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Categorie: Konsum
Erwerbsarbeit, Konsum und das Bedingungslose Grundeinkommen – ein vernachlässigter Zusammenhang
Seit einiger Zeit wird der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens mit weiteren Vorschlägen verknüpft, die für notwendig erachtet werden, damit das BGE als emanzipierend (Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung) sowie ökologisch sinnvoll und nicht als neoliberal oder konservativ bezeichnet werden könne. Diese Auffassung vertitt z. B. die BAG Grundeinkommen, jüngst wieder Ronald Blaschke, aber auch Ulrich Schachtschneider hält das in seinem Vorschlag für ein ökologisches Grundeinkommen für unerlässlich (siehe hier und hier).
Gerade die Überlegungen zur Verknüpfung des BGE mit Maßnahmen zu einem ökologisch verträglichen Wirtschaften scheinen auf der Hand zu liegen angesichts der möglichen Folgen eines Klimawandels, des enormen Verzehrs nicht regenerativer Ressourcen und weiterer Auswirkungen unserer gegenwärtigen Lebensführung auf die Natur. Dass ein Ressourcenverbrauch, wie wir ihn mehr oder minder selbstverständlich betreiben, langfristig dazu führt, unsere eigenen Grundlagen zu zerstören, ist mittlerweile unstrittig. Dasselbe gilt für die Vorstellung, dass es möglich sei, diese Haltung in der ganzen Welt zu praktizieren.
Wie aber diesen Herausforderungen begegnen? Es lassen sich die verschiedensten Maßnahmen erdenken, um Ressourcenverbrauch unattraktiver zu machen, z. B. über Steuern oder Abgaben, sei dies direkt auf Ressourcenverbrauch oder auf Emissionen; durch Förderung effizienterer Energiennutzung usw. Damit ist allerdings noch keine Wandel in der Lebensführung verbunden, der für die Art und Weise der Nutzung verantwortlich ist. Es lässt sich auch eine neue Askesekultur propagieren, die Verzicht großschreibt und ein Leben bevorzugt, das sich auf das wirklich Wichtige konzentriert. Es kann gegen all die unnützen oder unsinnigen Güter protestiert werden, die wir ohnehin nicht brauchen, manche sehen hier in einer Produktionsplanung die Lösung, damit den Bedürfnissen gemäß produziert werde.
Hätte denn all das den Effekt, den sich die Befürworter erhoffen? Ein planender Eingriff in die Güterproduktion auf welche Weise auch immer hätte womöglich die deutlichsten Folgen, bei den anderen Maßnahmen ist es schwer abzuschätzen, denn z. B. der PKW-Verkehr lässt nicht deswegen nach, weil der Kraftstoffpreis durch eine Steuer oder Abgabe erhöhrt wird. Was verlören wir hingegen durch eine neue Verzichtskultur? Für sie wird nicht selten so argumentiert, das wir nur die Dinge herstellen sollten, die wir wirklich brauchen, das sind dann wohl die Dinge, die nützlich sind. Sind wir damit nicht im Zentrum dessen angelangt, was unter dem Schlagwort der Ökonomisierung immer wieder kritisiert wird, dass nur der Nutzen einer Sache zählt? Was würde eine solche Verzichtskultur für Bildungsprozesse bedeuten, von Wissenschaft und Kunst gar nicht zu reden? Sind sie denn, je weniger der Nutzen erkennbar ist, nicht auch verzichtbar? So weit würde wohl kaum jemand gehen, aber manche Argumente müssten so zu Ende gedacht werden. Würden hier nicht Nutzen und Muße, Genuß gegeneinandergestellt?
