Die Rede von Ingrid Remmers legt zwar den Finger in eine Wunde, der, zugespitzt gesagt, doch noch immer vorherrschenden Geringschätzung der Bürger. Darüber sollte aber nicht vergessen werden, dass diese Geringschätzung auch eine der Bürger durch sich selbst ist, hätten wir sonst längst andere Verfahren. Der Appell, der hier an die Abgeordneten gerichtet wird, müsste sich an uns Bürger richten, denn wer, wenn nicht wir, müsste darauf drängen, mehr Gehör zu erlangen. Zwar trifft es nicht zu, wie häufig zu hören, dass wir jenseits von Wahlen keinen Einfluss hätten – Demonstrationen gegen Stuttgart 21 beweisen das Gegenteil -, sie müssen nur genutzt werden. Volksabstimmungen allerdings bewirken etwas ganz anderes, sie machen Demokratie und Verantwortung der Bürger auf einfache Weise erfahrbar. Sie würden womöglich auf einen Schlag den „Markt“ der Umfrageindustrie einbrechen lassen, die in öffentlichen Debatten so häufig wie bare Münze herangezogen werden. Auch würden die vielen intellektuellen Berater, die sich im Politikbetrieb tummeln an Bedeutung verlieren, wenn die Bürger sich deutlich direkt artikulieren können. Volksabstimmungen als Votum der Bürger verschaffen Klarheit, eine Klarheit, die keine Umfrage nur annähernd erreichen kann, weil sie eben bloß eine Umfrage ist.
Damit es so weit kommt, damit wir uns zur Einführung von Volksabstimmungen als selbstverständlichem Instrument, entscheiden, müssten wir neben der Geringschätzung der Bürger noch etwas anderes aufgeben: Wahlergebnissen nur dann zuzustimmen, wenn sie den eigenen Ansichten entsprechen.
Sascha Liebermann