutraut, sie als mündig erachtet. Das, nicht das Arbeitsethos, ist das eigentliche Hindernis, das es in Deutschland zu überwinden gilt.

Sascha Liebermann

Irrungen, Wirrungen – wo Klarheit not täte

Man sollte meinen, dass die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens, die damit verbunden ist, dass Arbeit als Quelle von Einkommen einerseits, als Quelle von Wertschöpfung und Lebenssinn andererseits endlich – gedanklich zumindest – unterschieden werden, auch die fixe Idee, Menschen arbeiteten nur, weil sie dazu angereizt würden, in den Orkus der Verirrungen in der Vorstellung von Menschen befördert hätte. Aber dies selbst ist ein Irrtum: Der Mensch als Reiz-Reaktions-Mechanismus schwirrt auch durch die Vorstellungen von BGE-Befürwortern.

So sagte unlängst Georg Vobruba in einem Interview in der SZ: “Wenn das [Grund-] Einkommen eine Höhe haben soll, die finanzierbar ist, würde es vermutlich den wenigsten reichen. Deshalb würden die meisten trotzdem arbeiten.” (Hampel, Lea; Vobruba, Georg (2014): “Es gibt die Bereitschaft zu mehr Umverteilung”. Der Leipziger Volkswirtschaftler und Soziologe Georg Vobruba über die Kultur des fröhlichen Forderns. In: SZ: 20./21.9.2014; Hervorhebung TL) Menschen arbeiten also – so die Grundannhame hinter dieser Äußerung – nicht etwa, weil sie eine Aufgabe bewältigen wollen, weil sie einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten wollen, weil sie sich selbst bewähren wollen – sondern, weil sie müssen, wenn sie weiter konsumieren wollen. Anders Lea Hampel in ihrem öffnenden Kommentar: “Menschen arbeiten für Anerkennung, soziale Kontakte und weil es Ihnen Freude bereitet. Das Geld spielt eine Rolle, aber nicht die einzige.” (Hampel, Lea (2014): Grundeinkommen. Der Wert der Arbeit. In: SZ: 20./21.9.2014) Für Vobruba sind umgekehrt solche Gründe lediglich ein add on: “Hinzu kommt: Viele Leute arbeiten gern.” – Immerhin.

Dann aber heißt es wieder – mit Bezug auf die sozialen Sicherungssystem in Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland und Österreich –: “Vor allem die an Grundsicherung ausgerichteten Beispiele haben doch eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Grundeinkommen. Bedingungslos sind sie natürlich nicht, aber die Entkopplung von Arbeit und Einkommen ist wahrlich nichts Neues.” Hoppla, da wird die Tatsache, dass ein Arbeitsloser etwa rein formal betrachtet sein Arbeitslosengeld II nicht aufgrund einer Lohnarbeit erhält, bereits als Entkopplung von Arbeit und Einkommen bezeichnet. Dass es aber normativ auf’s Engste miteinander gekoppelt bleibt, da es je stets ein Ersatzeinkommen für das eigentliche, das primäre Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist, woraus sich auch die ganzen Sanktionen speisen, denen derjenige, der auf die Idee käme, das Transfereinkommen als primäres Einkommen zu betrachten, ausgesetzt ist, das sieht Vobruba nicht. Diese gedankliche Unklarheit erweist der Verbreitung der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens allenfalls einen Bärendienst – habt Euch doch nicht so, könnte man sagen, Alo II ist doch quasi ein Grundeinkommen…

Aber im weiteren Verlauf sieht man dann auch, dass Vobruba gar nicht für das Bedingungslose Grundeinkommen eintritt, sondern für die Negative Einkommenssteuer und dabei eben zugleich an der Erwerbseinkommensfixierung festhält – nur benennt er es nicht klar, sondern tut im Gegenteil so, als sei die Negative Einkommenssteuer eine Form der Bedingungslosen Grundeinkommens. Da kann man nur konstatieren: Irrungen, Wirrungen. Und das geht weiter so: “die Effekte [des Grundeinkommens] sind ähnlich wie die des Mindestlohns. Ein Stück Autonomie wäre drin.” – Wie bitte? Durch Mindestlohn, der verordnet wird und die Erwerbsfixierung noch weiter festigt, sollen wir Autonomie erlangen? Das ist eine Reduktion von Autonomie auf Cash in de Täsch, von dem man sich ein Stück Autonomie kaufen kann wie ein Stück Kuchen…

Dann aber will Vobruba immerhin “Kontrollexzesse bei Harz IV ab[…]schaffen” – aber halt: nur die Exzesse? Damit hält er also an der Kontrollhaltung als normativ gerechtfertigt fest, was sich auch daran zeigt, dass er die “Verküpfung von Arbeitseinkünften und Sozialleistunge intelligenter […] gestalten” will – eben nicht auflösen. Wer uns hier von der SZ als Vertreter des BGE verkauft wird und sich selbst wohl auch als solcher begreift, ist letzlich ein Vertreter des Status Quo der Ewerbsfixierung, den er mit einigen Veränderungen humanisieren – nicht aber hin zu einer Anerkennung des ganzen Menschen durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen überwinden möchte.

Thomas Loer