Angesichts dieser komplexen Fragen und Folgen ist es um so erstaunlicher, wie wenig Augenmerk einem Zusammenhang gewidmet wird, der im Großen und Ganzen banal ist, ihm genau deswegen aber eine gewichtige Bedeutung dafür zukommt, was und wie wir konsumieren. Es geht um den Zusammenhang von Erwerbsnorm und Konsum. Es ist die normative Bedeutung von Erwerbstätigkeit, die ihr ihre Stellung in unserem Gemeinwesen verschafft, nicht ihr sachlicher Gehalt. Der besteht lediglich darin, bestimmte Güter und Dienste (in der Regel standardisierte, vom konkreten Nutzer abstrahierende Leistungen) vermittelt über die Logik von Angebot und Nachfrage bereitzustellen. Alleine von diesem Hintergrund aus betrachtet würde Erwerbstätigkeit nicht bedeutender sein als andere Tätigkeitsformen. Da wir ihr jedoch eine besondere Bedeutung zuweisen und deswegen Einkommen auf diesem Wege erzielt werden soll (Norm, Gebot), erfährt sie eine kollektive Wertschätzung, die über allem anderen steht.
Was hat dies nun mit unserem Konsum zu tun? Konsum erhält durch die herausragende Wertschätzung von Erwerbsarbeit eine besondere symbolische Bedeutung. Dabei geht es gar nicht mehr um den Nutzwert von Gütern und Diensten, sondern darum, sie sich leisten zu können und zu wollen. Sich etwas leisten zu können heißt, es sich verdient zu haben dadurch, dass ein Beitrag zum allgemeinen Wohlergehen gemäß der Verpflichtung “Du sollst erwebstätig sein” geleistet wurde. Alleine schon das Ableisten dieses Beitrages ist also ein Positivum ganz im Sinne von “Jede Arbeit ist besser als keine” oder “Sozial ist, was Arbeit schafft”. Es ist nicht die Leistung im Dienste einer Sache, um die es dabei alleine geht, sondern dass dieser Sache in einer bestimmten Form, eben erwerbsförmig, gedient und auf diese Weise eine nomative Verpflichtung erfüllt wird. Das Dienen erhält hier also zweierlei Bedeutung: es dient der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, wodurch es zugleich das Erwerbsgebot bestätigt und befestigt. Konsum ist also die andere Seite davon, durch Erwerbstätigkeit zum allgemeinen Wohlergehen beigetragen zu habe. Ich sehe einmal davon ab, dass bestimmte Güter darüber hinaus eine Bezugsgruppenfunktion erfüllen, also signalisieren, zu einem bestimmten Milieu zu gehören. Wenn wir diesen Zusammenhang ernst nehmen, dann müssen wir fragen, wie er abgeschwächt oder gar aufgehoben werden könnte, denn das hätte Folgen für das Konsumverhalten. Erreicht werden kann dies nur dadurch, dass die herausragende Wertschätzung von Erwerbstätigkeit und damit der Verdienstcharakter von Konsum relativiert wird.
Das BGE würde, weil es Erwerbstätigkeit vom Sockel holte, ohne ihr ihre sachliche Bedeutung zu nehmen, genau das leisten. Erwerbstätigkeit wäre dann nur ein wichtiger Wirkungsbereich neben anderen im Gemeinwesen. Wie stark die Auswirkungen auf das Konsumverhalten wären, ist schwer abzuschätzen, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Das schließt nun keineswegs aus, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um ressourcenschonendes Wirtschaften zu fördern, ich halte es aber für voreilig, das BGE daran notwendig zu koppeln, wenn noch gar nicht klar ist, welche Auswirkungen ein BGE diesbezüglich haben könnte.
Sascha Liebermann
“Rente für die Überflüssigen”…
…das versteht Mathias Greffrath in der taz unter einem Bedingungslosen Grundeinkommen, das er im Zusammenhang seines Beitrags zu Digitalisierung und Automatisierung anspricht. Er knüpft darin an ein Feature im Deutschlandfunk an, auf das wir kürzlich hingewiesen haben.
Er schreibt unter anderem folgendes:
“…Um „den sozialen Frieden zu erhalten und Konsumenten in die Lage zu versetzen, Produkte zu kaufen“, werde über kurz oder lang das „bedingungslose Grundeinkommen“ kommen, glaubt Höttges. Und auch der zum Zukunftsguru avancierte McAfee plädiert für dessen Einführung.”
Ein BGE würde dies in der Tat leisten. Es jedoch damit zu begründen, wie es die zitierten Denker womöglich tun, reduziert den Menschen, reduziert die Bürger eines Gemeinwesens, auf Konsumenten. Das BGE als Befriedungsinstrument – oder auch Disziplinierungsinstrument -, um das Aufbegehren im Zaum zu halten, so zumindest klingt, was Greffrath wiedergibt. Thomas Straubaar hatte sich einmal ähnlich geäußert, und zwar in einem Interview mit brand eins. Allerdings sagte er einiges andere, das viel weiterreicht, als die von ihm abwegige Zuspitzung nahelegte.
So würde man vertun, was das BGE im Grunde ist: eine Wertschätzung und Anerkennung der Bürger um ihrer und des Gemeinwesens um seiner willen.
Greffrath fährt fort:
“Kein Grund zu linker Freude: Den Leistungseliten, die seinen Vorträgen lauschen, nimmt McAfee die Angst vor „Sozialistischem“ mit Power-Point-Porträts der Ultraliberalen Hayek und Friedman: sie, nicht Marx oder Lenin seien die Vordenker eines arbeitslosen Einkommens. Und das ergibt auch Sinn: denn unter den Bedingungen des globalen Konkurrenzkapitalismus ist eine Überflüssigen-Rente die billigste Lösung für die technologische Arbeitslosigkeit – und die einzige, die alles lässt, wie es ist.”
Aufgedeckt wird, was es mit diesem Grundeinkommen angeblich auf sich habe, wenn schon Hayek und Friedman als Ahnen zitiert werden. Doch bei genauerer Betrachtung geht es bei diesen beiden gar nicht um ein Bedingungsloses Grundienkommen von der Wiege bis zur Bahre, sondern um ein Mindesteinkommen bzw. Existenzminimum. Beide waren dafür, Friedman ging es ausdrücklich darum, die Bedürftigkeitsprüfung abzuschaffen. Stärker noch bei Hayek ist es daran geknüpft, sich nicht selbst helfen zu können. Beider Vorschläge belassen die Mindesteinkommenssicherung jedoch im Status eines Ausgleichssystems, das einen Mangel kompensieren soll (siehe hier). Greffrath kümmert sich nicht um Differenzierungen, ist er ohnehin gegen ein BGE, ganz gleich, wie es aussehen würde. Doch für eine ernsthafte Auseinandersetzung um das BGE ist es wichtig, solche Unterschiede deutlich zu machen, der Teufel wohnt, wie so oft, im Detail.
Dann setzt er im nächsten Absatz dem Grundeinkommen etwas entgegen:
“Die Klassiker des Sozialismus, aber auch John Maynard Keynes versprachen sich von der Vollautomatisierung der Produktion etwas anderes: Zeitwohlstand für Kultur, Spiel, Selbstbetätigung, Muße und die Beteiligung an der Politik, kurz: die allseitige Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten – aller Menschen. So etwas klingt altbacken und abwegig in einer Zeit, in der in Europa einerseits der Kampf um den Achtstundentag wieder aktuell wird, andererseits Millionen von jungen Menschen ohne Arbeit, ohne Bildung, ohne Zukunft bleiben.”
Worin besteht nun der Gegensatz zwischen Keynes und dem BGE? Wenn “Zeitwohlstand” eine souveräne Verfügung über Zeit bedeutet, dann wäre er erreicht, wenn der Einzelne entscheiden könnte, was er mit dieser Zeit tun will – ohne diesem Wollen eine bestimmte Richtung geben zu müssen. Ein Scheingegensatz also, der hier aufgemacht wird, denn gerade ein BGE würde mit Zeitwohlstand ernst machen, ohne dem Einzelnen die Verantwortung zu nehmen, diese Zeit zu füllen. Das Gemeinwesen wäre keineswegs aus der Verantwortung entlassen, eine Bildungsinfrastruktur zu unterhalten und Hilfsangebote zu machen für den Fall, dass jemand mit dem BGE nicht klarkommt. Doch die Voraussetzungen für diese Hilfsangebot sowie ihr Charakter könnten gänzlich anders sein als heute, da sie von der Erwerbsorientierung befreit wären, die heute noch bis in Behindertenwerkstätten und Hilfsangebote für psychisch kranke Menschen hineingreift (siehe hier, hier und hier).
Greffrath jedoch sieht das anders:
“Ein allgemeines, bedingungsloses Grundeinkommen würde den Sieg des Kapitalismus über das humanistische Versprechen der Aufklärung endgültig besiegeln und die hochtechnisierte Gesellschaft auf Dauer spalten: in eine produktive, hochtechnisierten Kernbelegschaft mit Premium-Konsum und eine mit Rationen zum physischen Überleben versehene und im Übrigen mit virtuellen Genüssen und Gadgets stillgestellte Unterschicht ohne Ansprüche, Qualifikation oder Perspektiven.”
Man kann ob dieser Schlussfolgerung staunen, denn um zu ihr zu gelangen, müssen einige Annahmen getroffen werden. Weshalb sollte das BGE zu einer Spaltung führen? Es würde sie doch vielmehr aufheben, wenn es zu einer Zeitsouveränität für alle führen würde. Wenn Greffrath meint, Menschen ließen sich stillstellen, und die Möglichkeiten, die ein BGE schüfe, dann wäre eine wahre Befreiung nur möglich, wenn sie in eine bestimmte Richtung führte. Greffrath weiß also, worin die Befreiung liegt und wohin sie führen soll. Das wäre unfreier als unser heutiges Zusammenleben. Wenn das humanistische Versprechen der Aufklärung in der Emanzipation des Untertanens zum Bürger besteht, wenn es um Mündigkeit und Volkssouveränität dabei geht, dann wäre das BGE genau das richtige Instrument – allerdings nicht für diejenigen, die die Lebensführung der Einzelnen bestimmen wollen.
Abschließend schreibt er:
“Ein Jahrhundert lang hat die europäische Arbeiterbewegung für die allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit gekämpft und für eine Bildungsrevolution, die allen Menschen die Chance gibt, zu qualifizierten Lenkern einer hochtechnischen Produktion zu werden und zu mündigen Bürgern, die in der Lage sind, über die Richtung des Fortschritts zu entscheiden.”
Ja, steht das BGE dem denn entgegen?
Der mündige Bürger allerdings, der citoyen, spielte in der Arbeiterbewegung keine so große Rolle, der mündige Arbeiter schon eher und die Sorge vor den Nichtstuern ebenfalls. Deswegen sehen noch heute die Gewerkschaften – und andere – nach wie vor im Erhalt der “Arbeitsgesellschaft” ihren Auftrag, wenngleich sie daran so recht nicht mehr glauben mögen, wie Greffrath mit Verweis auf das Grünbuch Arbeiten 4.0 des Bundesminsiteriums für Arbeit und Soziales heraushebt. Dabei könnte gerade das BGE zur Stärkung des mündigen Bürgers beitragen, indem es ihn in das Zentrum des Sozialstaats stellte. Davon will Greffrath nichts wissen. Stattdessen übernimmt er die zynische Rede von den “Überflüssigen”, wenn er das BGE als “Überflüssigen-Rente” bezeichnet.
Ja, in der Arbeitsgesellschaft, die meint, Arbeit, also Erwerbsarbeit, halte sie zusammen, da gibt es überzählige menschliche Arbeitskraft (zur Vertiefung siehe hier), sofern sie durch Maschinen substituiert werden kann, wo es vernünftig ist. In einem Gemeinwesen von Bürgern hingegen gibt es keine Arbeitskraft, die nicht benötigt wird, weil das Benötigtwerden gar nicht das Kriterium ist, an dem die Existenz gemessen wird. Alle gehören dazu, die zum Gemeinwesen gehören bzw. sich in ihrem Rechtsbereich dauerhaft aufhalten.
Sascha Liebermann